Vor einer Woche ist die Fußball-Europameisterschaft gestartet und das Interesse der Zuschauerinnen und Zuschauer ist hoch, das zeigt ein Blick auf die Quoten, aber auch auf den Straßen und den Fanfesten ist die Fußball-Lust spürbar. Mit dem Ersten, RTL und Magenta TV wollen drei der vier übertragenden Sendern dieser Europameisterschaft genau diese Euphorie mit eigenen Show-Formaten aufgreifen, die das journalistische Angebot um Sport-Entertainment ergänzen. Das "RTL EM-Studio", Magentas "Studio Pille-Palle" und das ARD-"Kneipenquiz" könnten dabei nicht unterschiedlicher sein. Wir haben in der ersten Woche hingeschaut.

"Das RTL EM-Studio", täglich um 20:15 Uhr bei RTL

von Timo Niemeier

RTL EM Studio © RTL / Anne Werner
Mit seinem täglichen "EM-Studio" ist RTL der Sender, der das größte Risiko in Sachen Begleitformate eingegangen ist. Man überträgt zwar insgesamt nur zwölf Spiele, zeigt in der Primetime-Sendung aber trotzdem die Highlights von allen Spielen - inklusive Kurz-Analysen. Garniert ist das mit diversen Unterhaltungs-Elementen. Und um es kurz zu machen: Diese Sendung ist weder Fisch noch Fleisch. Für Fußball-Fans gibt’s zu viele Albernheiten und für diejenigen, die sich nicht oder nur am Rande für Fußball interessieren, geht’s eben doch zu viel um Tore und Taktik - vor allem dann, wenn Peter Stöger oder andere Experten Aufstellungen an einer Magnettafel erklären müssen. 

Der fehlende Fokus auf eine Zielgruppe ist vielleicht der größte Schwachpunkt der Sendung. Nicht nur bei der ersten Folge fragt man sich: Für wen sendet RTL das eigentlich? Zumal man sich zwischen 20:15 und 21 Uhr bislang auch immer gegen die Vorberichterstattung auf das 21-Uhr-Spiel behaupten musste - was dem Format nachweislich schadet. Auch an Fachkenntnis mangelt es ein wenig zu oft, was bislang vor allem an Moderator Elton lag, der aber zumindest als einziger im Studio einen Dropkick im Tor verwandelte. 

Vielleicht wäre es eine gute Idee gewesen, beim "RTL EM-Studio" voll auf diese und andere Entertainment-Elemente zu setzen, anstatt sich an einem Spagat zu versuchen. Mit Thomas Helmer und Stefan Effenberg hat man ja auch Experten an Bord, die um keinen Spruch oder Anekdote verlegen sind. Dadurch kommt es immer wieder zu Sticheleien zwischen den Beteiligten, was durchaus unterhaltsam sein kann, weil sich niemand zu wichtig nimmt. Dass hinter dem Format auch Stefan Raab steht, ist übrigens unverkennbar: Selbst Manfred Winkens als früher unverwechselbare Stimme der "TV Total"-Einspieler ist mit dabei. Eine großartige Format-Innovation ist das "EM-Studio" von RTL aber nicht, im Wesentlichen ist es der Versuch einer auf 45 Minuten eingedampften "Sportschau" auf RTL-Art. Also mit betonter Lockerheit und Schalten zu Reportern, die man wegen hupender Fußballfans im Zweifel gar nicht versteht. 

Das ist zu wenig - und das ist richtig schade. Denn das "RTL EM-Studio" ist, trotz der erwähnten Schwächen, die Sendung mit der besten Stimmung im Publikum. Das liegt daran, weil man sich ganze Mannschaften ins Studio geholt hat, die für entsprechende Stimmung sorgen. Das Studio selbst mit seinen großen Videowalls ist zwar nicht sehr groß, macht optisch aber einiges her. Unter den Experten stimmt die Chemie und ab und zu gibt es auch ein inhaltliches Highlight, etwa wenn Toni Kroos nach dem Deutschlandspiel live interviewt wird (wo man allerdings immer hofft, dass Elton nicht in noch ein Fettnäpfchen tritt). Es ist also längst nicht alles schlecht, mit dem eingeschlagenen Mittelweg wird RTL am Ende aber wohl niemanden so wirklich zufriedenstellen. Und so bleibt das "EM-Studio" in erster Linie ein Argument für die erstaunlichen Verkaufsfähigkeiten von Stefan Raab. 

"Studio Pille-Palle", 10 Folgen bei MagentaTV

von Timo Niemeier

Studio Pille-Palle © Screenshot MagentaTV
Die Sache mit dem Fokus klappt bei der Late-Night-Show "Studio Pille-Palle" von MagentaTV schon wesentlich besser. Hier hat man nicht die Hardcore-Fans im Blick und liefert dementsprechend auch keine konkreten Analysen von Spielzügen. Stattdessen geht’s viel mehr um das Drumherum und lustige oder überraschende Ereignisse während der Spiele und des Turniers. Da sprechen die beiden Hosts, Fahri Yardim und Jonas Hector, beispielsweise über den Spieler, der sich hinter die Mauer legen muss, damit der Ball nicht unten durchrutscht ("Er sieht nur Ärsche in einer Reihe"). Bei der Nationalhymne analysieren die beiden die Kinder und sie feiern die zahlreichen Eigentore, die bislang schon gefallen sind. Ähnlich wie beim "RTL EM-Studio" versucht man sich auch bei MagentaTV an lustigen Einspielern - in diesem Fall aber ausnahmslos noch mit Luft nach oben. 

Während bei der ersten Live-Ausgabe von "Studio Pille-Palle" der rote Faden noch weitestgehend fehlte, war das in Folge zwei schon besser. Fahri Yardim riss zwar auch da das Heft des Handelns immer wieder schnell an sich und redete viel ohne was zu sagen, in Folge zwei wirkte das aber alles deutlich flüssiger. Auch, weil inzwischen die Regie oder die Schlagzeugerin im Studio beinhart in das Gespräch reingrätscht, sobald Dinge anstehen, die Yardim und Hector mal wieder vergessen haben - seien es Gäste, Einspieler oder auch die Werbung. 

Da rächt es sich teilweise, dass man keinen gelernten Moderator hat, der ein bisschen Struktur in die Sendung bringen könnte. Andererseits wirkt "Studio Pille-Palle" so auch ein Stück weit anarchisch und hebt sich wunderbar von anderen EM-Sendungen ab. Insofern ist "Studio Pille-Palle" eine schöne Alternative, wenn man nicht gerade auf der Suche nach ernstzunehmenden Analysen ist - die hat es auf zahlreichen Sendern davor aber wohl ohnehin schon reichlich gegeben, inklusive bei MagentaTV. Oder wie es Fahri Yardim zu Beginn von Folge eins ankündigte: "Die Analysen sind fertig, wir sind die Nachgeburt."

"EM-Kneipenquiz", an ARD-Spieltagen ab ca. 23:30 Uhr im Ersten

von Manuel Weis

EM Kneipenquiz © WDR/Ben Knabe
Das Erste hat sich in diesem Jahr nach den langen EM-Übertragungsstrecken für einen recht launigen Abschluss entschieden. Das neue "Sportschau EM-Kneipenquiz" ersetzt den deutlich ernsteren "Sportschau Club", der etwa bei der Euro 2020 (ausgetragen 2021) noch gezeigt wurde. Dabei ist es nur lobenswert, dass Das Erste nach den langen Livestrecken wieder näher zum Fan geht. Im konkreten Fall ist eine Bochumer Kneipe Schauplatz einer großteils doch sehr kurzweiligen Sendung, die ein bisschen den Geist der längst beendeten Sky-Show "Mein Stadion" in sich trägt. Auch in dieser wurde Fußballberichterstattung sehr unverkrampft mit Kneipen-Feeling verbunden.

Neu ist die Idee somit nicht. Vor vielen Jahren begleitete schon Waldemar Hartmann mit einem Fußballstammtisch ins Bett, jetzt ist es Stephanie Müller-Spirra, die einen guten Job macht, auch wenn sie teils sichtlich Mühe hat, gegen den lauten, zu häufigen und langen Applaus der Fans anzusprechen. Hier wäre es angebracht, wenn sich die Kneipengäste nicht wie klassisches Studiopublikum verhalten müsste.

Die Kneipentheke wird in der Sendung zur Spielfläche samt Tablets umgemodelt und drei Zweier-Teams müssen jeweils die Fragen beantworten. Diese erinnern in Teilen an den Vorabenderfolg "Wer weiß denn sowas?", sind aber kreativ (Welche Pizza hat den Namen "Die Mannschaft"?) und lassen mitunter sogar vorangegangene Spiele Revue passieren. Ein echter Gewinn für das Format ist – spätestens seit seiner starken Performance in der 1Live-Morningshow gar nicht überraschend – Malte Völz, der als Side-Kick von Müller-Spirra an Bord ist.



Formate, die versuchen, Fußball und Unterhaltung zu verbinden und sich somit auch für Zielgruppen abseits des Sportfans zu öffnen, haben es in aller Regel schwer, weil das beste aus beiden Welten oftmals eben ein halbgarer Mix ist. Vor dem Hintergrund dieser Problematik ist der ARD mit dem neuen Ratespiel ein überzeugender Ausklang langer Fußballtage gelungen.  

Das Fazit

Das Erste, RTL und MagentaTV verfolgen mit ihren EM-Begleitformaten alle ein ähnliches Ziel: Sie wollen sich nicht nur auf die klassischen Fußballfans konzentrieren, sondern sich auch neuen Zielgruppen öffnen. Daher gibt es in allen Formaten viele Unterhaltungs-Elemente, was mal mehr und mal weniger gut umgesetzt ist. In jedem Fall aber bieten das "RTL EM-Studio", das "EM-Kneipenquiz" und "Studio Pille-Palle" eine große Vielfalt, sowohl inhaltlich und konzeptuell als auch optisch. Und je nach dem ob man mehr Spielanalysen will oder weniger ist dann wohl auch für jeden Fußball-Fan etwas dabei.