Es dauert ja noch zwei Wochen, bis wieder neues „Tatort“-Material das Licht des Flatscreens erblickt. Hier sei schon mal prophylaktisch die Freude auf die Frischware ein bisschen gedämpft, denn am 18. August ermittelt Reto Flückiger, der etwas behäbige Schweizer Kommissar mit den Dackelaugen. Wie der so drauf ist, kann man an diesem Wochenende noch einmal sehr schön sehen in einer Wiederholung vom Januar 2011. Da ist Herr Flückiger nämlich der Trutsche vom Bodensee beim Auflösen einer Mordserie behilflich.

Entschuldigung, das mag ein bisschen despektierlich klingen, wenn man die von Eva Mattes gespielte Kommissarin Klara Blum als Trutsche abqualifiziert, aber die bösen Worte haben einen Grund. Sie ist eine Trutsche. Trutschen merken nicht sehr viel, stehen oft einfach so in der Gegend herum, wollen über alles reden und haben von der Zeit in der sie leben nicht allzu viel mitbekommen. Das hilft natürlich beim Kommissarinnendasein, denn wer den Geist der Zeit wehen spürt, wer ein bisschen Ahnung vom Hier und Jetzt hat, kann nicht „Tatort“-Kommissar werden.

Trutsche muss diesmal mit Herrn Flückiger in einer Schönheitsklinik, wo man sich dolle Brüste implantieren lassen kann, ermitteln. Sie stapft also als Alien vom Dienst in den picobello aufgeräumten Designer-Neubau und fühlt sich vom schnieken Auftreten der dort arbeitenden Menschen augenblicklich persönlich beleidigt. Das ist etwas anderes als ihr beamteten Trutschendasein, das beim Gedanken an eine neue Frisur schon Existenzängste transpiriert. Diese Konfrontation gebiert übrigens den einzig hübschen Dialog des ganzen 90minüters. „Lieber etwas Richtiges im Kopf als was Falsches im BH“, mosert Trutsche, woraufhin eine adrette Beautyfarmmitarbeiterin die passende Quittung verabreicht: „Lasse Sie sich das doch auf ein T-Shirt drucken.“

Die Besitzerin der Klinik ist ermordet worden. In einem Planetarium. Verdächtig sind die drei Mitbetreiber der Beautyfarm, wo man mit der Diagnose Burnout gleich mal in einen albernen Kittel gesteckt wird und prompt auf Mitinsassen stößt, die ihrerseits nichts anderes zu tun haben, als Neid und Missgunst zu streuen. Man spürt gleich, die schöne aufgeräumte Klinikwelt ist gar nicht so schön und aufgeräumt wie sie tut. Es geht um Betrug, um Misstrauen, um das, was aus einer einst innigen Freundschaft unter dem Einfluss des großen Geldes wurde. Großes Geld wird hier übrigens vor allem durch beeindruckende Architektur mit Aussicht und Jaguars mit der Lizenz zum Protzen symbolisiert. 

So etwas findet Trutsche natürlich verwerflich, und die Regie positioniert sie derart dämlich als optischen Gegenpart zur schönen neuen Welt, dass sie dem Zuschauer schnell schon leid tut. Die Trutsche, nicht die neue Welt.

Trutsche hat es aber auch nicht leicht, denn die meiste Zeit muss sie sich durch einen akustischen Brei aus ganz furchtbar zäher Filmmusik kämpfen. Da klimpert das Piano wie ein Tinnitus, ächzen die Geigen wie kaltgewordene Jägersoße, und in jedem Takt ist das ambitionierte Streben nach großer Bedeutung zu spüren. Es wird aber nicht bedeutungsvoll, es nervt nur. So sehr, dass man sich mehrfach wünscht, Trutsche würde mit ihren Stampferln mal kräftig auf den Boden treten und „Schluss jetzt“ rufen. Tut sie aber nicht. Selbst dafür ist sie zu trutschig.

Ein ordentlicher Krimi ist das nicht. Genauso spannend wäre es, würde man Trutsche beim Häkeln zuschauen. Sie resümierte dann am Ende jeder Reihe, was sie bis dahin erkannt und geschafft hat, und dann würde sie noch ankündigen, was sie gleich zu tun gedenkt. Man kann die Spannung in etwa ermessen, wenn man mal versucht, dem Badewasser beim Abfließen zuzusehen.

Das passt dann zum Bodensee, der auch eine wichtige Rolle spielt und es in Sachen Daseinsbedeutung ohne weiteres mit Trutsche aufnehmen kann. So wie sie oft dasteht, liegt er herum, bietet sich als Fundort für Leichen ebenso an wie als Bühne für Verfolgungsjagden ins Nichts.

Man kann sich das ansehen, wenn der Grill kaputt ist, wenn es regnet, wenn der Pfleger nicht rechtzeitig erscheint, um ins ZDF umzuschalten, wo eine schöne Blonde in eine Romanze gerät. In Paris natürlich. Man kann gegen die französische Hauptstadt und gegen ZDF-Romanzen generell etwas haben. Gegen solche Geschichten von Bodensee-Trutschen wirken sie wie Himmelfahrten.