Es war einmal in Film und Fernsehen, da wurden Freaks, Geeks, Nerds oder ähnliche Ausnahmen bürgerlicher Normen nur am Rand ordnungsgemäßer Figuren geduldet. Jenseits aufrechter Helden und irgendwann sogar Heldinnen, rangierte der Wahnsinn megalomaner Fieslinge in der Besetzungsliste zwar gleich hinter James Bond. Sonderlinge aber blieben merkwürdige Nebenfiguren. Sidekicks für gute oder miese Stimmung gewöhnlicher Charaktere, die es mal abgesehen von Forrest Gump erst in Gestalt des buchstäblich komischsten aller Käuze zur Titelfigur brachten: Adrian Monk.
Nach einer schrecklichen Kindheit mit späterer Frühverwitwung, hatte der Kriminalist so viele Zwangsneurosen gehortet, dass er fürs Morddezernat San Francisco untragbar wurde. Als Polizeiberater allerdings klärte er ab 2002 stattliche 140 Kapitalverbrechen in 125 Folgen auf. Das machte ihn – trotz und wegen seiner psychischen Störung – weit über die achte Staffel 2009 hinaus zur Serienlegende. So sagenhaft, dass „Monk“, wie ihn alle nur nannten, jetzt seine Memoiren schreibt.
Gleich zu Beginn des spielfilmlangen Sequels „Mr. Monk’s Final Case“ liegen sie auf dem Verlagsschreibtisch. Wobei liegen… Die Autobiografie stapelt sich bis fast unter die Bürodecke. Monk wäre schließlich nicht Monk, würde er beim Schildern seiner Ermittlungstätigkeit rasch auf den Punkt kommen. „Hier, in Kapitel 4“, sagt die Gutachterin hörbar ernüchtert, „zwei Absätze über den Verdächtigen, aber…“, sie blättert ein wenig im Papierturm, „sieben, acht, neun Seiten über seinen Staubsauger“.
Weil er mit dieser Art Abschweifung in zehn Jahren vier Lektoren und zwei Ghostwriter verschlissen habe, wird sein Monumentalwerk also nicht veröffentlicht. Mehr noch: Monk soll den Vorschuss zurückzahlen und ist damit derart pleite, dass er die anstehende Hochzeit von Tochter Molly (Caitlin McGee) nicht zahlen kann. Für zwanghafte Pedanten wie ihn der Supergau, weshalb ihn seine tote Frau vom Sprung aus dem 10. Stockwerk abhalten muss und damit zweierlei ermöglicht.
Ein Wiedersehen mit dem Cast der – hier passt die Formulierung ausnahmsweise mal: Kult-Serie nach mehr als 15 Jahren. Und ein Fall, bei dessen Lösung er ab heute bei Magenta TV wie einst auf RTL im Kernschatten Monkscher Brillanz steht. Es geht um einen Tech-Milliardär, dem Mollys Verlobter auf die Schliche eines ungeklärten Mordes kommt, wofür Rick Eden (Jason Purefoy) den Journalisten womöglich ebenfalls töten lässt – und das im Beisein seiner künftigen Frau.
Wie früher gedreht von Randy Zisk, machen die Drehbücher des Serienerfinders Andy Breckman den letzten Fall also zur Privatsache seines Chefermittlers. Und weil dessen Besonderheit ein vertrautes Umfeld bedarf, sind neben dem gut gereiften Tony Shalhoub auch fast alle anderen zurück: Monks Psychiater Bell (Hector Ellizondo) zum Beispiel, sein befreundeter Ex-Chef Stottlemeyer (Ted Levine), dessen durchgeknallter Assistent Disher (Jason Gray-Stanford) nebst liierter Kollegin Natalie (Traylor Howard).
Dazu wie einst aus dem Jenseits: Monks früh verstorbene Frau Trudy (Melora Hardin) – noch ein absurdes Serienelement, das dem Affen seiner psychischen Erkrankung süßsauren Zucker gibt, aber auch emotionalen Halt. Schließlich sorgt Trudys Geist bereits seit Serienanfangstagen dafür, dass ihrem Mann nicht permanent der eigene Aberwitz um die Ohren fliegt. Nur so hat er es zum Superstar einer vielfach preisgekrönten Comedy geschafft, die auch abseits der eigenen Zuschauer Zugkraft besaß.
Ein Vierteljahrhundert, nachdem das alltagsuntaugliche Genie den Weg für andere Außenseiter mit Inselbegabung planierte, haben es bipolare Fernsehfiguren wie Carrie Mathison („Homeland“) oder Regus Patoff („The Consultant“), autistische wie Saga Norén („Die Brücke“) oder Sheldon Cooper („Big Bang Theory“), soziophobe wie „Dr. House“ oder „Dexter“ darauf nämlich bis in gesellschaftlich verantwortungsvolle Positionen gebracht. Alle kämpfen seit jeher zwar gegen den Vorwurf an, psychische Dysfunktionen der Lächerlichkeit preiszugeben. Zugleich aber verleihen sie der medizinischen Regelabweichung Eigensinn, Sichtbarkeit und damit Anerkennung als Teil menschlicher Vielfalt.
Kritiker mögen Witze über Monks Pandemie-Paranoia, die ihn alle 20 Minuten zum Schnelltest im Ganzkörperanzug zwang, daher durchaus bedenklich finden. Fans betrachten es hingegen eher als Ausdruck reflexiver Wahrhaftigkeit, wenn jemand beim Händedesinfizieren „seltsame neue Welt“ sagt und Monk darauf beiläufig „nicht für mich“ entgegnet. Es bleibt kompliziert. Vor allem aber bleibt Breckmans routinierte Schlagfertigkeit auf clevere Art heiter, wo andernorts Betroffenheit herrscht, sobald Outsider am Bildschirm auftauchen.
Dass Monks Ermittlungsobjekt überdies ein Elon-Musk-Verschnitt mit Weltraumfimmel und toxischem Ego ist, der auf dem Weg zur Allmacht über Leichen geht, erdet die Fortsetzung im Hier und Jetzt populistischer Gefahren. Um das auch noch unterhaltsam zu finden, empfiehlt es sich allerdings, gut im Serienstoff zu stehen. Monks Stammpublikum dürfte sich über seine Rückkehr freuen. Für alle anderen gilt: Vielleicht lieber den dissoziativen „Mr. Robot“ nachholen, die Asperger-Ikone „Sherlock“ oder das depressive Comic-Pferd „BoJack Horseman“. Es gibt viel zu sehen, am Rande der Normalität.
"Mr. Monk's Last Case: A Monk Movie" steht ab dem 2. Februar bei Magenta TV zum Abruf bereit