Seit etwas mehr als drei Wochen ist der ehemalige "Bild"-Journalist Claus Strunz bei Euronews tätig (DWDL.de berichtete). Seine Berufung zum Chefredakteur und vorläufigen Geschäftsführer kam überraschend. Vom Verwaltungsrat hieß es damals, dass Strunz mit seinem journalistischen Hintergrund und seiner Managementerfahrung Euronews führen und "inspirieren" könne. Doch nun sieht es erst einmal so aus, als müssten die Wogen in der Belegschaft geglättet werden.
Denn inzwischen protestieren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegen ihren neuen Vorgesetzten. Auf X kursiert ein Schreiben von Journalistinnen und Journalisten aus dem Newsroom in Brüssel - und die machen Strunz teils schwere Vorwürfe. Bereits beim ersten Aufeinandertreffen habe man Strunz mitgeteilt, dass man sich über einige sehr explizite Meinungsäußerungen des Journalisten auf Social-Media-Plattformen sorge. Die Postings würden nicht den journalistischen Zielen von Euronews entsprechen, heißt es.
Strunz soll beschwichtigt haben: Das seien lediglich seine persönlichen Meinungen gewesen und in seinem neuen Job beim Sender werde er sich nicht mehr ganz so meinungsstark äußern. Am 7. November setzte Strunz auf X allerdings einen Post ab, in dem er die Ampel-Regierung als die "schlechteste Regierung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland[s]" bezeichnete. Dazu vertaggte er auch noch zwei Euronews-Kanäle, einer davon repostete den Beitrag.
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"Nach unserem Verständnis haben Sie das Social-Media-Team gebeten, Ihren persönlichen Beitrag zu retweeten. Außerdem haben Sie sich über die ethischen Einwände hinweggesetzt, die das Team gegen dieses Vorgehen hatte", schreiben die Journalistinnen und Journalisten an ihren Brief an Strunz. Man sei der Meinung, dass Euronews in diesem persönlichen Posting nicht hätte involviert werden sollen, die Rede ist von einer unzulässigen Vermischung von Meldung und Meinung. Außerdem sollten Journalistinnen und Journalisten nicht gegen ihren Willen gezwungen werden, solche Beiträge zu reposten, wenn das ihren ethischen Arbeitsstandards widerspreche. "Dies könnte ein Fall von Einmischung in unsere redaktionelle Linie sein."
Nicht an Absprachen gehalten?
Und auch mit der Berichterstattung zur US-Wahl zeigen sich die Mitarbeitenden von Euronews nicht zufrieden. So habe man sich im Vorfeld darauf verständigt, dass man bei den Ergebnissen an den Meldungen von Associated Press orientiere. Letztlich habe man Donald Trump aber viel früher als Gewinner ausgerufen als die Nachrichtenagentur. Wie "Übermedien" berichtet, soll Strunz den Sieg von Donald Trump in der Redaktion außerdem mit Champagner gefeiert haben. Darüber hinaus soll Strunz immer wieder in die Berichterstattung eingegriffen haben, ein Mitarbeiter spricht gegenüber "Übermedien" davon, dass der Chefredakteur ein "zerstörerischer Faktor" sei.
Diese ganzen Themen und mögliche weitere Bedenken will man nun persönlich mit Claus Strunz in einer großen Runde besprechen. Die Journalistinnen und Journalisten bitten ihn in ihrem Schreiben daher zu einem Townhall-Meeting.
Euronews ist als pan-europäischer Sender angelegt und betreibt Angebote in zwölf Sprachen. Gegründet worden war der Sender einst als Kooperation mehrerer europäischer Rundfunkanstalten, die aber alle schon vor Längerem ausgestiegen sind. 2022 hatte eine portugiesische Kapitalgesellschaft die Mehrheit an Euronews übernommen. Im Frühjahr berichtete die Investigativ-Plattform Direkt36, dass ein Drittel des Kaufpreises damals von einem staatlichen ungarischen Fonds gestammt haben soll. Die Orban-Regierung bestritt aber, etwas mit Euronews zu tun zu haben. Euronews hat zuletzt einen harten Sparkurs hinter sich, der Hauptsitz wurde unter Strunz' Vorgänger Guillaume Dubois von Lyon nach Brüssel verlegt, eine dreistellige Anzahl an Stellen wurden abgebaut.