Es gibt bei den Krimis am Sonntagabend häufiger mal Grund zur Klage. Der deutsche Anstaltsföderalismus gebiert halt gerne Filme von höchst unterschiedlicher Qualität, und viel zu oft ist purer Schrott im Angebot. Da wirkt es fast wie ein Wunder, wenn eine Produktion zwischendrin mal die beinahe uneingeschränkte Gelegenheit zum Jubel bietet. So wie die „Polizeiruf 110“-Ausgabe „Zwischen den Welten“, die an diesem Sonntag auf den flachen Schirm kommt. Das liegt, nicht allein, aber vor allem, an – Fanfare, Tusch, Hosianna - Charly Hübner. 

„Ich mache nicht auf dicke Hose, ich bin die dicke Hose“, sagt er einmal, und er sagt das nicht nur, er lebt das. Charly Hübner ist wieder Sascha Bukow, Ermittler in Rostock. Er ist geschlagen und gleichzeitig gesegnet mit der von Anneke Kim Sarnau gespielten LKA-Frau Katrin König. Gemeinsam haben die beiden bereits ein paar sehr feine Folgen dieser einstigen DDR-Reihe hingelegt, bei der man sich immer wieder fragt, warum es sie eigentlich noch gibt, weil die Unterschiede zwischen „Polizeiruf 110“ und dem „Tatort“ wohl nur ARD-Hierarchen einleuchten.

Aber egal. Bukow war bisher stets dieser sehr eigenwillige Kommissar, der über straffe Drähte in Rostocks Unterwelt verfügt, von dem man nicht immer wusste, wem er nun näher steht, dem Gesetz oder den Gangstern. Dieses Spannungsverhältnis spielt diesmal so gut wie keine Rolle. Es geht um den Tod einer Frau, die im Wald liegt. Ein kleines Mädchen stellt sich dem eigentlich mit seinen Söhnen urlaubenden Bukow in den Weg, führt ihn zur verblichenen Mutter, und schon ist Schluss mit Urlaub. Schon ist Bukow im Dienst. Und wie der im Dienst ist.

Sehr zum Unwillen seiner Mannschaft, die auch gerne mal selbstständig in einem solchen Fall ermitteln würde. Geht aber nicht, denn Bukow schiebt seinen massigen Körper dazwischen und reißt alles an sich. So heftig reißt er, dass sein Familienleben darüber in Turbulenzen gerät. Aber das ist erst einmal zweitrangig. Es geht um den Tod der Mutter im Wald.

Man muss nicht wissen, welche Wendungen dieser Fall nimmt, wie er gelöst wird. Es geht um den Weg dahin, es geht um die Figur Bukow, und darum geht es um Charly Hübner. Hübner ist einer der wenigen wirklich wandelbaren Schauspieler in Deutschland. Er kann bei Anke Engelkes „Ladykracher“ den begriffsstutzigen Trottel spielen, er kann auf der Theaterbühne im „Kirschgarten“ herum torkeln, und er kann böse sein. Sehr böse sogar. 

In diesem „Polizeiruf 110“ schmeißt sich Hübner wie gewohnt mit ganzer Kraft in seine Rolle. So wie er als Bukow manchmal guckt, sagt das mehr als in anderen Drehbüchern auf zehn Seiten passt. Hübner nutzt seine ganze schwitzige Körperlichkeit, und der heiße Rostocker Sommer gibt ihm jede Chance dazu. Im Prinzip ist dieser Krimi ein Solo für Hübner. Natürlich steht ihm Anneke Kim Sarnau zur Seite, und auch sie macht ihre Sache gewohnt gut. Leider ist ihre Rollenfigur zu sehr geschlagen mit der Aufarbeitung ihrer Kindheit, mit jenem Tag, als sie bei der Flucht aus der DDR ihre Mutter verlor. Wollte man partout etwas bemäkeln, wäre es vielleicht dieser Seitenstrang der Erzählung. Andererseits nützt der auch wieder, weil das Leid der Kollegin den Bullen Bukow zusätzlich in Konflikt bringt. Er will helfen, er muss helfen, so ist er.

Das mündet in eine der schönsten Szenen, die jemals in einem Sonntagskrimi zu sehen war. Da torkeln Bukow und König strunzbesoffen über eine Karaokebühne und grölen „Come As You Are“. Nirvana lässt grüßen, und Kurt Cobain hätte sicherlich seinen Spaß am Drive dieser Szene gehabt.

Es ist spätestens dieser Moment, in dem man sich von der Couch erhebt und mithampeln will. Come As You Are. Es ist Fernsehen, das bewegt, denn dieser Hübner ist zwar kein TV-Gott, aber doch so ziemlich die coolste Sau, die das deutsche Fernsehen zu bieten hat. Das geht so weit, dass man danach noch eine Weile über die deprimierende Schlussszene sinniert, ganz gefangen von dem, was da gerade zu sehen war. Oder um es mal mit dem abgewandelten Werbespruch eines Elektrowarenhauses zu sagen: So muss Fernsehen.