Lange wollte man sich bei den Öffentlich-Rechtlichen in Sachen möglicher Verfassungsbeschwerde nicht in die Karten schauen lassen, nun steht fest: ARD und ZDF werden nach Karlsruhe gehen, um die von der KEF empfohlene Beitragserhöhung zum 1. Januar 2025 durchzusetzen. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten hatte schon vor vielen Monaten die Empfehlung abgegeben, dass der Rundfunkbeitrag um 58 Cent auf 18,94 Euro steigen soll. Nachdem einige Bundesländer sich aber weigern, der Erhöhung zuzustimmen, konnte man sich im Länderverbund bislang nicht auf eine gemeinsame Linie einigen.
Vor wenigen Wochen einigten die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten aus den 16 Bundesländern zwar auf den sogenannten Reformstaatsvertrag, die Fragen zum künftigen Finanzierungsmechanismus klammerte man aber aus und kündigte an, das Verfahren noch im Dezember neu aufstellen zu wollen. In den aktuellen Verhandlungen der Bundesländer ging es auch um die Frage, ob bei einer Reform des Finanzierungsmechanismus die Erhöhung gleich mit durchgewunken werden sollte.
Die angestrebten Reformen und die daraus resultierenden Einsparungen haben höchstens Auswirkungen auf die Zukunft: Die KEF hatte auch bereits in ihrem Sondergutachten dargelegt, dass sich an ihrer Entscheidung, der Rundfunkbeitrag müsse sich ab dem 1. Januar erhöhen, nichts ändern werde. Insofern kommt die Tatsache, dass ARD und ZDF nun vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, nicht überraschend. Maximal der Zeitpunkt ist ungewöhnlich, hätte man doch auch davon ausgehen können, dass die Anstalten zumindest noch die nächste Ministerpräsidentenkonferenz am 12. Dezember abwarten. Die Medienpolitik hatte zuletzt versucht, ARD und ZDF von einer Verfassungsbeschwerde abzuhalten - wie sich nun herausstellt, ohne Erfolg.
Selbst wenn sich die Länder im Dezember auf einen neuen Finanzierungsmechanismus inklusive Anhebung des Rundfunkbeitrags einigen würden: Diese Entscheidung müsste noch von allen 16 Landesparlamenten abgesegnet werden. Das ganze Verfahren würde sich wohl bis mindestens zum Sommer 2025 ziehen. In dieser Zeit wären die Anstalten nicht mehr "bedarfsgerecht" finanziert, wie der offizielle Terminus lautet.
ZDF-Intendant Norbert Himmler sagt zum nun angekündigten Schritt: "Die Unabhängigkeit unserer Berichterstattung steht und fällt mit der Unabhängigkeit unserer Finanzierung. Der Blick auf die Krisenherde der Welt und die wachsende Verunsicherung auch in Deutschland zeigen einmal mehr, wie wertvoll der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Garant verlässlicher Informationen für die Gesellschaft ist. Die Verfassung gibt vor, dass er dafür angemessen finanziert sein muss. Da die Länder die Beitragsempfehlung der KEF nicht umsetzen, bleibt uns keine andere Möglichkeit, als erneut Beschwerde in Karlsruhe einzulegen."
Der ARD-Vorsitzende Kai Gniffke erklärte: "Dieser Schritt fällt uns schwer, aber wir können eine Verletzung des Verfahrens nicht hinnehmen. Wir tragen Verantwortung über die nächsten vier Jahre hinaus für die dauerhafte Sicherung der staatsfernen Finanzierung und damit für journalistische Unabhängigkeit als Bestandteil der Rundfunkfreiheit. Die ist gesetzlich geregelt, und Gesetze sind einzuhalten. Recht und Gesetzestreue kennen nun mal keine Kompromisse." Der ARD sei bewusst, dass dieser Weg die Ultima Ratio darstelle.
In einer Pressemitteilung bringt die ARD auch eine oft gehörte Forderung seitens einiger Medienpolitiker zur Sprache. Die hatten gefordert, die Öffentlich-Rechtlichen sollten erst einmal vorhandene Rücklagen verwenden, so lange der Rundfunkbeitrag noch nicht angepasst sei. Diese Rücklagen seien jedoch schon bei der Festsetzung des Beitrags ab 2025 von der KEF beitragsmindernd und damit in der vorgeschlagenen Beitragshöhe von 18,94 EUR berücksichtigt worden, heißt es von der ARD. Zweimal könne man diese Rücklagen nicht verwenden, so die Argumentation.
Applaus gab's bereits von Seiten des Deutschen Journalisten-Verbandes, der die Sender auch zuvor schon dazu aufgerufen hatte, nach Karlsruhe zu ziehen. " Es ist offensichtlich, dass die KEF-Empfehlung aus rein populistischen Erwägungen von der Ministerpräsidentenkonferenz nicht übernommen wurde", kritisiert der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster. "Die Klage in Karlsruhe ist deshalb der einzig mögliche Schritt gegen die politische Übergriffigkeit von sieben Länderchefs, die eine Umsetzung der KEF-Empfehlung blockieren.“ Statt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zum Bollwerk gegen Desinformation und Propaganda auszubauen, werde der Qualitätsjournalismus im Programm der Sender destabilisiert. "Das ist ein Eingriff in die Rundfunkfreiheit, der nicht von Dauer sein darf."