Fast neun Jahre lang war Stefan Raab von der Bildfläche verschwunden. Da kam es auf zwei Stunden mehr oder weniger offenbar auch nicht mehr an. So lange ließ RTL das Publikum am Samstagabend warten, ehe der selbsternannte "König Lustig" die Düsseldorfer Arena betrat. Standesgemäß angekündigt durch einen Engel (und Helge Schneiders "Katzeklo"), schritt Raab die vermutlich längste Showtreppe hinab, die das deutsche Fernsehen bisher gesehen hat. Und war dann plötzlich wieder ganz der Alte.

In gewohntem Raab-Sound stimmte er sodann mit seinem neuen Song "Pa aufs Mal" auf das ein, das es zuvor bereits zwei Mal gegeben hatte: Einen Boxkampf des TV-Großmauls gegen Regina Halmich – mit dem Unterschied, dass Raabs Killerplauze mit seinen inzwischen 57 Lenzen so gut trainiert schien wie nie zuvor. Dass er nach seiner langen Abstinenz ausgerechnet jenes Spektakel aufwärmte, dessen Rechte er nicht an seine langjährigen Weggefährten von Brainpool abtreten musste, mag man wenig kreativ finden. Die Neuauflage des Fights, der nun aber wirklich der letzte gewesen sein soll, war jedoch nur folgerichtig, fügt sie sich doch bestens ein in das Bild eines Mannes, der sich in all den Jahren offensichtlich ebenso wenig verändert hat wie seine Philosophie vom Fernsehen.

Final Fight © Raab Entertainment / Willi Weber Kaum zurück im Rampenlicht, boxte Stefan Raab ein drittes Mal gegen Regina Halmich.

Man konnte an diesem Abend den Eindruck gewinnen, Raab mache nahtlos dort weiter, wo er 2015, als er sich überraschend in die TV-Rente zurückzog, aufgehört hatte. In einer Raab-typischen Materialschlacht schritt er, der Fernseh-Prophet, noch einmal hinab in die Niederungen der TV-Unterhaltung – um eben diese vor ihrem vermeintlichen Niedergang zu retten. Quasi eine ganze Generation, scherzte er später auf einer fürs Fernsehen inszenierten Pressekonferenz, sei ohne gute Unterhaltung groß geworden. Und dass er nun wieder regelmäßig selbst vor der Kamera steht, "das ist auch meine Verpflichtung gegenüber unserem Land".

Doch bevor der vermeintliche Erlöser aus Köln-Sülz leibhaftig den Düsseldorfer Arena-Boden betrat, mussten seine Gläubigen zunächst einen sehr langen Gottesdienst überstehen. Fast schien es, als hätten RTL und Raab Entertainment, so der Name der neuen Produktionsfirma, vergessen, dass an diesem Abend eigentlich eine Fernsehshow über die Bühne gehen sollte. In beinahe epischer Länge wurde zunächst noch einmal der über all die Jahre etwas in Vergessenheit geratene Raab-Mythos heraufbeschworen – unterstützt von Weggefährten wie Michael Bully Herbig, Thomas Gottschalk, Anne Will und Campino und garniert von vielen Momenten, die einst nicht etwa bei RTL zum Kult reiften, sondern beim Konkurrenten ProSieben. 

Der Rückblick - oder war es doch eine Heiligsprechung? - auf das Fernsehen von damals stand dabei bisweilen in einem krassen Gegensatz zum oft tristen TV-Alltag von heute. Während in einem Moment noch zu sehen war, wie Stefan Raab in den guten, alten Zeiten mit Weltstars wie Lionel Richie, Kylie Minogue oder Rihanna blödelte, hielt Moderatorin Laura Wontorra im nächsten Augenblick in der Gegenwart der "RTL-Datingprominenz" das Mikrofon unter die Nase. Von großer Inszenierung oder gar der teuersten RTL-Show aller Zeiten, die der "Final Fight" offenbar darstellte, war zu diesem Zeitpunkt noch erstaunlich wenig zu spüren. Etwas mehr Spektakel auf der Bühne, etwa mit musikalischen Zöglingen, die Raab über all die Jahre hervorbrachte, hätten der Veranstaltung, die vom Sender im Vorfeld immerhin zum "TV-Event des Jahrzehnts" erklärt worden war, in der ausgesprochen zähen ersten Hälfte nur gut getan.

Final Fight © Raab Entertainment / Willi Weber "Final Fight" bei RTL: Nach einer zähen ersten Hälfte zündete Stefan Raab doch noch ein Feuerwerk.

Aber sei's drum. Nun ist Stefan Raab also tatsächlich zurück und will es augenscheinlich noch einmal wissen. Für gleich fünf Jahre hat er sich an RTL gebunden – um Shows zu produzieren, aber auch um selbst zu moderieren. Doch nicht etwa im linearen Programm wird man Raab schon ab der kommenden Woche wieder wöchentlich zu sehen bekommen, sondern bei RTL+. Die (frohe) Botschaft: Das Alte Testament, das Fernsehen, ist abgeschlossen. Nun folgt das Neue, im Streaming. Bei Raabs altem Arbeitgeber wird man womöglich aufatmen, weil "TV total" somit zumindest vorerst nur bedingt die Konkurrenz der neuen Raab-Show fürchten muss, auch wenn diese vermutlich nicht ganz zufällig fünf Minuten früher beginnt als der ProSieben-Klamauk, der inzwischen von Sebastian Pufpaff präsentiert wird.

Ob "Du gewinnst hier nicht die Million", wie Raabs RTL+-Projekt heißt, sein Publikum finden wird, ist dabei eine teure Wette, schließlich hat es eine vergleichbare Show, die wochenaktuelle Comedy mit Quiz und Competition verbindet, quasi eine Mischung aus "TV total" und "Schlag den Raab", in der Streaming-Welt noch nicht gegeben. Doch der Glaube daran, dass dem Messias ein Wunder gelingen kann, ist in Köln-Deutz schier unermesslich. Wenn allerdings einem ein solches Himmelfahrtskommando zuzutrauen ist, dann ganz sicher Stefan Raab.

"Du gewinnst hier nicht die Million", mittwochs um 20:10 Uhr bei RTL+