Viel war über Stefan Raab in den vergangenen neun Jahren, seit er seinen Abschied vor der Kamera vollzog, nicht zu lesen. Allenfalls, dass er Chips essend in der Regie vorzufinden war.

Zu gerne hätte man gewusst, ob das auch für diesen Freitagabend galt.

Da nämlich produzierte Raab mit seiner erst jüngst gegründeten Firma eine neue Ausgabe des "RTL EM-Studios". Und es wäre durchaus interessant gewesen zu erfahren, an welche Zielgruppe sich diese Show eigentlich gerichtet hat.

Als sich Moderator Elton pünktlich um 20:15 Uhr zusammen mit den früheren Profis Thomas Helmer und Erik Meijer zum Dienst meldete, müssen allenfalls diejenigen eingeschaltet haben, die zuvor bei "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" vor Langeweile eingeschlafen sind. Denn während im Ersten gerade das EM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Spanien vor geschätzt weit mehr als 20 Millionen Fans in die Verlängerung ging und selbst das ZDF zunächst auf eine Vorberichterstattung für das bevorstehende zweite Spiel des Abends, immerhin Frankreich gegen Portugal, verzichtete, sendete RTL: Eine Show, auf die absolut niemand gewartet hat.

"Wir dürfen natürlich keinen Ton übertragen, wir dürfen natürlich kein Bild übertragen und wir dürfen auch nicht allzu viel kommentieren", erklärte Elton dem zu RTL verirrten Publikum aus Ermangelung an Live-Rechten direkt zu Beginn, als sich das Deutschland-Spiel gerade in der Pause der Verlängerung befand. Und man weiß gar nicht, wer einem in diesem Moment mehr leid zu tun sollte: Der Moderator, seine prominenten Experten oder die Fans im Hintergrund. Einzig Manu, ein Fan mit zwei Deutschland-Fahnen auf dem Kopf, wirkte einigermaßen beseelt, weil er im Hürther "EM-Studio" vor laufender Kamera ein paar Bratwürste grillen durfte.

Diese 19. Ausgabe des "RTL EM-Studios", die mit Sicherheit von keinem halbwegs bei Verstand befindlichen Fußball-Fan gesehen worden sein dürfte, war vermutlich so etwas wie der Tiefpunkt in der kurzen Historie dieser Show, die als unnötigstes Fußball-Format aller Zeiten in die Geschichte des Fernsehens eingehen wird.

Während es Thomas Helmer sonst gewohnt ist, mit seinem "Fantalk" bei Sport1 zumindest gegen die Pay-TV-Übertragungen der Champions League anzusenden, mussten er und seine Mitstreiter den Zuschauerinnen und Zuschauern am Freitagabend zur besten Sendezeit bei RTL notdürftig erzählen, was nebenan, im für alle Fans frei empfangbaren Ersten Programm, jedermann und jederfrau sehen konnte: Das bittere Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft bei der Heim-Europameisterschaft.

Das, was RTL am Freitagabend zur besten Sendezeit sendete, hatte also bestenfalls etwas vom Offenen Kanal Hürth – mit dem Unterschied, dass sich Elton aus einem schön ausgeleuchteten Studio meldete und nicht aus einer provisorischen Hinterhof-Kulisse, was jedoch inhaltlich betrachtet auch keinen Unterschied gemacht hätte. Dass die Raab-Produktion deutlich teurer gewesen ist als das, was man gewöhnlich in Offenen Kanälen zu sehen bekommt, ist allerdings auch ein Teil der bitteren Wahrheit. Tatsächlich dürfte Raabs neue Produktionsfirma der einzige Gewinner dieses "EM-Studios" gewesen sein, das dem Publikum selbst dann noch "alle Tore" versprach, wenn – wie in dieser Woche am Mittwoch und Donnerstag – überhaupt nicht gespielt wurde. Die Show aber sogar zu senden, wenn, wie beim deutschen Achtelfinale, mit Sicherheit keine Fußball-Fans einschalten, ist so absurd, dass an diesem Abend vermutlich allenfalls dem Produzenten Stefan Raab zum Lachen zumute gewesen ist.

Alle anderen können sich freilich herzlich darüber amüsieren, dass RTL vier Wochen lang eine maximal unnötige Fernsehshow zur besten Sendezeit auf die Beine stellte, von der allenfalls Produzent Raab profitierte. Aus Sicht vieler Produzenten, die in diesen Wochen und Monaten mit harten wirtschaftlichen Herausforderungen zu kämpfen haben, muss das von Beginn an aussichtslose "EM-Studio" von RTL allerdings wie Hohn wirken. Wie viele erfolgsversprechende Shows, wie viele aussichtsreiche Piloten hätten sie stattdessen für den Sender produzieren können?

Für RTL war das "EM-Studio", so viel lässt sich eine Woche vor dem Ende der Europameisterschaft schon feststellen, ein ziemlich schlechtes Geschäft. Man kann den Verantwortlichen um Stephan Schmitter und Inga Leschek nur wünschen, dass "König Lustig" ihnen in den kommenden Jahren bessere Ideen anbieten wird als diese Fußball-Show, die nun wirklich niemand gebraucht hat.