Herr Kogel, als jemand der viele Phasen der Branche miterlebt hat: Wie viel Spaß macht das Geschäft gerade?

Ich bin top motiviert, da ich Leonine sehr gut im Markt positioniert sehe. Sie sehen mich also weit entfernt von einer marktbedingten Depression. Das fordert mich eher heraus. Selbst in einer aktuell sehr schwierigeren makro-ökonomischen Situation haben wir heute ein höheres Produktionsvolumen als noch vor wenigen Jahren und das, obwohl wir für Fiction-Beauftragungen kein Sky mehr haben. Wir haben aber Netflix, Amazon, Paramount+, Disney+ und auch AppleTV+, das hoffentlich auch bald in Deutschland mehr beauftragen wird. Wir haben natürlich auch Joyn, RTL+ und unsere große Free TV-Senderlandschaft. Klar, die Anforderungen haben sich kolossal verändert, aber das Auftragsvolumen ist ganz sicher nicht geschrumpft. Da dürfen wir nicht den Fehler machen, uns im aktuell schweren deutschen Marktumfeld von eng gefassten Vergleichen mit dem Streamer-Boom während der Corona-Zeit eine langdauernde Krise einzureden.

An einigen Ecken und Enden ist die Branche aber durchaus belegbar unter Druck…

Richtig, der Markt ist gerade sogar sehr stark unter Druck, aber auch extrem spannend. So wie ich ihn allenfalls Mitte der 90er Jahre zuletzt erlebt habe als ich bei Sat.1 war. Damals erschien in einem unglaublich intensiven Verteilungskampf innerhalb des Free TV-Marktes alles möglich. Höher, schneller, weiter war das Motto. Experimente, Euphorie und Begeisterung machten den Unterschied. Das ist heute sicherlich anders. Heute liegt die Antwort darauf, was die Spreu vom Weizen trennt, in der Professionalität die gestiegenen Anforderungen schnell inhaltlich und produktionell bedienen zu können, dem Know-how, der Kreativität, den Ideen und dem Erledigen der eigenen Hausaufgaben. Es braucht an vielen Stellen starken Fokus. Aber dieser offene Ausgang, die Frage wer am Ende in einem turbulenten Markt die Nase vorn haben oder vielleicht sogar nicht überleben wird, ist heute genauso spannend wie damals.

Und Sie sehen Leonine als Gewinner in diesem Markt?

Klares Ja! Wir verstehen uns als Herausforderer und als Home of Talents. Das zahlt sich aus. Das Geschäft ist durch die Streamer nochmal umfassender geworden, der Wettbewerb damit auch komplexer. Das bringt Chancen und Unwägbarkeiten mit sich, aber wir sind bei Leonine mit unseren drei Säulen aus Produktion, Distribution und Lizenzierung nicht nur in der Lage, auf unterschiedliche Temperaturen im Markt zu reagieren. Wir haben auch den Anspruch, Märkte mitzugestalten.

Früher ging der Blick im Zweifel in die USA, um dortige Geschäftsmodelle oder Ideen zu übernehmen. Jetzt ist Hollywood aber in den letzten Jahren angesichts mancher Strategiewechsel auch ratloser. Ist das eine Chance für europäische Player?

Also zunächst einmal: Alle deutschen Produzenten sind durch die Streamer in der Lage versetzt worden, auch aus Deutschland heraus in größerem Umfang für den internationalen Markt produzieren zu können und damit dank des herausragenden kreativen Talents in unserem Land auch wahrgenommen zu werden. Wer wurde denn früher in den USA überhaupt wahrgenommen? Alle fünf Jahre mit einem neuen internationalen Kinofilm Bernd Eichinger. Heute wird der deutsche Produktionssektor in einer Breite wahrgenommen, wie es bisher nicht der Fall war. Aber wir müssen uns auch nichts vormachen: Wenn die US-amerikanische Entertainment-Industrie läuft, hat sie alle Ingredienzen vor Ort und braucht aus ihrer Sicht niemanden, weil sie viele der Besten in Hollywood haben, dazu einen riesigen Heimatmarkt zur Verwertung und eine international vermarktbare Sprache. Dass trotzdem eine so hohe Anzahl europäischer Projekte inzwischen global erfolgreich sind, liegt auch daran, dass unsere Talents und unser kulturelles europäisches Erbe mit seinen Geschichten als kreative Quelle und als wettbewerbsfähig angesehen werden. Da sind wir, anders als vor 25 Jahren, auf Augenhöhe. Ich bin sicher, dass wir als Leonine selbst in unserer kurzen Geschichte deutlich dazu beigetragen haben.

 

"Wir werden die deutsche Produktion intensivieren, um Lücken besser schließen zu können."

 

„Wenn die amerikanische Industrie läuft“: Derzeit tut sie das nicht, die Schauspielerinnen und Schauspieler streiken weiterhin. Welche Auswirkungen hat das für Leonine?

Ich beantworte das mal an konkreten Beispielen. Zunächst sind wir wirklich froh, dass der Autorenstreik final beendet wurde. Wir haben ein Projekt mit einem US-amerikanischen Headautor, das wir jetzt fortsetzen und nächstes Jahr zur Produktion bringen können. Das ist eine sehr gute Nachricht für uns. Nun zum Schauspieler-Streik: Am 16. November bringen wir „Die Tribute von Panem: The Ballad of Songbirds and Snakes“ in die Kinos und wissen zum heutigen Zeitpunkt noch nicht, ob wir die Haupt-Darstellerinnen und Darsteller zu unserer Deutschland-, möglicherweise aber sogar Welt-Premiere einladen können. Mit den Diskussionen schlägt sich unser Distributions-Team gerade die Nächte um die Ohren. Und der ein oder andere für 2025 geplante Film verschiebt sich voraussichtlich nach 2026. Das heißt für uns, dass wir die deutsche Produktion intensivieren, um Lücken besser schließen zu können. Und wir haben mit "Girl You Know It's True“ ja auch einen großen Film über Milli Vanilli produziert, mit dem wir jetzt in den internationalen Markt gehen. 

Kurz nach der Gründung von Leonine brachte die Pandemie die Frage mit sich, ob das Kino noch zu retten sei. In diesem Jahr hingegen scheint andersherum eher das Kino der Retter einiger Bilanzen zu sein…

Retter ist übertrieben. Nicht nur das Kino, auch die Auswertung unserer Filme über die gesamte Wertschöpfungskette - denn natürlich spielt hier das Home Entertainment auch eine große Rolle - unterstützt. Wir können damit in diesen Zeiten unser Geschäftsmodell als integrierter Medienkonzern ausbalancieren, wenn es an anderer Stelle Rückgänge zu verzeichnen gibt. Das war immer der Plan. Was mich am Kino fasziniert, ist die Tatsache, dass wir hier den direktesten Kontakt zum Publikum haben. Natürlich sind da auch noch unsere Partner die Kinobetreiber, mit denen wir hervorragend zusammenarbeiten. Aber wir haben eben einen sehr großen und direkten Bezug zur Zielgruppe und den Fans. Da sehen wir Marktdynamiken sehr unmittelbar und profitieren gerade. Das Kino war nie weg, ist wieder erstarkt, auch wenn wir noch immer tendenziell etwas unter dem Vor-Pandemie-Niveau liegen. Und nicht zuletzt wirkt sich da auch unsere Kultur aus. Wir sind nicht nur Home of Talents, wir sind auch Film-Aficionados.

Was heißt konkret "etwas unter Vor-Pandemie-Niveau"?

Die Branche liegt bei den Besuchern 10 bis 15 Prozent unter dem Niveau von 2019, aber es nähert sich an und kann vielleicht sogar bis Jahresende noch aufschließen. Bei den Umsätzen sind wir durch gestiegene Ticketpreise auf dem Niveau 2019. Was sich aber dramatisch verändert hat, ist die Frage, wie die Ergebnisse zustande kommen, denn da fokussiert es sich immer mehr auf die ganz großen IPs und Brands, die Tentpole-Produktionen. 

Und das obwohl seit einiger Zeit immer mehr Luxus-Kinosäle entstehen, die sich vermeintlich an andere Zielgruppen richten…

Jein, ich glaube dafür wurden ehrlich gesagt dann noch zu wenige von diesen schönen Luxus-Kinos gebaut, als dass es einen erkennbaren Unterschied machen würde. Das kann dem Trend zu den ganz großen Film-Marken, die einen enormen Zulauf registrieren, nicht viel entgegensetzen. Für ein Must-See-Movie geht man ins Kino, ein Nice-to-see-Movie schauen noch die jungen Zielgruppen, anderes fällt heute leider oft hintenüber. Deswegen haben es Filme ohne konkrete Zielgruppenansprache immer schwerer. Umso größer ist der Erfolg, wenn wir uns mit unseren eigenen Geschichten, wie z.B. aktuell mit „Wochenendrebellen“ sehr erfolgreich durchsetzen können.

 

"Das nächste Ziel für alle Produzenten muss der Rechterückfall auch bei TV- und Streamer-Produktionen sein."

 

Sie sprachen eben davon, im Kino direkten Bezug zur Zielgruppe zu haben und unmittelbar von Marktdynamiken zu profitieren: Gleicht Kino dann die Ungewissheit aus, die der Markt im Auftragsgeschäft für Sender und Streamer spürt?

Für Produktionsgruppen wie uns und vielleicht ein, zwei andere, ist das sicher wahr. Wenn wir den richtigen Stoff finden, haben wir es selbst in der Hand, weil wir einen Kinofilm mit entsprechender Förderung heute selbst greenlighten können, ohne auf die Strategie oder Stimmung von Auftraggebern warten zu müssen. Wir können bei Eigen- oder Koproduktionen selbst Budgets definieren, alle Aspekte des Vertriebs inkl. der Budgets abdecken und kontrollieren und das Produkt dann vollständig auswerten - und behalten alle Rechte. Damit sind wir im Kino unabhängiger von Marktentwicklungen. Das war immer unser Ziel, das haben wir erreicht. Und sind uns dabei als Unternehmen mit Kreativität und Spirit treu geblieben. Das nächste Ziel für alle Produzenten muss der Rechterückfall auch bei TV- und Streamer-Produktionen sein.

Dazu kommen wir nochmal. Spielt das Kino für Sie heute letztlich sogar eine größere Rolle als bei der Gründung von Leonine?

Ja und nein. Für mich persönlich hat das Kino immer eine sehr große Rolle gespielt, deswegen haben wir uns ja bei der Gründung bewusst auch für die Kino-Achse entschieden. Aber sie ist eines von mehreren Standbeinen. Wir sind bewusst breit aufgestellt. Hätte ich vor fünf Jahren zu KKR gesagt, wir machen z.B. nur Kino und TV-Fiction, dann wäre das im deutschen Markt eine falsche strategische Entscheidung gewesen, weil wir weite Teile des Marktes nicht bedienen könnten, denn der Bedarf z.B. bei den großen privaten Sendergruppen nach fiktionalen Produktionen ist überschaubar. 

Im kommenden Jahr wird Leonine fünf Jahre alt. Sie wollten zum One-Stop-Shop für Qualitäts-Content werden. Ist das Ziel erreicht?

Wir sind auf dem richtigen Weg, aber es gibt an uns hohe Erwartungen und einen hohen Anspruch von uns selbst. Wir haben geliefert, aber wir müssen selbstverständlich weiter liefern und dafür mit hoher Konzentration auf den Zehenspitzen stehen. Wir haben mit den drei Bereichen Produktion, Distribution und Lizenzierung wesentliche Meilensteine erreicht.

Das ist sehr blumig. Wie konkretisiert sich das?

Wir haben über drei Jahre hintereinander den erfolgreichsten deutschen Kinofilm gestellt und schaffen das 2023 mit „Die drei ??? – Erbe des Drachen“, unserer Wiedemann & Berg Produktion, vielleicht zum vierten Mal. Im Bereich Highend-Streaming haben wir tolle Projekte gelauncht, darunter u.a. „Der Greif“ bei Prime Video. Und im linearen Fernsehgeschäft produzieren wir in der Fiction neben starken Reihen wie „Harter Brocken“ auch u.a. die erfolgreichen ZDF-Krimiserien „Ein Fall für zwei“ oder „Der Staatsanwalt“. Bei I&U TV sind wir z.B. mit „stern TV“ und „Klein gegen Groß“ gut positioniert und für „Sterben für Anfänger“ gerade mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet worden. Im Bereich Highend-Dokumentation sind wir mit Gebrüder Beetz und bei jungen innovativen Mediatheken-Produktionen mit Hyberbole hervorragend im Rennen. Mit SEO Entertainment haben wir eine Vielzahl von Genres im Blick, „Feuer und Flamme“ ist seit vielen Jahren einen Hit und gerade erst haben wir mit „That’s My Jam“ den Deutschen Fernsehpreis für die beste Show gewonnen. Auch unsere erfolgreiche YouTube Vermarktungsagentur „Home Of Talents“ und unsere starke Präsenz bei YouTube- und Social Media-Produktionen sollte nicht unerwähnt bleiben.

Wo gibt es noch Nachholbedarf?

Wir haben zwei Bereiche identifiziert, in denen wir noch nachlegen werden und uns stärker positionieren wollen. Das wäre Reality TV, da starten wir sehr gut durch mit unserem Unternehmen Madame Zheng und den Kolleginnen und Kollegen in München und Wien. Gerade konnten wir mit dem Start der 2. Staffel von „Forsthaus Rampensau“ bei ATV einen großen Erfolg verbuchen. Aber wir wollen im Reality Genre nochmal deutlich zulegen, weil dies eine Programmfarbe ist, die bei Sendern und Streamern in den nächsten Jahren zunehmend bestimmend sein wird. Und das zweite Thema sind die eher kommerziell ausgerichtete Dokumentation und die Reality-Doku-Serie als Ergänzung zu den Premium-Projekten der gebrueder beetz. Außerdem treiben wir auch noch den Ausbau in der Animation stark voran.

 

"Wenn man shoppen geht, müssen ja mehrere Sachen stimmen"

 

Sind das Herausforderungen die sie organisch lösen wollen oder über Zukäufe? Im vergangenen Jahr haben Sie die Gebrüder Beetz und Hyperbole übernommen, in diesem Jahr war Leonine bislang noch nicht shoppen…

Wenn man shoppen geht, müssen ja mehrere Sachen stimmen: Die Kleidung muss zunächst mal gefallen, passen und von guter Qualität sein - und dann muss der Preis stimmen. Ganz konkrete Antwort auf Ihre Frage: Wir schauen uns aktuell viel an, weil auch viel an Leonine herangetragen wird. Aber die Notwendigkeit zum Zukauf gibt es für uns momentan nicht. Und wir legen viel Wert darauf, dass es zu uns passt, dass wir auch und vor allem einen ähnlichen Geist atmen und die gleiche Vision haben. Wir haben ein gutes Portfolio, hatten starkes organisches Wachstum und können durch die richtige Positionierung und das richtige Talent auch weiter gut organisch wachsen. Nach Talents schauen wir natürlich immer, unsere Verpflichtung von Jochen Köstler ist ein Beispiel. Daher sind manche möglichen Targets gerade nicht interessant, weil wir es entweder selber machen können, der aufgerufene Preis den Markt noch nicht reflektiert, die Kultur nicht zu uns passt oder die Zahlen nicht stimmen. 

Braucht es eigentlich wirklich sage und schreibe fünf Geschäftsführer um die Hausaufgaben bei I&U TV zu erledigen?

Das würde ich sicherlich nicht mit DWDL diskutieren (lacht), sondern mit der Geschäftsführung der I&U TV. Wir haben bei I&U ein tolles Team und wenn wir etwas verändern sollten, werden wir es Ihnen mitteilen.

Und noch eine Nachfrage zum non-fiktionalen Produktionsgeschäft: Vor anderthalb Jahren wurde Odeon Entertainment mit dem Schwerpunkt auf Gleichstellung und Diversität als Madame Zheng neu positioniert. Getan hat sich seitdem abseits bestehender Produktionen… nichts.

Nichts ist nicht richtig. Ich kann verstehen, dass es auf den ersten Blick so wirkt, aber seien Sie versichert, dass wir an Projekten arbeiten und wir in Kürze auch schon mehr zur ersten Produktion von Madame Zheng für einen Streamer berichten können, die das angesprochene Versprechen einlöst. Aber natürlich ist eine Strategie auch immer eine Frage der Möglichkeiten des Marktes. Wir sind deshalb umso glücklicher mit Madame Zheng in Österreich, die für ATV und Puls 4 produziert und freuen uns, „Forsthaus Rampensau“ jetzt auch für Joyn in Deutschland zu produzieren. Da nutzen wir in der Marktsituation natürlich die Opportunitäten, die sich bieten und schauen im zweiten Schritt wie wir die Profilierung der Marke Madame Zheng auch hier berücksichtigen können. Denn Reality kann man so oder so machen und angesichts mancher Eskalationen in dem Genre fühle ich mich sehr viel wohler, dies an der Spitze von zwei erfahrenen Produzentinnen – Tina Wagner und Nina Etspüler - realisiert zu sehen, die einen guten Blick dafür haben was geht und was nicht geht.

Stichwort Marktsituation, bleiben wir doch dabei. Woher kommt Ihrer Meinung nach künftig das Geld für Content: Das Werbegeschäft schwächelt, gleichzeitig wollen aber inzwischen fast alle Streamer auch noch mitmischen, weil die Budgets des Publikums für kostenpflichtige Streamingangebote auch limitiert sind…

Und dann haben wir ja auch noch das beitragsfinanzierte öffentlich-rechtliche Fernsehen. Also drei mögliche Quellen. Aber zu Ihrer Frage: Wenn wir uns den Werbemarkt anschauen, dann hatte der 2021 ein Volumen von deutlich über 20 Milliarden Euro, damit war Deutschland Nummer 2 in Europa hinter Großbritannien. Jetzt gibt es durch makro-ökonomische Entwicklungen und v.a. die aktuell hohe Inflation eine Werbemarkt-Schwäche. Die Erfahrung zeigt, dass das eine Form von Wellenbewegung ist, auch wenn sie sich länger zieht als erhofft. Wenn wir über die Streamer sprechen, dann bin ich mir sehr sicher, dass wir in den kommenden Jahren eine Konsolidierung erleben werden. Für uns im aktuellen Geschäft die viel relevantere Frage ist aber: Wird Local-to-Global oder Local-to-Local von unseren Streamer-Partnern beauftragt? Das erfordert unterschiedliche Stoffe, Formatentwicklungen und insbesondere hat dies Auswirkungen auf die Gesamtbudgets. Der aktuelle Trend ist Local-to-Local. 

 

"Ich weiß nicht, ob Netflix heute nochmal 'Dark' beauftragen würde."

 

„37 Sekunden“ war neulich eine hervorragende Serie von Odeon Fiction. Ich habe mich bei der Gelegenheit gefragt, wann Wiedemann & Berg nachlegt. Ohne die Zahlen zu kennen, wirkt es so als hätte „Der Greif“ zuletzt nicht so gezündet - und „Der Pass“ ist beendet...

Wiedemann & Berg hat in der Mischung zwischen Kino-Produktionen und Highend-Serien einen einzigartigen Track-Record. Erst kürzlich ist mit „Einspruch, Schatz!“ eine neue Reihe sehr erfolgreich im Ersten gestartet. Freuen Sie sich auf „Eine Billion Dollar“ im November bei Paramount+, „Wochenendrebellen“ ist ein herausragender Kinofilm und hat aktuell die Chance die Besuchermillion zu knacken und „Girl You Know It’s True“ kommt im Dezember in die Kinos. Was kann man sich mehr wünschen? Und beim Blick auf unsere Entwicklungen weiß ich natürlich schon ein bisschen mehr darüber, was nächstes Jahr kommt und da hat Wiedemann & Berg einige extrem spannende Projekte in der Pipeline. Wichtig dabei ist, dass sich die Profile der Streamer verändert haben.

Was heißt das?

Ich weiß nicht, ob Netflix heute nochmal „Dark“ beauftragen würde. Diese kompromisslos spitzen Produktionen sind derzeit nicht so sehr im Fokus wie zum Markteintritt von Netflix, wo Ausrufezeichen gefragt waren. Ich bemerke als Trend, dass die gewünschten Programme breiter, man könnte sagen „fernsehmäßiger“ werden. Da werden Crime, Romance, Comedy und historische Stoffe nachgefragt. Denn Wachstum erzielen die Streamer nach den stürmischen Anfangsjahren inzwischen nur in der Breite und bei einem tendenziell älteren Publikum. Aber da man auch die existierenden Kunden halten will, wird es klugerweise auch Ausnahmen von der entstehenden Regel geben.

In letzter Zeit gewinnt man den Eindruck, dass Dokumentationen oder Doku-Serien die neuen Blockbuster sind…

Der Run auf Doku-Projekte ist tatsächlich bemerkenswert. Ich persönlich freue mich natürlich darüber und bin ich wirklich stolz, dass wir die gebrueder beetz bei uns im Team haben. Und wir freuen uns natürlich auch sehr über die Nominierungen für den Deutschen Fernsehpreis von „Juan Carlos – Liebe, Geld, Verrat“ und die Auszeichnung für „Reeperbahn Spezialeinheit FD 65“. Ich kann mir deshalb auch vorstellen, das Genre noch stärker zu bespielen mit kommerziellen Doku-Produktionen, die wir dann unter einem anderen Label produzieren. Gebrüder Beetz ist das Zuhause für ausgesuchte Highend-Dokumentationen. Christian, Reinhardt und Georg haben sehr gute Projekte in Vorbereitung und sind jetzt mit dem irischen Beitrag „In the Shadow of Beirut“ als Koproduzenten auch im Rennen um den Oscar als Bester Internationaler Film.

Jetzt haben wir ausführlich über das Produktionsgeschäft gesprochen: Leonine hat nach dem Verkauf von Tele 5 noch eine Minderheitsbeteiligung an RTLzwei. Hat die noch strategische Relevanz?

Mir macht die Beteiligung bei RTLzwei Spaß. Sie passt gut in die Positionierung von Leonine. Wir haben unter den Gesellschaftern ein hervorragendes Verhältnis, da ziehen alle an einem Strang und das ist gerade in schwierigen Zeiten wie wir es gerade in der Werbevermarktung erleben, wichtig. 

Es liegt jetzt am Kartellamt wie man den Werbemarkt 2023 definiert und ob - wie von den Gesellschaftern gewünscht - die AdAlliance die Vermarktung übernehmen kann. Was mich zum Abschluss noch zu medienpolitischen Rahmenbedingungen bringt. Stimmen die in Deutschland aus Sicht von Leonine?

Nochmal zu RTLzwei: Da gab es eine Empfehlung der Geschäftsführung, die unterstützen wir und jetzt liegt es beim Bundeskartellamt. Damit liegt die Entscheidung nicht in unseren Händen. Ich kann nur dafür plädieren, dass man zur Kenntnis nimmt, wie kolossal sich der der Werbe- und Medienmarkt in den letzten Jahren verändert hat. Wenn wir darüber hinaus über die medienpolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland sprechen wollen, sind wir bei meinem Lieblingsthema der Förderungen und Förderlandschaft: Da könnten wir jetzt nochmal eine Stunde sprechen, insbesondere über Investitionsverpflichtungen mit Rechte-Rückbehalt. 

Eine Stunde haben wir nicht mehr, aber ich will Sie auch nicht bremsen…

Wir unterstützen natürlich die von Claudia Roth gemachten Vorschläge zur Einführung einer Investitionsverpflichtung, die ja sowohl für Streamer wie auch die non-linearen Angebote der TV-Sender gelten soll. Ich bin einer der engagiertesten Fürsprecher, dass dies mit einem Rechterückbehalt für die Produzentinnen und Produzenten verknüpft wird. Das eröffnet dem Produktionssektor und damit der Kreativszene eine neue Möglichkeit der Refinanzierung und Investitionen in die Zukunft. Denn ohne das haben die deutschen Produktionsunternehmen bereits jetzt einen massiven Nachteil im europäischen Wettbewerb. Das Vorbild wäre Frankreich, aber auch Italien, Spanien, Portugal und ab 1. Januar nächsten Jahres auch die Schweiz. Da kann man sich sehr gute Regelungen im Hinblick auf einen Rechterückbehalt oder auch Subquoten abschauen, um Chancengleichheit zu gewährleisten. Das wäre, um jetzt nicht noch weiter einzusteigen, schon mal ein Teil des Bündels an Maßnahmen, um zeitgemäß Produktionen in Deutschland zu unterstützen und Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Markt herzustellen.

Herr Kogel, herzlichen Dank für das Gespräch.