Diese Serie hat viele Labels, angefangen mit „der ersten gemeinsamen Serie von Anke Engelke und Bastian Pastewka“. Auch die Grundprämisse der Story verfängt schnell: Zwei Figuren - Buchhändlerin Maria und Sportartikelladen-Inhaber Ralf - wären mutmaßlich das perfekte Paar, aber verpassen sich in ihrer Kleinstadt seit Jahren. Das klingt nach Slapstick, denn wie oft kann man sich schon glaubhaft nicht begegnen in einer Stadt wie Marburg?

Doch „Perfekt verpasst“ balanciert gottseidank sehr gekonnt zwischen einer verhinderten Liebesgeschichte als großer Rahmenhandlung der achtteiligen Serie einerseits und immer wieder singulären Momenten mit geschliffenen Dialogen, popkulturellen Referenzen (Smartwatches, Coffee Table Books etc.) und eben genau jenem Slapstick, den ein Furz von Pastewkas Serienrolle in der vermeintlich leeren Sauna schon im Trailer vermuten ließ.

Perfekt verpasst © Prime Video / Ben Knabe
 

Angesichts so vieler Labels, die diese Serie bekam, noch bevor man sie sehen konnte, überrascht die Geschichte aus der Feder von Claudius Pläging, Sebastian Colley, Fabienne Hurst und Sintje Rosema mit mehr Charme als erwartet. Denn auch wenn alle Beteiligten in den Interviews zur Serie immer wieder die Neuinterpretation einer Rom Com als Genre bemühen, fühlt sich „Perfekt Verpasst“ nach mehr an: Der Sinnsuche zweier Gen X-Vertreter, die mitten im Leben noch einmal neu anfangen wollen, sollen, müssen.

Anke Engelke spielt Buchhändlerin Maria, deren Nasenpiercing noch von wilderen Zeit zeugt. Eine Lebenskünstlerin zwischen sexueller Freiheit und unerfüllten Träumen. Im Zweifel immer ein bisschen zu viel: Leidenschaft, Lautstärke, Emotion. Das lässt sich über Ralf, den von Bastian Pastewka gespielten Sportartikelladen-Besitzer nun so gar nicht sagen: Mit Gutmütigkeit träumt er sich durchs Leben; hört mehr als einmal den Knall leider nicht.

„Perfekt verpasst“ sind im Grunde zwei Sitcoms in einer: Denn obgleich sich Maria und Ralf immer wieder regelrecht absurd nahe kommen, erzählt die Serie im Grunde die Geschichten der beiden parallel zueinander. Es ist ein Vergnügen zu sehen, wie viele Fährten im Writers Room erdacht wurden, die im Laufe der Staffel teils unerwartet wieder aufgegriffen werden. Dazu die Sinnsuche als der große rote Faden, der sich durch beide Erzählungen zieht.

Perfekt verpasst © Prime Video / Michael Kötschau

Sind Scheidungen - wenn man innehält, zurück und nach vorne blickt - letztlich wie Silvester nur ohne Feuerwerk? Ist mutig sein wirklich eine gute Eigenschaft? Wieso wollen wir uns ständig beweisen und wem eigentlich? Fragen, die mit Humor erörtert werden - ohne sich darüber lustig zu machen. Es ist auch Balsam auf die Seele jener Generation, die durch Spott und Gags auf Social Media zum Inbegriff der Abgehängten wurde.

Interview mit Engelke & Pastewka

Nach „Maxton Hall“ erschließt Prime Video mit Bastian Pastewka und Anke Engelke wieder eine etwas erwachsenere Zielgruppe. Mit viel Realismus statt Sixpacks und einem Marburg, das auch Marburg sein darf und dem unter der Regie von Sabine Boss und Nicolas Berse-Gilles auch ein kleines Denkmal gesetzt wird. Alles schön also, wenn auch manche/r enttäuscht sein wird, dass Pastewka und Engelke doch fast nie zusammen spielen. 

Was „Merz & Merz“ mit Annette Frier und Christoph Maria Herbst im ZDF ist, schafft Prime Video mit „Perfekt verpasst“: Eine wunderbare Unterhaltung mit einem wunderbaren Duo, dem man einfach gerne zuschaut. Beide Serien verbindet eine gewisse Gewöhnlichkeit, die angesichts vom Überangebot extravaganter High-Concept-Serien der vergangenen Jahre keineswegs negativ, sondern viel mehr erfreulich zu bewerten ist. 

Liefert „Perfekt verpasst“ damit also all das, was man erwarten könnte? Beinahe. Denn die vielleicht größte Überraschung der Serie ist eben ihre Inszenierung, die der Story gerecht wird und doch in Originalität hinter dem zurückbleibt, was man sonst von der Kölner btf kennt, wenn man an Produktionen wie „How to sell drugs“, „King of Stonks“ oder „Pauline“ denkt. Die achtteilige Comedyserie lebt weniger von der Verpackung als vom Inhalt. 

Konventionell sieht sie aus, diese für Sat.1… pardon… Amazon produzierte Sinnsuche in Marburg. Das mag allerdings eher Fans der ambitionierteren btf-Projekte irritieren, denn alle anderen werden mit der außergewöhnlich gewöhnlichen Inszenierung leben können, weil hier die Form den beiden Stars - und so vielen wunderbaren, kleinen Drehbuchideen - den Vortritt lässt.

"Perfekt verpasst", ab sofort bei Prime Video