Nicht erst seit Barbara Salesch vor 25 Jahren auf den Bildschirm kam, ist klar, dass das deutsche TV-Publikum ein Faible für Richter hat. Der Grundstein für das Genre wurde bereits in den 1960ern gelegt – nachzulesen hier in den "Telegeschichte(n)". Während Salesch längst wieder ihre Urteile im cleanen Fernseh-Gerichtssaal fällt und auch ihr Kollege Ulrich Wetzel sein "Strafgericht" wieder eröffnet hat, versucht sich ab sofort auch das ZDF wieder an Recht und Ordnung – wenn auch auf andere Art und Weise.
"Hab ich Recht?" lautet der Name eines neuen Formats, das den Factual-Anteil des Senders im Vorabendprogramm erhöhen soll. Der wortspielerische - und vielleicht etwas zu naheliegende - Untertitel: "Drei Richter für alle Fälle". Damit wäre dann auch schon das Konzept erklärt: Ein Richter-Team mit langjähriger Erfahrung lädt zur Sprechstunde. Urteile gibt’s zwar nicht, dafür aber Ratschläge, wie die Betroffenen vorgehen könnten, um möglicherweise doch noch Recht zu bekommen.
"Echte Fälle, echte Schicksale" verspricht das ZDF und setzt gleich in der ersten Folge auf eine beachtliche thematische Bandbreite. Den Anfang macht die Betreiberin einer sogenannten "Engel-Agentur", die eigentlich einen Weihnachtsmann zur Bespaßung von Kindern vermittelte, dann aber feststellen musste, dass der gebuchte Mann nicht nur betrunken und ohne Verkleidung auftrat, sondern später auch noch seinen roten Mantel entwendete. Kein Wunder also, dass die Kinder vom Glauben an den Weihnachtsmann abfielen. "Das klingt desaströs", bringt es Richter Ronald Hinz, nebenbei übrigens Vize-Blinden-Tennismeister, auf den Punkt. Helfen kann aber auch er nur bedingt, weil der mögliche Schadensersatzanspruch bereits verjährt ist. Nur eine Mail an den betrunkenen Weihnachtsmann hält er für möglich – in der Hoffnung, zumindest das teure Kostüm zurückzubekommen.
Auch für eine junge Frau, die von einem unerfahrenen Modelscout mit schlechten Fotos über den Tisch gezogen wurde, gibt es nicht allzu viel Hoffnung. "Wenn man Kaugummi in Worte fassen wollte, wäre es hier sehr gut gelungen", sagt Richterin Anette Heiter über den geschlossenen Vertrag, der das Papier nicht wert sei, auf dem er gedruckt ist. Viel machen lässt sich letztlich nicht – außer die schlechten Erfahrungen in den sozialen Netzwerken zu posten, um andere Kundinnen zu warnen. Eine andere Frau, die Opfer eines Angriffs junger Männer wurde und auf angemessene Bestrafung hofft, tritt ebenfalls etwas desillusioniert den Heimweg an. Ihr Fall zeige "auf etwas traurige Weise, dass Justiz auch Grenzen hat und dass wir in manchen Fällen auch hilflos sind und nicht immer den Opfern wirklich gerecht werden können", fasst Richterin Heiter zusammen.
Doch auch wenn die Richter letztlich nicht in allen Fällen helfen können, so hat das neue Vorabendformat durchaus Potenzial, weil es in 45 Minuten einen unaufgeregten Jura-Kurs im Schnittverfahren liefert. Mit dem Geschrei, wie man es aus Barbara Saleschs RTL-Gericht kennt, hat "Hab ich Recht?" erwartungsgemäß nur wenig zu tun. Vielmehr erinnert die neue Sendung, hinter der Uli Zahns noch recht junge Firma Brot & Butter Entertainment steht, bisweilen an Ingo Lenßens leider viel zu selten ausgestrahlte TV-Sprechstunde, die allerdings in der Vergangenheit mit weit aus skurrileren Geschichten als jene vom entwendeten Weihnachtsmann-Mantel von sich reden machte.
Für "Lenßen live" gilt zugleich, was sich auch über den ZDF-Neustart sagen lässt: Wer zuschaut und hinhört, kann etwas mitnehmen. Das war übrigens auch schon bei den ersten Gerichtsshow-Versuche vor 60 Jahren der Fall. Hab ich Recht?
"Hab ich Recht? Drei Richter für alle Fälle", mittwochs um 19:25 Uhr im ZDF