Markus Breitenecker ist schon seit über 25 Jahren für ProSiebenSat.1 tätig, hierzulande kannte man ihn trotzdem lange Zeit kaum, schließlich baute er ab 1998 das österreichische Geschäft aus, wo man gerne auch mal andere Wege ging als in der Unterföhringer Zentrale. Doch in diesem Frühjahr holte ihn Bert Habets nun in den Vorstand des Gesamtkonzerns - hier soll er wiederholen, was ihm in Österreich schon gelungen ist: Joyn zu dem Portal zu machen, auf dem sich (mit Ausnahme von RTL) alle relevanten Anbieter von Bewegtbild wiederfinden, nicht nur mit Livestreams, sondern auch On-Demand-Inhalten.
Seither ist er mit einer Charmeoffensive im Land unterwegs - und das ließ sich auch am Mittwoch bei der Eröffnung der Medientage München beobachten. Dort versammelten sich mit Burda-Vorstand Philipp Welte, BR-Intendantin Katja Wildermuth und eben ProSiebenSat.1-Vorstand Markus Breitenecker im Talk mit Eva Schulz führende Köpfe aus Verlagswelt, Öffentlich-Rechtlichen und Privatem Fernsehen. Wer angesichts der bevorstehenden Entscheidungen bezüglich der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten nun Konfrontation erwartete, fand die aber nur zwischen Welte und Wildermuth.
Markus Breitenecker hingegen gab sich als Fan des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks zu erkennen. Den Satz "Wenn es die Öffentlich-Rechtlichen nicht gäbe, müsste man sie erfinden", würde er gerade heute so unterschreiben. Zu denken, dass es gut für die Privaten sei, wenn ARD und ZDF beschnitten werden, sei ein altes Denken. "Es gibt kein duales Rundfunksystem mit heimischen Medien mehr", so Breitenecker, längst würde mehr als die Hälfte des Marktes von Giganten aus dem Silicon Valley oder aus China beherrscht. Man müsse diese Herausforderungen offensiv angehen - und da helfen aus seiner Sicht nur Kooperationen unter den hiesigen Medien.
Man müsse, so Breitenecker, echte Kooperationen schaffen, auf verschiedenen Feldern zusammenarbeiten und Inhalte austauschen. "Das bringt uns insgesamt im Kampf um ein lebendiges, heimisches, vielfältiges Mediensystem weiter als alte Scharmützel aus der Vergangenheit." Und nicht nur die Öffentlich-Rechtlichen umgarnte Breitenecker, auch für die Medienpolitik hatte er überraschend warme Worte übrig. Mit Blick auf seine Erfahrungen aus Österreich sagte er: "Ich bin erstaunt, mit welcher Qualität und auf welchem Niveau hier medienpolitisch diskutiert wird."
Das scheint nicht unbedingt die schlechteste Strategie zu sein, um sich ebendort Gehör zu verschaffen. Wenige Minuten zuvor hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) jedenfalls auch schon betont, dass man im Reformstaatsvertrag die Öffentlich-Rechtlichen zu mehr Kooperationen anhalten wolle. Und dass am Dienstag NRW-Medienminister Nathanael Liminski beim Filmfestival Cologne konstatierte, dass die Öffentlich-Rechtlichen Inhalte aufgrund "ideologischer Scheuklappen" zwar bereitwillig zu YouTube und Co. tragen würden, aber bitte keinesfalls zu Joyn - was man durch Regelungen den Reformstaatsvertrag ändern wolle - klang auch ganz so, als hätte da jemand Argumente aus Unterföhring vernommen.
BR-Intendantin Katja Wildermuth wollte sich zwar nicht konkret auf das Werben von ProSiebenSat.1 einlassen, betonte aber ebenfalls den Wert von Kooperationen, die es aber auch schon gebe - beispielsweise im Recherche-Bereich auch mit vielen Verlagen. "Wir haben ein gemeinsames Interesse: Dass die Menschen verstehen, dass Qualitätsjournalismus und redaktionell kuratierte Inhalte etwas anderes sind als wenn jemand irgendwo etwas postet." Auch dort stehen die Zeichen also generell auf mehr Zusammenarbeit - oder wie Wildermuth es formulierte: "Ich wünsche mir, dass wir anachronistische Villarriba-Villabajo-Diskussionen überwinden, denn inzwischen haben manche schon eine Spülmaschine."
Philipp Welte befindet sich mit seiner Branche gerade allerdings noch in einer solchen Situation - schließlich leistet man kräftig Lobby-Arbeit, um die sogenannten "presseähnlichen Angebote" der Öffentlich-Rechtlichen zu verbieten. Die würden damit "systematisch und strategisch in unsere Zukunftsmärkte eindringen". Man fühle sich eingeklemmt zwischen den großen Tech-Plattformen auf der einen Seite und dem Öffentlich-Rechtlichen System auf der Anderen - "und wir sind die Kleinsten in diesem Spiel", so Welte. Der Spielraum für freie Medien werde immer kleiner. Bislang fühlt man sich von der Medienpolitik nicht ausreichend unterstützt, weil auf Sonntagsreden kein konkretes Handeln folge, die angekündigte Presseförderung etwa sei per Pressemitteilung abgeräumt worden. "Das ist eine Art mit uns umzugehen, die ich schwer erträglich finde", so Welte. Ein bisschen Villabajo und Villarriba bleibt uns also trotz der grassierenden Kooperations-Laune erhalten.