Sie deuteten eben an, dass es immer schwieriger wird, einen Partner zu finden, der ein Projekt zu 100 Prozent finanziert. Ist das nur negativ oder auch eine Chance?
Diese Entwicklung hat sich in den letzten Jahren beschleunigt. An deren Ende steht die Suche nach kreativen Finanzierungsformen. Dies führt zum einen zu Koproduktionen, zum anderen bedeutet es vielfältigere Auswertungen in einem immer stärker fragmentierten Markt. Damit sind wir automatisch bei den neuen Plattformen.
Wobei Netflix bei „House of Cards“ den Weg ja alleine gegangen ist.
Richtig, es gibt natürlich Ausnahmen. Bei allen Marktteilnehmern wird der Wunsch geäußert, sich im Fiktionalen zu profilieren. Dies gilt insbesondere für die neuen Marktteilnehmer wie Netflix, Hulu, oder Amazon, als auch hin und wieder für die Sender als traditionelle Marktteilnehmer. Und wer das alleinige Lob will, muss den Weg auch alleine gehen. Das jeden Tag sehr gern zitierte „House of Cards“-Beispiel gehört dazu. Die Finanzierung ist in jedem Fall längst Teil der Produzentenarbeit geworden und wird ein immer größerer. Das hat natürlich automatisch Auswirkungen auch auf die Stoff-Auswahl, weil man auf die Vermarktbarkeit achtet.
Interessanter Punkt. Werden deshalb so viele Film- und Serienstoffe rund um den 2. Weltkrieg produziert, weil sich das international gut vermarkten lässt? Es wirkt manchmal so, weil deutsche Fiction sich meist mit deutscher Geschichte befasst…
Das würde ich nicht sagen. Dass „Unsere Mütter, unsere Väter“ beim deutschen Publikum so gut funktionieren und sich dann international auch noch so erfolgreich verkaufen würde, hat zum Zeitpunkt der Produktion niemand gewusst. Wir auch nicht. Aber wir sind das Risiko eingegangen, weil wir daran geglaubt haben. So war es auch bei anderen deutschen Stoffen, die wir umgesetzt haben.
Aber dann nochmal nachgefragt: Warum beschäftigen sich große deutsche TV-Produktionen so oft mit deutscher Geschichte?
Wenn Sie eine Idee haben und diese einem Partner vorstellen, dann sprechen Sie ja nicht mit dem Endkonsumenten, sondern mit den Zwischenhändlern. In unserem Falle sind die Zwischenhändler die Sender, die zwischen den Kreativen und dem Publikum stehen. Man muss als Produzent dem Sender erklären, was man vorhat. Kommt man mit etwas, wovon der Partner noch nie etwas gehört hat, ist das schwieriger, als wenn man mit etwas kommt, wozu er eine Beziehung hat. Und das ist bei historischen Stoffen gegeben. Nicht nur bei uns in Deutschland werden so viele historische Stoffe umgesetzt. Das trifft auch auf „The Tudors“, „Rome“, „Borgia“ oder aktuell auf „Vikings“ zu.
Aber so wäre nie ein „Breaking Bad“ entstanden. Darauf kann ja niemand gewartet oder es irgendwie hergeleitet haben. Arrangiert man sich damit, dass die deutschen Sender lieber mehr von dem wollen, was es schon mal gab, als völlig Neues umzusetzen?
Lassen Sie mich das anders beantworten: Deutsche Geschichte funktioniert in Deutschland einfach sehr gut. Warum? Weil wir vor zehn, vielleicht 15 Jahren erst angefangen haben, deutsche Geschichte unbefangener von innen heraus zu erzählen. Das galt bei den TV-Events für „Der Tunnel“, der am Anfang dieses Trends stand. „Unsere Mütter, unsere Väter“ folgte diesem Trend und demnächst ist es vielleicht „Hitler“. Aber das gilt auch für Kinofilme wie „Der Untergang“ oder „Das Leben der Anderen“. Es ist unser Vorteil, dass der deutsche Markt groß genug ist, um so wichtige Produktionen finanziell angemessen auszustatten. Wenn diese Geschichten dann gut gemacht sind, dann gibt es eine Basis, die sich inhaltlich, produktionstechnisch und qualitativ den internationalen Standards nähert oder sie sogar erreichen kann. Ich finde es z.B. sehr vorbildlich, dass ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler in Geschichten denkt und für besondere Produktionen, bei denen die Ziele höher gesteckt sind als beim Regelprogramm, auch die nötigen Sendeplätze dafür frei räumen will. Neues braucht nämlich nicht nur Geld, es braucht auch Raum. Kurz vor Mitternacht reicht nicht. Aber da bemerkt man gerade beim ZDF einen Generationswechsel auf vielen Ebenen, der zu einer Öffnung führt. Und dort wo Öffnungen stattfinden, wird auch Raum für Innovationen wie „Breaking Bad“ geschaffen.
Die viel besprochene Erneuerung und Verjüngung der Öffentlich-Rechtlichen…
Ja, wobei diese Erneuerungsdiskussion meiner Ansicht nach falsch geführt wird. Es geht nicht darum, das erfolgreiche alte Programm zu ersetzen. Niemand will ARD oder ZDF komplett erneuern, so dass niemand mehr etwas wiedererkennt. Wir reden von einem Teil des Programms und da gibt es genügend Produktionen, die man ersetzen könnte. In dieser Verjüngungsdebatte wird immer so getan, als gäbe es nur ein Entweder-oder, was falsch ist.
Das Ausbrechen aus einem scheinbar heiligen Programmschema hat das ZDF ja auch schon für Ihre Serie „Borgia“ geschafft - und wurde bei der ersten Staffel mit sehr guten Quoten belohnt.
Da waren Norbert Himmler und Thomas Bellut mit dem ZDF Vorreiter. Das muss man auch an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen. Das ZDF hat sich schon frühzeitig an die geänderten Konsumverhältnisse von anspruchsvoller Serienware angepasst. Ein festes Sendeschema kann Orientierung, darf aber doch kein Hindernis sein. Denken wir doch lieber in tollen Programmen, nicht in Schemen. Die ARD ist da noch nicht so weit, weil einfach viele mitreden. Aber man spürt auch dort Bestrebungen dieser Art, weil es die Notwendigkeit gibt.
Die zweite Staffel von „Borgia“ wurde auch als Event programmiert - und ist gefloppt. Woran zweifelt man dann: Am Publikum, an der Quotenmessung oder am Produkt?
Sie war nicht so erfolgreich wie die erste. Und natürlich sucht man eine Erklärung. Rückwirkend findet man erstaunlicherweise ja meistens eine sehr kluge Erklärung (schmunzelt). An was lag es? Der erste Schuldige ist normalerweise immer der Sender, der falsch programmiert hat, weil das den Produzent so bequem aus der Verantwortung nimmt (lacht). Aber das ist hier nicht der Fall. Das ZDF hat den gleichen Mut in der Programmierung bewiesen wie bei der ersten Staffel. Lag es an der Qualität? Die Frage haben wir uns selbstkritisch gestellt. Ich persönlich finde die zweite Staffel sogar besser als die erste. Die dritte Staffel, mit der wir gerade in der Produktion sind, wird sogar noch besser. An der Qualität kann es nicht gelegen haben. Am Ende unserer Überlegung stand für uns die Erkenntnis, dass man einen Event wie „Borgia“ nicht beliebig wiederholen kann. Die Neugier, die man bei dieser Art von Programmierung vielleicht braucht, war weg. Auch bei der Presse, deren Wirbel die erste Staffel mitgetragen hat. Auf jeden Fall ist man nicht erfreut, wenn einem so etwas passiert. Es ist viel schöner als Quotenkönig am Vormittag danach die Telefongespräche mit den Sendern und Partnern entgegenzunehmen.
Entmutigt so eine Erfahrung?
Wir wissen immer erst, ob es funktioniert, wenn man es auch ausprobiert. Und mir vergeht die Lust am Ausprobieren nicht so schnell. Und immerhin lernt man aus einem Misserfolg zwangsweise mehr als aus einem Erfolg. Da erntet man mehr Schulterklopfen als Erkenntnisse. Ab und zu schadet es nicht, einen auf den Deckel zu kriegen.