In seiner Uneinigkeit war sich der WDR-Rundfunkrat am Donnerstagnachmittag im Kölner Gürzenich schon nach dem ersten Wahlgang zumindest in einem Punkt recht einig: Wer auch immer ab dem nächsten Jahr die Nachfolge von Tom Buhrow antreten wird, sollte den Job länger ausüben können als nur eine Amtszeit.

Programmdirektor Jörg Schönenborn, der Bewerber mit dem größten WDR-Stallgeruch, schaffte es auf diese Weise zur Überraschung mancher Beobachter nicht in den zweiten Wahlgang, in den mit Helge Fuhst und Katrin Vernau schließlich stattdessen die beiden Jüngsten im Bunde zogen. Am Ende entschied sich das Gremium dann aber doch mehrheitlich für Erfahrung: Vernau, 51, hat ihrem elf Jahre jüngeren Herausforderer vor allem voraus, dass sie weiß, wie es ist, eine öffentlich-rechtliche Anstalt zu leiten. Als Interims-Intendantin beim RBB hatte sie nach dem Schlesinger-Skandal eine der heikelsten Herausforderungen in der langen ARD-Historie zu bewältigen und verschaffte sich damit Respekt und Anerkennung.

Ihre Wahl zur WDR-Intendantin ist gleichwohl bemerkenswert – nicht nur, weil sich die einzige Frau im Bewerberfeld durchsetzte, sondern auch, weil sie die einzige ohne journalistischen Hintergrund war. Mehr noch: Mit Vernaus Wahl steht fest, dass der WDR künftig erstmals seit vier Jahrzehnten von einer Person gelenkt wird, die nicht aus dem Journalismus kommt, auch wenn der scheidende Intendant in der anschließenden Pressekonferenz zurecht darauf hinwies, dass es letztlich keinen großen Unterschied mache, ob man zuvor in der Produktion, im Journalismus oder im Verwaltungsbereich war, weil letztlich jeder, der an die Spitze eines solch großen Hauses komme, die eigene Komfortzone verlassen muss.

Dass Vernau dazu in der Lage ist, zeigt schon die Vita der promovierten Wirtschaftswissenschaftlerin, die alles andere als ein typisches ARD-Gewächs ist. Die künftige Intendantin war zunächst Kanzlerin an den Universitäten in Ulm und Hamburg, ehe sie vor ihrem Wechsel zum WDR für die Unternehmensberatung Roland Berger tätig wurde. Es ist ein Blick von außen, der dem WDR nach der Journalisten-Ära mit Nowottny, Pleitgen, Piel und Buhrow an der Spitze im Idealfall helfen kann, sich neu zu erfinden.

In ihrer Bewerbungsrede vor dem Rundfunkrat stellte Katrin Vernau einen Acht-Punkte-Plan vor, den sie mit dem Schlagwort "Mut" überschrieben hat. Einer der Punkte: "Mut, uns zu öffnen". Vernau erinnerte daran, dass der WDR Teil der Gesellschaft sei und weder neben noch über ihr stehe. Es brauche zugleich mehr Mut, das Publikum sich seine eigene Meinung bilden zu lassen. "Wir sind keine Oberlehrer", mahnte Vernau und traf einen wunden Punkt. Zuletzt konnte man beim Sehen und Hören der WDR-Programme bisweilen den gegensätzlichen Eindruck gewinnen.

Den erwähnten Mut wird es in den kommenden Jahren wirklich brauchen, will die ARD im Allgemeinen und der WDR im Speziellen dauerhaft überleben; zu groß ist der Gegenwind für öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Politik und Gesellschaft geworden, als dass ein simples "Weiter so" reichen wird, um die Wogen zu glätten. Vernaus Versprechen, mehr in Regionalität und Recherche zu investieren, kann ganz sicher ein Hebel gegen die zunehmende Vertrauenskrise sein.

Ein solcher Hebel, wenn auch wahrscheinlich nur ein kleiner, war im Übrigen auch die Intendanten-Wahl selbst, bei der sich gleich vier Kandidaten einen Wettbewerb um die besten Ideen für den WDR lieferten. Beschädigt wurde am Ende keiner von ihnen, vielmehr haben Vernau, Fuhst, Schönenborn und der ebenfalls angetretene ZDF-Journalist Elmar Theveßen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit ihren Bewerbungen einen guten Dienst erwiesen. So gesehen waren sie alle Sieger, auch wenn es am Ende Katrin Vernau war, die das größte Vertrauen des Rundfunkrats gewann. Das Vertrauen des Publikums zu gewinnen, wird allerdings gewiss die weitaus schwierigere Aufgabe sein.

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