Wäre doch zu schön gewesen, wenn der „Tatort“ zum Jahresbeginn das hohe Niveau gehalten hätte, das er zum Jahresabschluss mit den beeindruckenden Fällen aus Hessen, München und Kiel erreicht hat. Aber dann kommt wieder dieses komische Pärchen aus Leipzig auf den Schirm, und alles ist dahin. Die Kommissare Eva Saalfeld und Andreas Keppler sind wieder das, was sie immer schon waren: Abspielstationen für seltsame Drehbuchideen.

 Zu Beginn erhält Saalfeld einen Anruf von ihrer Schwester, die sie irgendwo wähnte, die aber schon seit über zwei Jahren, ohne sich zu melden, in Leipzig lebt. Just als sie die Schwester erblickt, fährt ein Transporter vor, die Schwester wird hereingezerrt, und ab geht die Entführungspost. Saalfeld bleibt nur das dumme Gesicht, das sie bis zum Ende des Films nicht mehr ablegen wird, auch weil sie ihren Vater, den sie vor einiger Zeit in den Knast gebracht hat, hinter der ganzen Aktion wähnt. Schnell verlagern sich die Ermittlungen in ein türkisches Café, wo die Schwester gekellnert hat. Es werden eingehende Anrufe abgehört, aber nur einmal ist ein komisches Röcheln zu hören. Das stammt, wie man später erfährt, aus der Nachbarschaft, wo ein mächtiger Türke ermordet wird. Prompt gerät dessen leichtfüßig lebender Sohn ins Visier der Kripo, und irgendwann taucht auch die reichlich lädierte Schwester wieder auf. Sie konnte fliehen, sagt sie.

Ein reichlich wirres Geflecht haben Autor Andreas Pflüger und Regisseurin Christine Hartmann da ausgelegt. Irgendwie wirkt jeder verdächtig, was den Kommissaren natürlich reichlich Raum für handelsübliche Mutmaßungen gibt. Schnell sind die Rollen verteilt. Simone Thomalla darf als Saalfeld die hysterische Tochter mit Vater-war-so-doof-zu-mir-Komplex spielen, sie hatte halt Pech mit dem Papa. Martin Wuttke gibt als Saalfelds Kollege Keppler wieder mal die coole Sau, die sich über ein paar knapp an der Handgreiflichkeit vorbeischrammende Kabbeleien mit dem Sohn des Mordopfers (einziger Lichtblick: Denis Moschitto) fast anfreundet. Er darf sich kundig machen, wie es unter Türken so zugeht, und er darf bei Kepplers kleiner Türkenkunde viel über die Besonderheiten dieser Menschen staunen, was letztlich wohl die Hauptaufgabe eines „Tatort“-Kommissars ist.

Das alles ist nicht weiter schlimm, es hätte immer noch ein passabler Film dabei herausspringen können. Aber dann kommen jene Sätze hinzu, die stets das ganz große Theaterfass aufmachen. „Es geht nicht um Genugtuung. Es geht um Gerechtigkeit“, muss Saalfeld einmal sagen, und ihre von Josephine Preuß ein wenig zu aufgeregt angelegte Schwester bekommt auch eine tolle Sequenz vorgesetzt. „Ich werde nie verstehen, was du da getan hast. Nie“, sagt sie und meint damit die Festnahme des Vaters. Sie sagt es indes nicht. Sie brüllt es förmlich heraus. So als säße der Zuschauer nicht ein paar Meter vor dem Flatscreen, sondern irgendwo weit hinten im Theatersaal und müsse vom Ende der Bühne erreicht werden. Oder die Szene, in der Saalfeld ihren problematischen Papa im Knast besucht und ihn anfährt. „Weißt du, was du für mich bist“, schnauzt sie, um dann ihrem Erzeuger Raum zu geben für ein pathetisches „Ich bin dein Vater, Eva.“ Das ist leider keine missglückte Star-Wars-Parodie, denn Saalfeld bringt ihre Attacke noch „Tatort“-gerecht zu Ende: „Du bist Abschaum.“

Ja, das sollte ganz offensichtlich ganz großes Theater werden. Alle reden zu laut, zu pathetisch, zu schrill. Jeder Satz hat hohen moralischen Wert. Drunter machen sie es nicht mehr. Leider reicht das Wollen nicht aus, denn mit solch einer Vorstellung würde man noch jedes Provinztheater leer spielen, von der großen „Tatort“-Bühne ganz zu schweigen. Das ist nur etwas für Menschen, die sehen wollen, wie ganz schlechtes Fernsehen geht. Aber das gibt es auf den anderen Kanälen ja auch.