Der sogenannte Reformstaatsvertrag sieht auch engere Grenzen im Bereich der Online-Angebote von ARD und ZDF vor. Das Verbot der Presseähnlichkeit soll verstärkt werden. Dadurch sollte schon bislang sichergestellt werden, dass die Öffentlich-Rechtlichen den privaten Verlagshäusern keine Konkurrenz machen. Weil die aktuelle Regelung gescheitert ist, soll das Verbot künftig deutlicher ausfallen. Das Problem: Die Verleger wollen im Vergleich zum öffentlichen Entwurf noch strengere und klarere Regeln, die Öffentlich-Rechtlichen dagegen einen Wegfall des sogenannten Verbots der Presseähnlichkeit. 

ARD-Vorsitzender Kai Gniffke hat erst am Mittwoch in einem dpa-Interview vorgeschlagen, sich einer neuen Selbstverpflichtung zu unterwerfen, sollten die Politikerinnen und Politiker von ihrem Vorhaben ablassen. Man könne sich dazu verpflichten, als Bezugsgröße zur Überprüfung von Presseähnlichkeit künftig jedes Teilangebot einzeln zu betrachten, und nicht mehr das Gesamtangebot wie bislang. Gniffke sprach diesbezüglich von einem "Game Changer". Zudem sollen die Öffentlich-Rechtlichen auf Inhalte der Verlage verlinken.

Bei den Verlagen ist man offenbar aber nicht sehr angetan vom Vorschlag des ARD-Vorsitzenden. Die beiden Vorsitzenden des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), Matthias Ditzen-Blanke und Stefan Hilscher, haben nun der "FAZ" ein Interview gegeben und sind darin sehr deutlich geworden. Man habe Jahre mit Schlichtungsversuch hinter sich, sagt Ditzen-Blanke. "In all dieser Zeit hätte genau diese Selbstverpflichtung passieren können, und sie ist halt nicht passiert."

Und Stefan Hilscher wird noch deutlicher. Er sagt: "Hunderte Menschen aus Politik und Sendern beschäftigen sich über Monate mit diesem Vorschlag, der vielen Anliegen Rechnung zu tragen versucht. Und in wirklich allerletzter Minute wird diese Selbstverpflichtung aus der Tasche gezogen. Für wie naiv hält Herr Gniffke eigentlich die Verleger – und auch die Politiker, frage ich mich."

Vor allem der SWR, dessen Intendant Kai Gniffke ja ist, liegt seit Jahren mit den Verlagen im Südwesten der Republik im Clinch. Grund ist die App Newszone, die den Verlegerinnen und Verlegern zu "presseähnlich" ist. Ein zunächst ergangenes Verbot gegen die App wurde später aus formalen Gründen wieder aufgehoben. Nach einem zwischenzeitlichen Aus ist die App inzwischen wieder online - und noch immer stören sich die Verlagshäuser daran. "Kai Gniffke und der SWR haben sich so verhalten, dass unsere Kolleginnen und Kollegen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz – das ist ja das Sendegebiet, um das es hier geht – gezwungen sind, langwierige Rechtsverfahren zu führen", sagt Stefan Hilscher.

Die Aussage Gniffkes und anderer ARD-Verantwortlichen, ein Verbot entsprechender Angebote würde den privaten Verlegern gar nicht helfen, weisen die BDZV-Vorsitzenden zurück. Würden nur drei Prozent der Nutzerinnen und Nutzer von den Angebote der Öffentlich-Rechtlichen zu den Presseinhalten der Verlage wechseln, würde das zusätzliche Erlöse in dreistelliger Millionenhöhe bedeuten, sagt Matthias Ditzen-Blanke. "Aus unserer Sicht ist das sehr viel Geld, für die ARD vielleicht nicht. Wenn wir von fünf Milliarden Euro Vertriebsumsatz der Zeitungen im Jahr ausgehen, sind drei Prozent Zuwachs 150 Millionen. Für die Presseverlage ist das keine unwesentliche Summe."

Die beiden BDZV-Vorsitzenden weisen im "FAZ"-Interview dann auch noch die Befürchtungen von ARD-Entscheidern zurück, man könne nach der neuen Gesetzeslage nicht einmal in Breaking-News-Situationen die Menschen anständig informieren. "Niemand will, dass, wenn zum Beispiel die Bevölkerung durch Hochwasser bedroht ist, bei den Öffentlich-Rechtlichen kein Text dazu stehen darf. Selbstverständlich können die Sender ‘Breaking News’ bringen, das ist doch überhaupt nicht das Thema", sagt Stefan Hilscher. "Da werden Horrorszenarien aufgebaut, die es überhaupt nicht gibt und über die wir gar nicht reden müssen."