Im politischen Berlin geht es aktuell drunter und drüber. Am Abend kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz zunächst an, Finanzminister Christian Lindner zu entlassen und im Januar die Vertrauensfrage zu stellen. Inzwischen ist klar: Auch die FDP-Minister verlassen die Regierung - mit Ausnahme von Volker Wissing, der Verkehrsminister bleiben will und deshalb die FDP verlässt. Und inzwischen mehren sich die Forderungen in Richtung Scholz, die Vertrauensfrage schneller zu stellen, um den Weg für Neuwahlen rasch freizumachen.
Oder um es mit anderen Worten auszudrücken: Wie es mit aktuellen politischen Vorhaben weiter geht, steht völlig in den Sternen. Das hat auch Auswirkungen auf die Medienbranche, die davon gleich an verschiedenen Fronten betroffen ist.
Reform der Filmförderung
Da wäre vor allem die geplante Reform der Filmförderung, die schon in den zurückliegenden Wochen ziemlich stockend verlief. Erst am Mittwochnachmittag forderten Produktionsallianz, Produzent*innenverband und Deutsche Filmakademie in einem gemeinsamen Appell, dass die Filmförderungsreform mit Steueranreizmodell und Investitionsverpflichtung umgesetzt werden müsse. "Die Filmbranche sieht mit Bangen in die Zukunft und befürchtet einen Aderlass bei den Arbeitsplätzen, denn den Hoffnung weckenden Worten folgt bisher keine Sicherheit", hieß es von den Verbänden unter anderem. Vier Stunden später war das Aus der Ampel besiegelt.
Am Mittwoch ist zwar noch das FFG im Kulturausschuss angenommen worden, ob es nun aber in die zweite und dritte Lesung in den Bundestag kommt und in der Folge dann beschlossen wird, ist unklar. Die FFG-Reform hat aber mutmaßlich noch die größten Chancen auf Umsetzung, ist das Verfahren hier doch schon recht weit fortgeschritten. Anders sieht es bei Steueranreizmodell und der umstrittenen Investitionsverpflichtung aus. Hier bräuchte es schon viel Fantasie, um sich vorstellen zu können, wie eine Minderheitsregierung aus SPD und Grünen das mit der notwendigen Mehrheit im Bundestag beschließen könnte - und das möglichst schnell.
Aber es gibt auch optimistische Stimmen. Björn Böhning, CEO und Sprecher des Gesamtvorstands der Produktionsallianz, sagt, dass die verbliebene Regierung aus SPD und Grünen in filmpolitischen Fragen sehr große inhaltliche Überschneidungen habe. "Das ist keine so schlechte Ausgangslage", erklärte Böhning gegenüber DWDL.de und hofft nun, dass das Steueranreizmodell und die Investitionsverpflichtung mithilfe des neuen Finanzministers Jörg Kukies schnell im Kabinett beschlossen werden. Gleichzeitig appelliert Böhning an die Verantwortung der CDU, dem Paket im Bundestag zuzustimmen. "Die CDU war immer Partner der Filmwirtschaft, daher baue ich auf diese Zusammenarbeit auch in der jetzigen Situation. Kommt die Reform mit ihren drei Säulen allerdings nicht, rutscht die Branche 2025 in eine schwere Krise. Ein Abbau an Arbeitsplätzen wird die Folge sein."
Gleichzeitig ist die Situation in Berlin nach wie vor dynamisch. Es ist zur Zeit noch unklar, ob der Plan von Olaf Scholz, sich im Januar einer Vertrauensfrage zu stellen, Bestand hat. Möglich ist es auch, dass er zu einem schnelleren Handeln gedrängt wird, Oppositionschef Friedrich Merz hatte bereits angekündigt, dass er ein schnelleres Vorgehen will. Wenn Scholz den Weg zu einer schnellen Neuwahl freimache, werde die Union prüfen, welche Gesetze sie bis dahin noch mittragen könne, so Merz. Das dürfte den Beteiligten in der Branche Hoffnung machen, hat sich die Union in filmpolitischen Fragen in den zurückliegenden Jahren doch immer stark engagiert, vor allem in Person von Monika Grütters.
Die nun großen Unklarheiten in Bezug auf die Filmförderreform treffen die gesamte Branche ins Mark, hatten doch alle sehnsüchtig auf den Beschluss gewartet, um endlich Planungssicherheit für das neue Jahr zu erhalten. Andreas Görgen, Amtschef von Claudia Roth, die als Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) für die Reform maßgeblich verantwortlich ist, erklärte zuletzt noch selbstbewusst, dass man die Reform selbstverständlich hinbekommen werde. Dabei skizzierte er auch einen Fahrplan. Jetzt ist das alles gar nicht mehr so klar, das BKM hat sich auf Anfrage von DWDL.de noch nicht zum Status Quo und der weiteren Vorgehensweise geäußert.
Fazit: Die ohnehin schon großen Fragezeichen in Bezug auf die Filmförderungsreform mit ihren mehreren Säulen sind noch größer geworden. Komplett aussichtslos ist die Umsetzung nicht, aber es wird viel Arbeit und Überzeugungskraft brauchen, um das Vorhaben durchzubringen. FFG-Reform und Steueranreizmodell befürworten die meisten, die Investitionsverpflichtung ist vor allem den Auftraggebern ein Dorn im Auge.
Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel
Vor mittlerweile eineinhalb Jahren hatte Ernährungsminister Cem Özdemir ein geplantes Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel in Aussicht gestellt. Während er Ärzte, Krankenkassen und Gesundheitsverbände auf seiner Seite hat, laufen Vermarkter, Medienunternehmen und Lebensmittelhersteller Sturm gegen das geplante Verbot. Özdemir entschärfte das Gesetz bereits im vergangenen Jahr, doch es geht vielen in der Branche noch immer viel zu weit.
Ähnlich wie bei der Filmförderung stockten die regierungsinternen Verhandlungen auch hier lange Zeit. Die FDP kritisierte das Vorhaben und seine konkrete Umsetzung immer wieder und auch bei der SPD zeigte man keinen übersteigerten Eifer, das Projekt nach vorne zu bringen. Seit mehr als einem Jahr ist nun schon nichts mehr vorangegangen. Gegenüber DWDL.de erklärte ein Sprecher des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft am Donnerstag, dass sich das Vorhaben nach wie vor in der Abstimmung befinde. Wie es nach dem Aus der Ampel nun aber weitergeht, ist unklar.
Gut möglich ist, dass das Projekt endgültig stirbt. Selbst wenn sich SPD und Grüne auf einen konkreten Gesetzestext einigen könnten, im Bundestag hätte man dafür wohl keine Mehrheit. Und Cem Özdemir hat mittlerweile ohnehin andere Pläne: Er will 2026 für die Grünen als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg antreten.
Fazit: Eine Umsetzung des geplanten Werbeverbots wäre eine große Überraschung. Priorität hat die Umsetzung jetzt wohl nicht einmal mehr bei SPD und Grünen, ganz zu schweigen von der fehlenden Bereitschaft der Opposition, das Verbot mitzutragen. Für Vermarkter und die werbefinanzierten Medienunternehmen wäre ein Scheitern des Verbots ein großer Erfolg.
ÖRR-Reform
Gute Nachrichten gibt’s zur geplanten Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Weil Medienpolitik in den meisten Fällen Ländersache ist, hat das Aus der Ampel-Regierung wohl keine entscheidenden Auswirkungen auf die bereits beschlossenen Reformen und den sogenannten Reformstaatsvertrag. Im Dezember wollen sich die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten noch einmal mit einem neuen Finanzierungsmechanismus der Öffentlich-Rechtlichen befassen. Auch das sollte im Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen möglich sein. Denkbar ist allerdings, dass durch das Ampel-Aus andere Themen wichtiger werden und sich Beratungen und Entscheidungen verzögern.