In der jahrelangen juristischen Auseinandersetzung zwischen der Leipziger Journalistin und Filmemacherin Jana Bernhardt und RTL entschied nun auch das Oberlandesgericht Köln, dass der Sender gegenüber der Produzentin "umfassend Auskunft über Erträge und Vorteile" zu erteilen hat - und dass sich dieser Auskunftsanspruch auch auf die im Zusammenhang mit der Ausstrahlung der Sendungen erzielten Werbeeinnahmen erstreckt. Es handle sich dabei um alle Spots, "die unmittelbar vor der Sendung, während der Pausen und unmittelbar danach" gezeigt werden.
Laut der Anwaltskanzlei Spirit Legal war es das erste Oberlandesgericht überhaupt, das sich mit dem Umfang der Auskunftspflicht aus §32e im Urheberrechtsgesetz im Privatrundfunk beschäftigt habe und dabei "mit erfreulicher Klarheit entschieden [hat], was unter Nicht-Juristen vermutlich schon immer common sense war: Werbeeinahmen zählen zu den wirtschaftlichen Erträgen und Vorteilen von Privatsendern." Dass diese "scheinbare Offensichtlichkeit" nun festgelegt sei, führe dazu, "dass Urheber endlich nachprüfen können, wieviel Geld die Sender mit ihren Werken verdient haben", sagt Henning Fangmann, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht der Kanzlei Spirit Legal.
In diesem Punkt hatte das Landgericht Köln im Frühjahr schon in gleicher Weise geurteilt, beide Seiten waren danach wegen verschiedener Punkte in Berufung gegangen, im Wesentlichen wurde das Urteil abgesehen von kleineren Anpassungen vom Oberlandesgericht aber bestätigt. Für Jana Bernhardt ist damit die Schlacht aber noch nicht geschlagen - denn ihr eigentliches Ziel ist es, auf Basis der von RTL offenzulegenden Werbeeinnahmen nun in einem zweiten Schritt zu beweisen, dass sie für ihre Arbeit eine unverhältnismäßig niedrige Vergütung erhalten habe. Kurz zum Hintergrund: Bernhardt hatte der RTL-Tochter infoNetwork 2017 einen fertigen Pilotfilm für ein Investigativformat vorgestellt. RTL zeigte sich demnach interessiert, zahlte aber nach Bernhardts Aussage nur einen "Dumpingpreis", auf den sie sich eingelassen habe, weil man ihr ein eigenes Format in Aussicht gestellt habe - zu dem es dann aber nie gekommen sei. Stattdessen wirft sie RTL "Formatklau" vor. Mehr zu den Hintergründen des Rechsstreits an dieser Stelle.
"Ich gehe davon aus, dass der eingeforderte Auskunftsanspruch über die tatsächlichen Erträge der Werbeeinnahmen meiner Produktionen ein grobes Missverhältnis zwischen den erzielten Einnahmen und den an mich bezahlten Honoraren zu Tage fördert. Sollte sich das bestätigen, wovon ich fest ausgehe, werde ich in mindestens sechs Fällen Nachvergütungen einfordern. Das war von Anfang an das Ziel", so Jana Bernhardt. Sie will sich in einem zweiten Verfahren nun auf den "Fairnessparagraphen" im Urheberrecht berufen, ähnlich wie es die Drehbuchautorin Anika Decker einst aufgrund einer zu schlechten Entlohnung für ihre Arbeit an den Filmen "Keinohrhasen" und "Zweiohrküken" durchfocht. Die Regelung sieht einen "Fairnessausgleich" für Urheber vor, wenn die Vergütung für die Übertragung von Nutzungsrechten in einem "auffälligen Missverhältnissen zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes" steht.
Noch ist das Urteil des Oberlandesgerichts allerdings nicht rechtskräftig, RTL will erneut dagegen vorgehen: "Da wir die Rechtsfrage hinsichtlich der hier in Frage stehenden Auskunftsrechte gänzlich anders beurteilen als das OLG Köln, werden wir das Urteil einer weiteren rechtlichen Überprüfung durch den BGH zuführen." Nachdem das OLG Köln eine Revision vor dem BGH nicht zugelassen hat, wird RTL hier eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen. Jana Bernhardt will den Auskunftsanspruch aber jetzt vorläufig vollstrecken lassen.
Weiter heißt es von RTL: "Werbebuchungen erfolgen auf Werbeinseln für die gesamten Sendungen und nicht für einzelne Beiträge." Hier bezieht man sich darauf, dass es sich bei einem Teil der Produktionen nur um Beiträge, die im Rahmen von Magazinen wie "Extra" oder "Punkt 12" ausgestrahlt wurden, handelte, was allerdings nicht auf alle Sendungen zutrifft.
Generell bedauerte man bei RTL, dass es nicht zu einem Vergleich mit Bernhardt kam, zu der sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht mehrfach geraten hätten, da "der Fall in Bezug auf Kosten und Nutzen für ungeeignet eingestuft" worden sei. Einen solchen Vergleich, "der allen Seiten ein langwieriges und kostenintensives Verfahren erspart hätte, lehnte sie jedoch ab", so RTL. Jana Bernhardt sagt, ihr sei ein Vergleichsangebot erst am Ende der Berufungsverhandlung gemacht worden - hier habe sie keinen Grund mehr gesehen, darauf einzugehen.
Jana Bernhardt geht es hier aber auch um Grundsätzliches. So macht sie dem Sender in punkto Bezahlung schwere Vorwürfe: "Einen Sender mit eigener Journalist:innenschule, der es nötig hat, Kreative weit unterhalb des Marktüblichen zu bezahlen, kann man im investigativen Journalismus gar nicht ernst nehmen. Hier fängt Glaubwürdigkeit an. Ich hoffe, damit eine breite Debatte anzustoßen, die dringend geführt werden muss: nicht nur über die Vergütungsstrukturen im Privatfernsehen, sondern auch über die anderen Marktbedingungen, insbesondere den noch immer fragwürdigen Umgang mit Frauen in der Medienbranche und dem oftmals unzureichenden Schutz von Ideen, Formaten und Konzepten."