Mit Late-Night-Shows, die skurrile Namen tragen, kennt sich Aurel Mertz erwiesenermaßen aus. Nachdem er die fast schon legendäre Moderatorenschule von Frank Elstner absolvierte, gab der damals noch innovative Privatsender Tele 5 dem seinerzeit 26-Jährigen eine spätabendliche Fernsehshow namens "Boomarama", die später noch um den nicht minder skurrilen Zusatz "3000" erweitert wurde. Dass sich Mertz jetzt erneut zu später Stunde austoben kann, diesmal bei ZDFneo in einer Show mit dem Titel "Neo Tropic Tonight", wirkt da nur folgerichtig.
Warum die Sendung so heißt, bleibt unklar – aber weil im Bühnenbild ein paar Palmen herumstehen und alles einen bunten Anstrich hat, wird der Name schon seine Richtigkeit haben. Wichtiger als die Verpackung ist ja ohnehin der Inhalt – und der bedient auf den ersten Blick, was man von einer Late-Night-Show erwarten kann: Ein paar mehr oder weniger aktuelle Witze, ein Einspielfilm mit lustigen O-Tönen, eine Mariachi-Band, die die Wettervorhersage in spanischer Sprache trällert und ein schlagfertiger Gast. Und neben der obligatorischen Late-Night-Kaffeetasse steht auf Mertz' Tisch zusätzlich noch ein Cocktail. Wegen Tropic, verstehen Sie? Haha.
Leider muss man bei der Premiere vor dem Fernseher erstaunlich lange durchhalten, bis Aurel Mertz den ersten Gag landet. Das ist überraschend, schließlich ist davon auszugehen, dass der Moderator die Mechanik des Genres verinnerlicht hat. Einmal in Fahrt, absolviert er die erste Ausgabe dann aber doch bemerkenswert routiniert. "Das ist der wahrscheinlich erste Schreibtisch-Job meines Lebens", scherzt Mertz, als er sich endlich hingesetzt hat; und er hat offensichtlich auch kein Problem damit, sich als "öffentlich-rechtliches Tanzschwein" zu bezeichnen. Dass mancher Kritik ihm unterstellt, die Bundesregierung würde ihm die Themen vorgeben, kontert er umgehend mit Humor: "Olaf Scholz zeigt in der Öffentlichkeit genauso wenig Präsenz wie bei mir zuhause."
Trotz des durchaus Late-Night-erfahrenen Gastgebers muss "Neo Tropic Tonight" seine Form gleichwohl erst noch finden. Das zeigt direkt die erste Rubrik. Die hört auf den Namen "Yay or Nay" und soll wohl auf die vermeintliche Schlagfertigkeit des Gastgebers abzielen, indem der Moderator höchstselbst entscheiden kann, ob er sich zu vorgegebenen Themen äußern möchte (Yay) - oder eben nicht (Nay). Blöd nur, dass ganz offensichtlich schon im Vorfeld festgelegt wurde, was Mertz für Besprechenswert hält. Die Cannabis-Legalisierung gehört dazu, wie die eilig eingespielten Bilder kiffender Berliner vorm Brandenburger Tor ("da ist bessere Stimmung als beim Mauerfall") nahelegen. Zum Bundestags-Abschied von Ex-Verkehrsminister fällt ihm hingegen nicht viel ein ("No Andi-Scheuer-News in meinem Studio! Bye!"). Bei so wenig Improvisation kann man sich das Spielchen dann auch gleich sparen.
Auch danach wirkt die neue ZDFneo-Show noch nicht, als sei vollends klar, wohin die tropische Reise gehen soll. Ein Einspielfilm greift Aurel Mertz' frühere Kritik am Reitsport auf ("Ich wusste nicht, dass Pferdequälen olympisch ist") und verfrachtet den Moderator schließlich zu einer Hengstschau ins niedersächsische Celle, wo er den Spagat zwischen Ernsthaftigkeit und Humor zu meistern versucht. Das Ergebnis ist manchmal amüsant, stellenweise aber auch vorhersehbar. Witze über tiefgefrorenes Hengstsperma gibt's frei Haus.
Erwartbar auch, dass im letzten Drittel der Show ein Studiogast im Mittelpunkt steht – oder besser gesagt: sitzt. Dass es sich dabei um die gleichermaßen sympathische wie schlagfertige (und Cocktail trinkende) Schauspielerin Valerie Niehaus handelt, ist jedoch ein Glücksfall, weil sie und Mertz erkennbar Spaß daran haben, ein möglichst unterhaltsames Gespräch zustande zu bringen. Dass ein Page zwischendurch einen überdimensionierten Koffer mit weiteren Fragen ins Studio rollt, wäre fast nicht nötig gewesen, erweist sich aber trotzdem als gute Idee, weil nun tatsächlich noch einmal jene Spontaneität gefragt ist, die der Show zu Beginn erkennbar fehlte.
"Ein Podcast mit Oliver Pocher lieber während oder nach der Beziehung?", lautet eine der Fragen – woraufhin Niehaus blitzschnell entgegnet: "Lieber gar nicht!" Mertz nutzt danach die Vorlage über einen interessanten Fakt zu sprechen. So sei ihm aufgefallen, dass er dem typischen Frauentyp von Pocher und Dieter Bohlen gleiche. "Alle Frauen von denen sehen original aus wie ich!", witzelt er und wirkt dabei fast schon empört.
Zu gern hätte man diesen Ausführungen noch länger zugehört, doch dann war die Zeit leider vorbei. Spontane Talks wie diese legen allerdings zumindest nahe, dass Mertz immer dann besonders unterhaltsam ist, wenn man ihn von der Leine lässt. Daran sollte "Neo Tropic Tonight" in den kommenden Wochen anknüpfen. Dann gibt's vom Sender vielleicht sogar ein "Yay" für die zweite Staffel.
"Neo Tropic Tonight", donnerstags um 23:00 Uhr bei ZDFneo