Die FAANGs sind im Formatgeschäft angekommen
Facebook, Apple, Amazon, Netflix und Google - kurz die FAANGs - dieser Welt, mischen längst nicht mehr nur das Seriengeschäft auf. Mit Formaten wie „Grand Tour“ (Amazon), „Ultimate Beastmaster“ und „Queer Eye“ (Netflix) oder „Carpool Karaoke“ (Apple) wurden erste Schritte gemacht. Bei der MIPTV sind die FAANGs nun nicht mehr bloß ein spannendes Zukunftsszenario. Sie sind im Markt angekommen und pumpen Geld in einen Teil der Produktionslandschaft, die dank des Serienbooms durch schwierige Jahre ging.
Im Überangebot: Gameshows mit optischem Gimmick
Jeder internationale Verkaufserfolg zieht Nachahmer an: In diesem Jahr spürt man das im Genre Gameshow. Inspiriert durch „The Wall“ haben bei der MIPTV 2018 zahlreiche Distributoren Gameshows im Katalog, die sich durch ein dominierendes optisches Element abheben. Oftmals ist das Spielprinzip jedoch vergleichsweise altbacken. Die Inszenierung soll den Unterschied machen. So zum Beispiel bei „Hardball“ (Youngest Media für BBC One), wo eine langsam rollende Kugel die Sanduhr bzw. den Countdown für die Quiz-Kandidaten ersetzt.
Alternative Entertainment: US-Studios wollen wieder mitmischen
Reality-TV und Castingshows hatten immer einen Platz in der US-Primetime, doch mit immer mehr Gameshows- und Entertainment-Formaten im US-Fernsehen haben auch die zuletzt auf Serien fokussierten US-Studios wieder neue Lust auf „Alternative Programming“ bekommen, wie die non-fiktionale Unterhaltung im US-TV-Jargon genannt wird. Wir erleben Warner, NBC Universal, Lionsgate, Sony Pictures Television und andere, die so viel ins Format-Development in den USA investieren wie seit mehr als zehn Jahren nicht.
Immer wieder Dating - der Zombie unter den Genres
Nein, der nächste große Dating-Hit ist bei der diesjährigen MIPTV nicht zu entdecken. Es mangelt trotzdem nicht an Versuchen. Viele davon sind jedoch reichlich absurd oder versuchen auf furchtbar banale Art und Weise erfolgreiche Genres zu kreuzen wie z.B. ein sich selbst erklärender Titel wie „Love at first song“. Ein neuer Trend, der dem letzten großen Trend - dem experimentellen Dating, maßgeblich geprägt von Red Arrow Studios - folgen könnte, ist nicht zu beobachten. Trostpflaster für das Genre: Die schon etablierten Formate „First Dates“ (Warner) und eben „Married at First Sight“ (Red Arrow) waren im vergangenen Jahr weiterhin unter den meistverkauften TV-Formaten.
Branded Entertainment - jetzt machen es die Marken gleich selbst
Schon seit Jahren geistert Branded Entertainment als vermeintlicher Wachstumsmarkt über die Fernsehmessen der Welt. Richtig gezündet hat die Rakete allerdings nie. Anfangs war unsicher, was erlaubt war und was nicht. Später dann entdeckten die Produktionsfirmen das Segment und bildeten eigene Units oder Tochterfirmen für die Entwicklung von Branded Content. In Cannes erlebt man jedoch Branded Entertainment 3.0: Jetzt machen es die Marken selbst. Media Agenturen werden selbst zu Produzenten. Einen großen Aufschlag in Cannes hat z.B. The Story Lab, eine Tochter von Dentsu Aegis Network.
Die Welle des Businesstainment ebbt nicht ab
Zu den weltweit meistverkauften Formaten der vergangenen zwölf Monaten gehörte „Dragon’s Den“, die Formatvorlage für „Die Höhle der Löwen“. Dieses anhaltende Interesse von Sendern und Plattformen führt zu weiteren Formaten in diesem Genre. Ein Beispiel dafür: „Buy it now“, was demnächst in Großbritannien bei Channel 4 als tägliches Format startet. Hier haben Verkäufer nur 90 Sekunden um das Studiopublikum davon zu überzeugen, mit ihrem eigenen Geld das vorgestellte Produkt zu erwerben. Schaffen Sie dies, bekommen Sie die Chance mit Handelsvertretern über eine Distribution zu verhandeln.
Retro Entertainment: Bewährte Formate kehren zurück
Es ist ein Trend, der sich nicht nur in Deutschland beobachten lässt: International entdecken große wie kleine Fernsehmärkte den Reiz etablierter Formate, die beim Publikum mit Erinnerungen und positiven Emotionen aufgeladen sind. In Großbritannien kommt „Who wants to be a millionaire?“ Und „The Price is right“ zurück, in den USA ist „American Idol“ wieder da und bei uns kommt „X Factor“ zurück. Zahlreiche Distributoren wittertern Morgenluft - und präsentieren stolz frühere Erfolgsformate an ihren Ständen und in Anzeigen.
Zu viel des Guten: Serien sind zur Massenware geworden
Sie sind einfach überall, die Highend-Serien. Auf den Werbeplakaten, an den Ständen, in Podiumsdiskussionen, in Fach-Screenings der MIPTV und dem neuen Serienfestival Canneseries. Man kann sich freuen über die Flut an Produktionen, es aber auch kritisch beäugen: Die Highendserie wird zur Massenware - und die einzelne Produktion hat es inzwischen so schwer wie non-fiktionale Formate auch. Durchdringen im Konzert der unzähligen Programme ist deutlich schwerer geworden. Und nach Sichtung mancher Serien-Piloten muss man auch festhalten: Viele Serien bedeuten nicht unbedingt viele gute Serien.
Casting, Casting, Casting - und immer wieder Casting
Weltweit holen die Casting- bzw. Musikshows so oft so starke Einschaltquoten wie kein anderes Genre. Diesen ungebremsten Appetit des Publikums wollen auch bei der MIPTV 2018 wieder zahlreiche Produktionsfirmen mit neuen Castingshow-Ideen stillen. Die drei prominentesten Vertreter sind „The Four“ von Armoza Formats (das in den USA bei Fox in eine zweite Staffel gehen wird), „Should i stay or should i go“ (demnächst bei BBC One) und „All together now“ (Endemol Shine für BBC One). Alle drei haben eins gemeinsam: Eine stärkere Gamification und eine permanente Casting-Situation. Statt lange Heldenreisen zu erzählen, geht es um kurzweiliges Entertainment für den Augenblick.
Der größte Quatsch der Messe: Das Trendgenre „Emodventure“
Man muss sie einfach mögen, die absurden Wortschöpfungen im internationalen Formatgeschäft. Zuletzt wurde Emotainment etabliert und umfasst all jene Formate, die mit verschiedenster Mechanik in erster Linie über Charme und Emotion gepunktet haben. Formate wie „This time next year“ oder „Story of my life“ gehörten dazu. Bei dieser MIPTV ist eine neue Format-Kreuzung zu beobachten: Emotainment trifft auf Adventure. Schon ist Emodventure geboren. Besonders großer Quatsch: „The Mountain of Truth“. Ein Kandidat muss mühsam den Berg besteigern, weil ihm oben ein Freund, Verwandter oder Bekannter ein Geheimnis anvertrauen will.
Verschiebungen: Physical Challenge ersetzt Adventure
Im deutschen Markt konnten sich die Adventure-Shows nie durchsetzen. Internationale Erfolgsformate wie „Survivor“ oder „The Amazing Race“ taten sich schwer oder wurden gar nicht importiert. Mit „Ninja Warrior Germany“ hat nun aber der harte, schweißtreibende Wettbewerb um Stärke und Ausdauer in einer anderer Form seinen Weg ins deutsche Fernsehen gefunden - und nicht nur dorthin. Das führt dazu, dass international derzeit weniger neue Adventure-Shows, dafür aber umso mehr Physical-Gameshows entwickelt werden. Wenige davon allerdings mit einer eigenen Handschrift.