Im Eiltempo durch die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Nachdem die Rundfunkkommission erst Ende September einen Diskussionsentwurf des Reformstaatsvertrags zur öffentlichen Anhörung gestellt hatte, die lediglich zwei Wochen ging, haben die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten die Reformen am vergangenen Freitag beschlossen. Im Anschluss an die Ministerpräsidentenkonferenz war der gefasste Beschluss noch nicht abrufbar, nun ist er aber da - DWDL.de hat sich angesehen, was sich im Vergleich zum Diskussionsentwurf von Ende September noch verändert hat. 

Presseähnlichkeit

BDZV © BDZV
Hier gab es wohl die größten Meinungsunterschiede. ARD und ZDF wollten das Verbot der Presseähnlichkeit komplett weg haben, die Verlage und der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) dagegen noch schärfere Regeln. Im Wesentlichen hat sich im Vergleich zum Diskussionsentwurf jetzt nur wenig verändert. Die Politik hat nur noch einmal festgehalten, dass Text auch bei Schlagzeilen zu aktuellen Ereignissen zulässig ist - "einschließlich begleitender Echtzeitberichterstattung", wie weit auch immer das geht. 

"Bei Ereignissen von besonderer gesamtgesellschaftlicher Bedeutung sind abweichend von Satz 3 sendungsbegleitende Texte auch zur Vorbereitung einer konkreten Sendung zulässig." Auch dieser Satz ist neu und zielte auf das von ARD und ZDF gemalte Horrorszenario ab, man könne in Breaking-News-Situationen nicht mehr angemessen berichten. Das sollte damit vom Tisch sein. Sendungsbegleitende Texte dürfen die Anstalten jetzt außerdem vier Wochen nach der Ausstrahlung veröffentlichen - zunächst war nur von zwei Wochen die Rede. 

Generell steht zu befürchten, dass der Punkt der Presseähnlichkeit trotzdem ein Dauerstreitthema zwischen Öffentlich-Rechtlichen und Verlagen bleibt. Die von der Politik angekündigte Positivliste gab es im Wesentlichen auch zuvor schon. ARD und ZDF werden durch die neuen Regelungen zwar stärker als bislang an die Kandare genommen, ob das aber tatsächlich die auf Verlagsseite erhofften, positiven Effekte haben wird, ist fraglich. 

Teilweise erfolgreiche Last-Minute-Lobbyarbeit durch: ARD und ZDF

Kooperation mit Privatsendern

ARD und ZDF sind künftig angehalten, verstärkt miteinander zu kooperieren - so viel war schon klar. Neu im Vergleich zum Diskussionsentwurf: Die Anstalten sollen auch mit privaten Anbietern zusammenarbeiten. "Kooperationen können insbesondere eine Verlinkung (Embedding) oder sonstige Vernetzung öffentlich-rechtlicher Inhalte oder Angebote, vereinfachte Verfahren der Zurverfügungstellung öffentlich-rechtlicher Inhalte oder die gemeinsame Nutzung von Infrastrukturen beinhalten", heißt es in einem neu hinzugekommenen Absatz. 

Markus Breitenecker, Joyn © Gerry Frank
Die neue Regelung betrifft alle privaten Rundfunkanbieter, sie trägt aber ganz eindeutig die Handschrift von ProSiebenSat.1, die das Ziel verfolgen, Joyn zum allumfassenden Streamer aufzubauen, bei dem es Inhalte von allen relevanten Playern gibt. Wenn man künftig neben den Livestreams der Öffentlich-Rechtlichen auch deren On-Demand-Inhalte anbieten könnte, wäre das ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel. 

Erfolgreiche Last-Minute-Lobbyarbeit durch: Private Rundfunkanbieter, mutmaßlich vor allem ProSiebenSat.1

Sportrechte

Sportschau © ARD
Bislang haben ARD und ZDF acht bis zehn Prozent ihres Programmaufwandes für Sportrechte ausgegeben. Nun wird das Budget in diesem Bereich gedeckelt - der Teufel liegt aber wie immer im Detail. Künftig sollen die Anstalten nur noch 5 Prozent ihres von der KEF anerkannten Gesamtaufwandes für Sportrechte ausgeben dürfen. In sportintensiven Jahren dürfen ARD und ZDF diesen Wert überschreiten. Im Beschluss ist davon die Rede, dass die fünf Prozent "in der Regel" nicht überschritten werden dürfen. Heißt aber auch: Gibt man mehr Geld für Großereignisse aus, fehlt es an anderer Stelle. 

Damit hat die Politik eine starre Grenze für Sportrechtekosten ausgegeben, allerdings: Im Entwurf war noch die Rede davon, die Grenze an den Programmkosten zu bemessen - nicht am Gesamtaufwand. Ob ARD und ZDF künftig überhaupt Einschränkungen unterliegen, wird sich erst noch zeigen. Den Satz, dass der Erwerb von Übertragungsrechten ausschließlich "zu marktüblichen Preisen" erfolgen darf, ist dagegen gestrichen. Hier war aber ohnehin unklar, wer festlegt, was marktüblich ist. 

Erfolgreiche Last-Minute-Lobbyarbeit durch: VAUNET (feste Grenze für Sportrechtekosten) sowie ARD/ZDF (Bemessungsgrundlage nicht mehr Programmaufwand, sondern Gesamtaufwand)

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ARD-Federführung

Statt wie vom Zukunftsrat vorgeschlagen eine fest ARD-Geschäftsführung zu installieren, werden sich die Landesrundfunkanstalten künftig in verschiedenen Bereichen auf Federführungen einigen müssen - das stand auch im Entwurf schon so und wurde nun beschlossen. Kritisiert wurde im Zuge dessen vor allem von der ARD-Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK), die eigentlich ebenfalls für eine feste Geschäftsführung war, dass die Intendantinnen und Intendanten nicht dazu verpflichtet seien, eine gemeinsame Strategie mit Zielen zu entwickeln. Das hat der Gesetzgeber nun noch nachgeholt. So ist mittlerweile von "strategischen Zielen" die Rede, die gemeinsam beschlossen werden müssen. 

Erfolgreiche Last-Minute-Lobbyarbeit durch: ARD-Gremienvorsitzendenkonferenz 

Spartensender

Schon bislang war im Diskussionsentwurf die Rede davon, dass die Spartensender bis spätestens zum Jahr 2033 ins "Digitale" überführt werden (also die klassische lineare Verbreitung einstellen) müssen. Im Falle des Angebots, das sich an "jüngere Erwachsene" richtet, ist die Frist nun nach vorne verlegt worden: hier muss die lineare Verbreitung schon zum 1. Januar 2029 enden. Diese Regelung trifft auf die heutigen Sender ZDFneo und One zu - von denen ab 2027 (so lange bleiben alle bisherigen Sender weiter beauftragt) nur ein Angebot übrig bleiben darf. Bleibt die Frage, ob man sich einen aufwändiger Relaunch unter einem gemeinsamen Markendach angesichts der Tatsache, dass zwei Jahre später linear sowieso Schluss sein müsste, generell sparen kann. Hier könnte auch die vom ZDF geforderte Regelung zum Tragen kommen, dass eine Federführung bei einem Kanal auch die alleinige Veranstaltung durch den Federführer bedeuten könne.

3sat © 3sat
Dass sich die Debatte um die Spartensender bislang vor allem um 3sat und Arte dreht, ist auch deshalb ein wenig skurril, weil die Politik zwar will, dass die 3sat-Inhalte zum deutsch-französischen Kultursender - der zu einer europäischen Plattform weiterentwickelt werden soll - wandern, aber extra betont, dass das keine Verpflichtung ist. Das kann also höchstens ein langfristiges Projekt sein, bei dem dann ja auch noch europäische Partner etwas mitzureden haben. Gleichzeitig stellt die Politik in ihrem nun gefassten Beschluss aber noch einmal deulticher klar - und das ist im Vergleich zum Diskussionsentwurf neu - dass die 3sat-Inhalte auch gerne in den Hauptprogrammen von ARD und ZDF landen können, sollte der Sender perspektivisch eingestellt werden. 

Erfolgreiche Last-Minute-Lobbyarbeit durch: teils VAUNET (früheres Ende der linearen Verbreitung), teils ZDF (ursprünglich standen ZDFneo/One komplett auf der Kippe)

Kommerzielle Tätigkeiten

ARD Plus © ARD
ARD Plus und (mit Abstrichen) ZDF Select gehören zu den Lieblingsangriffszielen der privaten Rundfunklobby. Und tatsächlich wurde durch den Diskussionsentwurf die Tür zu einem möglichen Verbot der kostenpflichtigen Abo-Dienste geöffnet. "Das Angebot von Rundfunk oder Telemedien im Rahmen kommerzieller Tätigkeit ist unzulässig", hieß es da. Weil sich die Politik aber wohl selbst nicht sicher war, wozu das führen würde, ließ man diesen Punkt in Klammern. Im nun gefassten Beschluss ist er verschwunden, ARD Plus und ZDF Select dürfen damit also auch weiterhin betrieben werden. 

Erfolgreiche Last-Minute-Lobbyarbeit durch: ARD und ZDF bzw. ihrer kommerziellen Töchter, die die Plattformen betreiben

Die ESC-Klausel

In einer Detailregelung war im Diskussionsentwurf ursprünglich geplant, den Öffentlich-Rechtlichen die Nutzung von Telefonmehrwertdiensten zu untersagen. Dieses Verbot ist nun aber ersatzlos gestrichen worden. Hintergrund dürfte vor allem der Eurovision Song Contest (ESC) und der jeweilige Vorentscheid, bei dem entsprechende Nummern zum Einsatz kommen. Damit bleibt es bei der bisherigen Regelung, dass die Sender damit nur keinen Gewinn erzielen dürfen.

Erfolgreiche Last-Minute-Lobbyarbeit durch: ARD und möglicherweise auch aufmerksame ESC-Fans

Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag 

Auch wenn sich die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten in Sachen Rundfunkbeitrag auf Dezember vertragt haben und optimistisch sind, zu einem neuen Finanzierungsmechanismus zu kommen: Änderungen am Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag hat man nun aber trotzdem vorgenommen. So müssen die Rundfunkanstalten künftig auf "erkennbare und beitragsrelevante Veränderungen" hinweisen. Das geht natürlich in beide Richtungen. Das Ziel der Politik ist aber natürlich zu erkennen, wo ARD und ZDF wie viel sparen - sodass dann ggfs. der Rundfunkbeitrag sinken könnte. 

Die KEF soll künftig außerdem unabhängig von der Überprüfung des Finanzbedarfs Prüfungen zu Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Anstalten durchführen dürfen. Dazu kann die Kommission auch mit Wirtschaftsprüfern zusammenarbeiten. Kommen die ARD-Anstalten, das ZDF oder das Deutschlandradio den KEF-Vorgaben nicht oder nicht ausreichend nach, ist diese künftig berechtigt, Beträge von dem anerkannten Bedarf abzuziehen. Ermöglicht wird daneben aber auch die Bildung beitragsperiodenübergreifender, zweckgebundener Rücklagen, um damit größere Bau- und Investitionsprojekte zu ermöglichen, die eine Finanzierung über den 4-Jahres-Zyklus hinaus benötigen.

Erfolgreiche Last-Minute-Lobbyarbeit durch: Eigeninitiative der Politik

Hinweis: Wir haben im Bereich der Sportrechtekosten ergänzt, dass im Beschluss die Bemessungsgrundlage anhand des Gesamtaufwandes erfolgt - und nicht, wie im Diskussionsentwurf vorgesehen, am Programmaufwand.