"Volle Kontrolle. Deine Themen. Dein Style. Kein Gelaber. Keine Werbung." So kündigte der SWR im April 2022 seine Nachrichten-App "Newszone" an, mit der man die 16- bis 25-Jährigen aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz erreichen wollte - und zog damit umgehend den Zorn der Verlage auf sich. Die sahen in "Newszone" ein "presseähnliches" Angebot, das dem SWR in dieser Form verboten sei und zogen vor Gericht.
Tatsächlich erhielten sie im Oktober 2022 dann vor dem Landgericht Stuttgart auch Recht. Der SWR zog wenig später Konsequenzen und stellte die App vorerst wieder ein, während die Inhalte über andere Wege weiter verfügbar blieben. Geschlagen geben wollte man sich da aber noch lange nicht und ging in Berufung - mit Erfolg. Das Oberlandesgericht urteilte allerdings gar nicht darüber, ob die App nun presseähnlich ist oder nicht, sondern stellte vor allem darauf ab, dass es vor dem gerichtlichen Verfahren eine Schlichtung hätte geben müssen, so wie es BDZV und die ARD 2019 vereinbart hatten.
Die Schlichtung allerdings blieb ergebnislos - also zogen die 16 südwestdeutschen Verlage erneut vor Gericht und waren sich ihrer Sache wohl ziemlich sicher, schließlich hatten sie dieses Verfahren ja schon einmal gewonnen. Doch nun liegt das neue Urteil des Landgerichts Stuttgart vor, das nun ganz anders ausfiel. Ein presseähnliches Angebot wollte die zuständige Kammer (nun in teilweise anderer Besetzung als beim letzten Urteil) nicht mehr erkennen. "Mit Verwunderung" habe man das zur Kenntnis genommen, heißt es num vom BDZV.
"Der Sachverhalt ist unverändert", erklärt dazu Thomas Deicke, CEO "Saarbrücker Zeitung" und Vorstand des BDZV-Landesverbands Rheinland-Pfalz und Saarland. "Allein dieser Umstand lässt es geboten erscheinen, dass die klagenden Verlage in die Berufung gehen." Dies sei auch deshalb notwendig, weil im neuen Medienstaatsvertrag klargestellt werden soll, dass die Presseähnlichkeit immer bezogen auf das konkret streitbefangene Portal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - hier die App Newszone - zu beurteilen ist. "Und eben nicht auf weitergehende Angebote der Rundfunkanstalt, wie es nun das Landgericht Stuttgart meint".
Das Landgericht Stuttgart störte sich auch nicht an der eingangs erwähnten Werbeaussage, dass die App werbefrei sei. Die Verleger wollten das untersagen lassen, weil dem SWR Werbung in Telemedienangeboten ja generell verboten sei. "Werbung mit Selbstverständlichkeiten ist irreführend und daher zu unterlassen", meint der BDZV. Auch weise man die Ansicht des Landgerichts zurück, dass Tageszeitungsverlage einer "Zwangsschlichtung" unterworfen sein könnten, bevor sie gegen eine Rundfunkanstalt wegen eines presseähnlichen Telemedienangebots gerichtlich vorgehen wollen. All das will man nun in einer Berufung vor dem Oberlandesgericht Stuttgart klären lassen. Der SWR äußerte sich zunächst nicht zum Urteilsspruch und will die Details der Entscheidung zunächst analysieren.
Während sich dieser Rechtsstreit um eine Version der App aus dem Frühjahr 2022 dreht, hat der SWR in diesem Frühjahr nun die zwischenzeitlich stillgelegte App in überarbeiteter Form reaktiviert. Auch hiergegen gehen die Verlage vor. Falls die geplante Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit ihren verschärften Regelungen zum Thema Presseähnlichkeit umgesetzt wird, stellen sich die Fragen ab kommenden Jahr aber ohnehin noch einmal in anderem Licht.