So viel Haut wie an diesem Mittwoch war selten auf der Bühne der Medientage München. Den Grund dafür lieferte Micaela Schäfer, die in das House of Communications gekommen war, um zusammen mit dem "Prince Charming"-Gewinner Lars Tönsfeuerborn, dem Joyn-Programmchef Thomas Münzner und Fabian Tobias, dem Geschäftsführer der Produktionsfirma Endemol Shine Germany, über den seit Jahren anhaltenden Hype des Reality-Fernsehens zu sprechen. "Realities", das Motto der diesjährigen Medientage, wurde damit also erstaunlich weit gedehnt.

Auch wenn die Diskussion, moderiert von Reality-Fachfrau Anja Rützel ("Trash ist keine Schande"), keine allzu großen Erkenntnisse bot, so lieferte sie doch eine wohltuende Abwechslung zu den oft ziemlich ernst geführten Debatten über medienpolitische Themen, wie sie in München auch in diesem Jahr wieder auf der Tagesordnung stehen. Dabei bot auch das unter der Überschrift "The Regels sind the Regels" stehende Panel, Raum für Ernsthaftigkeit - etwa im Hinblick auf die Verantwortung von Sendern, Plattformen und Produzenten.

Reality-Panel bei den Medientagen © Medientage München Joyn-Programmchef Thomas Münzner

Die Betreuung der Teilnehmer sei intensiver geworden, attestierte Fabian Tobias, der diese Entwicklung auf den immer stärker werdenden Einfluss von Social Media zurückführt. "Leider gibt es mehr Shitstorms als Lovestorms", sagte der TV-Produzent, der sich erkennbar daran stört, dass auch Mobbing und Diskriminierung verstärkt Einzug halten in das Genre der Realityshows. "Da ist unsere Verantwortung gefragt", betonte er und räumte zugleich ein, in der Vergangenheit auch Fehler gemacht zu haben." Man lerne viel und reagiere heute in vielen Situationen anders als früher - "mit klareren Leitplanken", so Tobias. 

Lars Tönsfeuerborn, der Realityshows seit einigen Jahren vor allem von außen betrachtet, lobte allerdings, dass relevante Themen wie die seelische Gesundheit von Teilnehmerinnen und Teilnehmern inzwischen immer wieder Einzug in Realityshows halten. "Wenn man sie in so einem lockeren Kontext bringt, dann schaffen wir es, die Leute zu erreichen, die sich niemals mit diesen Themen befassen würden", zeigte sich der Podcaster überzeugt.

"Massenmarkt erschwert das Geschäft"

Ganz andere Sorgen trieben indes Micaela Schäfer um, die "eine gewisse Verzweiflung bei den jungen Realitystars" festgestellt hat, weil diese immerzu an neuen Formaten teilnehmen wollen. Sie selbst sei einst "wahnsinnig viel gebucht" worden, wie sie sagt, "obwohl ich kaum Drama gemacht habe". Doch vor über zehn Jahren habe es eben kaum Menschen gegeben, die bereit gewesen seien, sich vor die Kamera zu stellen. Das hat sich geändert. "Inzwischen rennen die einem die Bude ein - und ich bezweifle manchmal, ob alles stimmt, was die so erzählen", so Schäfer.

Ähnliche Erfahrungen hat auch Lars Tönsfeuerborn gemacht. "Ich kenne einige, die sich für jeden Preis in Formate reinverkaufen und die nur deshalb mitmachen, um einfach stattzufinden." Das mache letztlich das Geschäft, das es ja ist, kaputt, "weil die Summen immer weiter gedrückt werden", so Tönsfeuerborn über die aufgerufenen Gagen. Sein Fazit:  "Dieser Massenmarkt erschwert das Geschäft ganz schön."

Reality-Panel bei den Medientagen © Medientage München Fabian Tobias, Geschäftsführer von Endemol Shine Germany

Die Entwicklung stellt aber auch Produzenten vor wachsenden Herausforderungen. "Vielen geht es nicht um die Show, sondern die Show wird von ihnen verwendet", stellte Fabian Tobias von Endemol Shine Germany fest. "Das erschwert es uns. Es ist dann nicht ok, wenn wir merken, dass alles nicht mehr echt ist." Am Ende brauche es aber ohnehin unterschiedliche Persönlichkeiten für eine Reality, stimmte Joyn-Programmchef Thomas Münzner zu. "Sonst wäre es nicht interessant. Es braucht nicht nur das eine, sondern von allem etwas."

Micaela Schäfer hofft derweil trotz der wachsenden Konkurrenz auf viele weitere Auftritte in Realityshows. Dass sie optimistisch ist, das zu schaffen, machte sie bei den Medientagen München sehr deutlich: "Mich gibt’s schon seit 20 Jahren und mich wird man auch noch die nächsten 20 Jahre sehen müssen."