Gedrückte Stimmung in der Branche
Erhöhte Sicherheitsvorkehrungen nach dem Hamas-Angriff auf Israel führten den Besucherinnen und Besuchern der MIPCOM in Cannes noch einmal vor Augen, dass die Weltlage angespannt bleibt. Im Spannungsverhältnis zwischen Kriegen und Krisen herrschte dann auch mit Blick auf die Branche eine gedämpfte Stimmung - insbesondere unter den Deutschen, die den Rückgang der TV-Werbeerlöse besonders stark zu spüren bekommen.
Eine gewisse Ratlosigkeit schwang in vielen persönlichen Gesprächen mit, denn während die Zurückhaltung der Werbekunden in zahlreichen Nachbarländern deutlich geringer ausfällt oder sogar gar mehr nicht existent ist, wirft die anhaltende Schwäche des Werbemarktes in Deutschland Fragen auf. Zumal ein Ende der Krise nicht in Sicht ist: Selbst an einen erfolgreichen Jahresendspurt im so wichtigen Weihnachtsgeschäft mag niemand mehr so recht glauben. Gedanklich, so scheint es, ist 2023 bereits abgehakt.
Reality und Rentner sind gefragt
Zu den Werbeproblemen gesellte sich auf der MIPCOM die Gewissheit, dass ein neuer globaler TV-Hit in den kommenden Monaten nicht zu erwarten ist. Stattdessen suchen viele Sender weltweit nach vermeintlich bekannten Formaten und Genres: Zu den am häufigsten adaptierten Formaten zählen derzeit unter anderem das "Quiz Taxi" und "Deal or no Deal" - Letzteres wird demnächst im US-Fernsehen gar als "Deal or no Deal Island" weiterentwickelt. Aber auch Quiz-Formate wie "The Wheel" oder "The 1% Club", hierzulande als "1% Quiz" erfolgreich von Sat.1 adaptiert, wecken weiter das Interesse der Käufer.
Daneben bleibt das Reality-Genre weiter gefragt - und soll offensichtlich vermehrt auch ältere Zielgruppen ansprechen, wie der erfolgreiche Start des Hörgeräte tragenden "Golden Bachelor" in den USA jüngst gezeigt hat. Da ist es vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis das Format nach Deutschland kommen wird. International weiter gefragt ist außerdem "The Traitors", auch wenn nach dem verhaltenen Deutschland-Start der "Verräter" ein wenig Ernüchterung eingetreten ist. Ein weiteres Format der Stunde ist zudem "Destination X", das bei den International Format Awards in Cannes gleich zwei Preise abräumte und bekanntlich in der laufenden Saison auch bei ProSieben an den Start gehen wird.
Neue Hoffnungsträger musste man bei dieser MIP hingegen mit der Lupe suchen. Immerhin: "The Underdog", ein bald startendes Format aus Großbritannien, klingt durchaus vielversprechend. Darin liefern sich Kandidaten einen Wettkampf - ohne zu wissen, dass mehrere Promis nebenan ihr eigenes Spiel spielen, indem sie alles dafür tun, einem vermeintlichen "Underdog" zum Sieg zu verhelfen.
KI ist noch kein TV-Heilsbringer
Künstliche Intelligenz ist derzeit bekanntlich in aller Munde. Klar, dass auch Fernsehmacher darüber nachdenken, sich diesen Trend zu eigen zu machen. Weltweit wurden inzwischen zahlreiche Formate entwickelt, von denen bislang aber keines wirklich zu überzeugen wusste, wie auch die "Fresh TV"-Präsentation bei der MIPCOM noch einmal deutlich machte, die auch die arg bemühte deutsche Sky-Show "Me & Myself" nicht aussparte. Mag sein, dass KI die Zukunft ist: Fürs Fernsehen müssen auf absehbare Zeit wohl erstmal andere Themen her.