Herr Richter, seit genau 100 Tagen sind Sie CEO von FremantleMedia International. Wie fällt ihre persönliche Bilanz aus? Fiel der Wechsel von Red Arrow leichter oder schwerer aus als gedacht?
Gut fällt sie aus, die Bilanz. Sehr viel Spaß macht es. Ob es jetzt leichter oder schwerer war als gedacht, kann ich nicht beantworten. Da habe ich mir keine großen Vorstellungen gemacht, weil ich mir im Vorfeld kein Bild von außen bilden wollte und deswegen mit viel Neugier gestartet bin. Die Firma hat eine irrsinnig gute Energie und fühlt sich trotz vieler neuer Köpfe, die in den vergangenen anderthalb Jahren gekommen sind, immer noch nach Fremantle an.
Wie fühlt sich Fremantle denn an?
Die Unternehmenskultur legt großen Wert darauf, dass die Leute gerne hier arbeiten. Die meisten arbeiten seit sechs bis zehn Jahren hier - wenn nicht noch länger. Auch bei den einzelnen Formaten haben wir Kolleginnen und Kollegen, die diese schon sehr lange verantworten. Das ist eine enorme Expertise. Wenn man so viel Know-How im Haus halten kann, dann hat das maßgeblichen Einfluss auf die Produktionsqualität. Wir produzieren in 28 Ländern. Da ich glaube, dass FreeTV in Zukunft erheblich lokaler wird, hilft es uns sehr, dieses lokale Produktions-Knowhow entwickelt zu haben. Also lange Rede, kurzer Sinn: FremantleMedia fühlt sich sehr gut an und ich glaube, wir haben in den ersten Monaten, in denen ich hier bin, schon viel in Angriff genommen.
Beispielsweise den sehr schlagzeilenträchtigen Verkauf von "Deutschland 83" an den US-amerikanischen Sundance Channel...
FremantleMedia International hatte noch nie deutsches Drama im Vertrieb. "Deutschland 83" ist die erste Produktion, die wir ins Distributions-Portfolio reingenommen haben. Wir waren auch Co-Investor Der Deal wurde schon vor meinem Antritt hier vorbereitet, aber es gab sicherlich den Gedanken im Hintergrund, dass die Botschaft eine sehr schöne wäre, wenn der neue Mann aus Deutschland auch gleich ein starkes Programm aus Deutschland mitbringen kann. Das Schöne an "Deutschland 83" ist, dass die Serie alle Erwartungen übertrifft, die wir nach dem Lesen der Scripts hatten. Die UFA hat hier wirklich absolut alles richtig gemacht.
Was macht „Deutschland 83“ so geeignet für den internationalen Markt?
Die Serie hat einen sehr eigenen Look. Sie zeigt die 80er Jahre für das Auge von heute. Das Besondere an der Serie ist, dass wir die Ereignisse des Jahres 1983 aus der Perspektive dieses naiven Jungen erleben, der auf eine sehr besondere Reise geht. Die Mischung aus Leichtigkeit und spannender Spionage a la James Bond ist eine der Komponenten der Serie. Dieser Wechsel macht "Deutschland 83" kommerziell. Ich habe Stimmen aus Deutschland gehört, die sich eine ernstere Beschäftigung mit dem Thema erwartet haben - aber da muss ich sagen: An diesem Ansatz der Vergangenheitsaufarbeitung haben wir keinen Mangel im deutschen Fernsehen. Und für den internationalen Markt hat „Deutschland 83“ in dieser Form den nicht ganz unwichtigen Nebeneffekt: Diese Serie ist als große Unterhaltung platzierbar. Das war für uns ein entscheidender Faktor, weil es als solche direkt bei einem US-Sender platziert werden kann, während wir bislang nicht-englischsprachige Serien vornehmlich bei Netflix, Hulu oder Amazon platziert haben.
Welche Auswirkungen haben denn Plattformen wie Netflix, Hulu und Amazon für Ihr Geschäft?
Plattformen wie Netflix aber auch Hulu helfen uns, fremdsprachige Programme in englischsprachigen Märkten zu platzieren, weil sie viel breiter aufgestellt sind. Netflix, Hulu und Amazon haben im Vergleich zu linearen Sendern mehr Flexibilität, unterschiedliche Arten von Programm auszuprobieren. Wir kriegen von Netflix und Co. zwar keine genauen Zuschauerzahlen aber trotzdem Feedback. Und das klingt sehr zufrieden. Mit "Generation War“, also „Unsere Mütter, unsere Väter“, war Netflix in den USA sehr glücklich.
Wie haben Sie den Sundance Channel für „Deutschland 83“ erwärmen können?
Sarah Doole, Global Director of Drama bei FremantleMedia International, hatte immer schon die Ambition eine europäische Serie mal im Original mit Untertitel bei einem US-Sender zu platzieren und als dann "Deutschland 83" kam, wusste sie, dass wenn es jemals eine europäische Serie zu einem US-Sender schaffen könnte, dann diese. Mit der Action, Leidenschaft und dem historischen Hintergrund dieser Serie dachte Sie sofort an Sundance TV als perfekten Partner für "Deutschland 83". Und wir haben mit Anna Winger eine amerikanische Drehbuchautorin, was in den Gespräch mit dem Sundance Channel natürlich Gold wert war, weil sie die Vision hinter dieser deutschen Geschichte aus der amerikanischen Perspektive sehr leidenschaftlich verkaufen konnte. Sundance war der Anfang, dann folgte Skandinavien - ein guter Testmarkt für deutsches Drama - und wir sehen weiter großes Interesse. Unsere Berlinale-Premiere hat sehr geholfen. Das haben wir die Berlinale auch schon wissen lassen. Die Öffnung des Festivals für TV-Produktionen war eine großartige Idee.
Neben der deutschen Perspektive ist "Deutschland 83" auch ein weiteres Symbol für eine veränderte Strategie von Fremantle bzw. FremantleMedia International. Das Unternehmen hat sehr lange hauptsächlich auf non-fiktionale TV-Formate gesetzt.
Fremantle war vor 10-15 Jahren im Drama-Bereich sehr stark. Es ist sicherlich wahr, dass dann mit dem Erfolg der Talentshows mehr Aufmerksamkeit auf dem Format-Geschäft lag. Seit etwa zwei Jahren gibt es jetzt eine Erweiterung der Strategie. Wir reden hier nicht von einem Schiff, dass den Kurs wechselt. Wir reden vom Ausbau der Flotte, um verschiedene Richtungen zu bedienen. Wir arbeiten hart daran, unsere großen Entertainment-Marken zu pflegen und sie auch weiterhin zu stärken.
"Asia Got Talent" ist beispielsweise ja sehr stark gestartet vor einigen Wochen.
Und es war nicht nur der großartige Start von "Asia Got Talent" bei AXN. Es liefen an diesem Abend im asiatischen Raum bei FOX und RTL CBS auch noch "American Idol" und "X Factor UK". Drei große Shows aus unserem Hause - auf drei verschiedenen PayTV-Plattformen am gleichen Abend. Die großen Unterhaltungsshows sind nach wie vor das Rückgrat, wozu ich auch Klassiker wie "Family Feud", „Farmer Wants a Wife“ und „The Price is Right“ zähle. Die Entwicklungs-Pipeline neuer Ideen ist ebenfalls voll. Bei den Broadcast Awards hier in London hat Fremantle Media International einen Preis für den besten Distributionsjob bekommen - anlässlich des internationalen Verkaufs von "X Factor UK". Wir sind in nur sechs Monaten in die Distribution gegangen und sind aus dem Stand in über 180 Territorien gekommen.