Stellen Sie sich vor, im Programm des Ersten oder des ZDF würde im Jahr 2024 eine Astrologie-Show auftauchen, in der die Beteiligten allen Ernstes davon reden, welche speziellen Eigenschaften Personen haben, die vom Sternzeichen her Waage sind. Oder was diese Personen vom Saturn für Nachrichten erwarten können. Was wäre dann in Medien-Deutschland wohl los? Es würde ein gigantischer Shitstorm hereinbrechen über die Verantwortlichen dieses Unsinns. Nach einer Folge wäre das Format weg - und die, die es beauftragt haben hoffentlich auch.
In Österreich ist das alles ein bisschen anders.
Dort ist kürzlich unter dem Titel "Blick in die Sterne – Die Astro Show" (Produktionsfirma: good news productions) tatsächlich eine Astrologie-Show gestartet, bei der man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen kann. Moderatorin Sasa Schwarzjirg begrüßt die Zuschauerinnen und Zuschauer - und das ist kein Witz - zum Auftakt der ersten Ausgabe direkt mit einem falschen Zitat von Albert Einstein. Danach säuselt sie sich völlig unkritisch mit einer Astrologin und zwei Gästen durch eine knappe halbe Stunde - inklusive Vollmondritualen, Planetenkonstellationen und Kalendersprüchen.
So albern wie die Astrologie insgesamt, ist auch die Vorstellung von Lori Haberkorn in der Runde. Die Astrologin wird von Schwarzjirg mit den Worten eingeführt, sie vereine "das alte Wissen über Astrologie mit Neurowissenschaft, Business Tools und Success Techniken im modernen Geist". Zum Glück sind in der Runde auch noch Opernsänger Daniel Serafin und Kabarettistin Caroline Athanasiadis, durch die das Format zumindest zeitweise eine Meta-Ebene erhält.
Serafin und Athanasiadis sind es, die merklich an der Astrologie im Allgemeinen und Lori Haberkorn im Speziellen zweifeln. Das lassen sie immer wieder mal mehr und mal weniger subtil durchblicken, was besonders dann lustig ist, wenn die Astrologin sich auch davon überhaupt nicht aus der Ruhe bringen lässt und davon schwafelt, dass das Horoskop die "Grundenergie" sei, aus der die Menschen schöpfen könnten. Als die Astrologin der Kabarettistin eröffnet, dass Saturn sage, sie solle sich 2025 nicht zurücklehnen und sei auf sich selbst gestellt ("Selbst ist die Frau!"), wenn sie was erreichen wolle, antwortet die trocken: "Das ist ja mein Leben".
Lori Haberkorn hat dann auch noch alle Horoskope auswendig gelernt oder liest sie von einem Teleprompter ab. Ganz klar ist das nicht, denn sie macht das so stocksteif, dass sie an ihrer TV-Präsenz noch mit Hilfe von oben arbeiten muss. Gleiches gilt für Sasa Schwarzjirg, die die Zuschauerinnen und Zuschauer so sehr mit esoterischem Humbug einlullt, dass sie überall arbeiten könnte - nur nicht in einem öffentlich-rechtlichen Sender mit Bildungsauftrag.
Am Ende fragt die Moderatorin die Astrologin noch, ob sie Vorhersagen zur Zukunft der Sendung treffen könne - und sogleich kommen Tarot-Karten zum Einsatz. Das ist etwas überraschend, haben die doch gar nichts mit Astrologie zu tun. Aber gut: Bei dieser völlig unwissenschaftlichen und unkritischen Show muss einen nichts mehr wundern. Sehr wohl die Tatsache, dass Haberkorn in den Karten sieht, dass nicht nur das Glück auf der Seite der Sendung sein soll, sondern gleich das ganze Universum.
"Verdummung durch Esoterik"
Da haben sie die Rechnung allerdings ohne die breite Öffentlichkeit gemacht, die läuft inzwischen nämlich Sturm gegen die Sendung. Der "Standard" schreibt von einer "Sternstunde der Schwurbelei" und hat auch ein Interview mit Astronom Florian Freistetter geführt, der Teil der Wissenschaftsgruppe Science Busters ist und als solcher immer wieder auch im ORF auftaucht. Er spricht von einem "No-Go" für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und warnt davor, dass die Sendung die ohnehin schon hohe Wissenschaftsskepsis im Land noch weiter befeuern wird. Und vom Institut für Astrophysik haben sich Professorinnen und Professoren zusammengetan und schreiben in einem Brief an ORF-Programmdirektorin Stefanie Groiss-Horowitz, dass eine Sendung über die "Pseudowissenschaft Astrologie" dem Bildungsauftrag widerspreche.
Und auch aus dem ORF-Stiftungsrat, dem höchsten Gremium der öffentlich-rechtlichen Anstalt, gab es bereits kritische Stimmen, die das sofortige Aus der Show forderten. Sigrid Pilz, Stiftungsrätin der Grünen, beschwerte sich bei ORF-Chef Roland Weißmann über die Show und sprach von einer "Verdummung durch Esoterik". Pilz will, dass diese - und vergleichbare Angebote - aus dem Programm genommen werden. Der Hinweis auf vergleichbare Angebote ist durchaus angebracht: Seit mehr als 30 Jahren präsentiert Gerda Rodgers im ORF-Radiosender Ö3 die Astro-Show "Treffpunkt Sternstunden" - und genießt deshalb einen seltsamen Kultstatus im ganzen Land.
Trotz der heftigen und breiten Kritik verteidigt der ORF sein neues Astro-Format im Fernsehen - und zieht sich dabei auf eine seltsam defensive und naive Haltung zurück. Die Sendung sei ein "Samstagnachmittags-Angebot der Unterhaltungsabteilung", heißt es von der Pressestelle. "Man kann dazu stehen, wie man will, aber: Horoskope sind für viele ein Lifestyle-Bestandteil des Alltags, wie man auch in zahlreichen Printprodukten sieht. Jedenfalls ist die Astro Show ungeeignet, dem ORF 'Wissenschaftsfeindlichkeit' vorzuwerfen", heißt es vom ORF, wo man auch direkt auf zahlreiche Wissenschaftssendungen hinweist.
"Und dann wundern wir uns..."
Und dennoch: Natürlich ist es höchst problematisch, wenn im öffentlich-rechtlichen Fernsehen unwissenschaftlicher Humbug wie das Sternelesen normalisiert wird - und in keiner Sekunde kritisch hinterfragt. Oder wie es Physiker Florian Aigner auf X formuliert: "Was der ORF hier produziert hat, ist eine Propagandasendung GEGEN echte Wissenschaft. In einem Sender mit öffentlichem Bildungsauftrag. Hier wird rational-wissenschaftliches Denken, das unsere Gesellschaft so dringend nötig hätte, zerstört. [...] Und dann wundern wir uns, wenn Leuten Pferdeentwurmungsmittel als Corona-Medizin verkauft wird und sie glauben, dass da schon etwas dran sein wird? Wenn man den Leuten Verschwörungstheorien über angeblich gefälschte Wahlen einreden kann?"
Zum falschen Einstein-Zitat, bei dem Sasa Schwarzjirg den Eindruck erweckte, der weltweit bekannte Physiker würde Astrologie ernst nehmen (in Wahrheit war es genau anders), reagierte die Moderatorin später übrigens noch auf ihren Social-Media-Kanälen. Sie habe den "von der Redaktion zur Verfügung gestellten Text nicht ausführlich genug gegengecheckt" bzw. "nur kurz bei Google gegengecheckt". Das tue ihr leid. Und auch das ist ein Versuch, Kritiker einzulullen. Denn es dauert via Google-Suche keine 5 Sekunden, bis man das falsche Zitat entlarvt hat - übrigens dank Science Buster Florian Freistetter. Vielleicht weiß Sasa Schwarzjirg aber auch einfach nicht, wie man Google bedient. Ob da wohl ein Blick in die Sterne hilft? Selbst ist die Frau!