Viel ist in den vergangenen Wochen und Monaten über die Zukunft von ARD und ZDF diskutiert worden, etwas Greifbares herausgekommen ist dabei aber nicht - und das lag auch an dem von der Rundfunkkommission der Länder eingesetzten Zukunftsrat. Zuletzt beriefen sich sowohl die Anstalten als auch die Politik immer wieder auf dieses Gremium, wenn man sie mit konkreten Fragen konfrontierte. Man wolle den Empfehlungen des Zukunftsrats nicht vorgreifen, hieß es da oft.
Nun sind die Empfehlungen da und mit ihnen viele Fragezeichen, die sich durch den vorgestellten Bericht ergeben. "Sowohl Angebot als auch Strukturen kommen auf den Prüfstand", erklärte der nordrhein-westfälische Medienminister Nathanael Liminski (CDU) im März 2023, als besagter Zukunftsrat eingesetzt wurde. Und tatsächlich hat das Gremium nun einige Vorschläge zu Strukturreformen gemacht, einerseits bei den Anstalten selbst, andererseits auf Seiten der KEF und infolgedessen auch bei der Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen.
Bei den Inhalten aber blieb der Zukunftsrat seltsam vage. So empfiehlt das Gremium zwar eine Reform des Auftrags an verschiedenen Stellen, unter anderem soll sich das in einer deutlicheren Demokratie- und Gemeinwohlorientierung niederschlagen, aber auch in "Angeboten, [...] die Menschen zusammenbringen". Aber ist das wirklich der große Aufschlag, den die Medienpolitik wollte, damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Zukunft auch weiterhin von der Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert wird? Viele Kritikerinnen und Kritiker dürften in den Vorschlägen wohl mal wieder nur einen Tropfen auf den heißen Stein sehen, durch den substanziell überhaupt nichts vorangeht.
An anderer Stelle, beim Inhaltlichen, hält man sich zudem bedeckt. Die Öffentlich-Rechtlichen müssten überdurchschnittlich innovativ sein und Standards setzen für hochwertige Angebote, heißt es etwa. Na gut, auf wen trifft das nicht zu? "Nicht überwiegend Altbewährtes, sondern mehr Neues, Kühnes ist gefragt – im linearen und ganz besonders im nonlinearen Bereich", schreibt der Zukunftsrat - und bleibt im Unklaren darüber, ob das eigentlich eine Kritik am aktuellen Zustand von ARD und ZDF sein soll oder doch nur eine generelle Feststellung. Es gehe um "weit mehr" als die Frage, ob in den Angeboten der Öffentlich-Rechtlichen zu viele Krimis oder Talkshows laufen, heißt es weiter. An dieser Stelle wäre man schon froh, würde das Gremium zumindest diese Frage beantworten.
Hinzu kommt das Problem, dass der Zukunftsrat wichtige Themen komplett außen vor gelassen hat, weil in zehn Monaten nicht ausreichend Zeit vorhanden war. So wurden die Themen Werbung und kommerzielle Tochtergesellschaften gänzlich ausgeklammert, obwohl gerade das zwei Bereiche sind, die auf den Kern der Debatte zur Zukunft von ARD und ZDF einzahlen. Vielleicht wäre es besser gewesen, sich hier zwei Monate mehr Zeit zu nehmen und die Ergebnisse dann eben erst im März, ein Jahr nach der Einsetzung des Zukunftsrats, vorzustellen. So wirkt das Ergebnis jetzt in Teilen gehetzt und an einigen Stellen zu wenig konkret, um substanziell etwas zu verändern.
In Sachen Struktur wird der Zukunftsrat dagegen konkreter, allen voran wenn es um die ARD geht. So schlägt man eine neue ARD-Anstalt vor, die alle überregionalen Themen verantworten soll. Die Landesrundfunkanstalten sollen sich auf ihren eigentlichen Kern, die regionale Berichterstattung, konzentrieren. Wenn alle Strategie-, Steuerungs-, Finanz- und Organisationskompetenz für die bundesweiten Angebote der ARD und für alle zentralen Aufgaben und Dienstleistungen künftig in einer neuen Einheit liegen, wäre es dann aber nicht auch sinnvoll zu sagen: Die Landesrundfunkanstalten müssen deutlich kleiner werden, weil sie eben viele Kompetenzen abgeben?
Der Zukunftsrat drückt sich leider vor genau einer solchen Aussage und sorgt damit für Verwirrung. Die Gewerkschaft ver.di spricht bereits von der Schaffung einer "zusätzlichen Senderebene" - und genau das soll die neue ARD-Anstalt ja vermutlich nicht sein. Es muss vielmehr das Ziel sein, Aufgaben zu zentralisieren - und nicht noch eine weitere Stelle zu schaffen, die sich parallel zu den bestehenden um die genannten Dinge kümmert. Einige Personen aus den Landesrundfunkanstalten könnten dann sicherlich in die neue ARD-Anstalt wechseln, aber nicht alle. Durch die Vorschläge ließen sich vor allem die angebotsfernen Bereiche "effizienter organisieren", schreibt der Zukunftsrat. Fair und transparent wäre es, hätte man hinzugefügt: Das wird Arbeitsplätze kosten und das wollen wir auch so.
Versachlichung der aufgeheizten Debatte
In jedem Fall trägt der Zukunftsrat mit seinen Vorschlägen jetzt zur Versachlichung einer Debatte bei, die in der jüngeren Vergangenheit drohte, im Populismusgeheul Einzelner unterzugehen. ARD und ZDF fusionieren? Die ARD nur noch für regionale Berichterstattung nutzen? Nicht mit dem Zukunftsrat, der sich ganz klar gegen diese beiden Vorschläge stellt. Auch einzelne ARD-Landesrundfunkanstalten sollen nicht miteinander verschmolzen werden - man kann das Aufatmen bei Radio Bremen und dem Saarländischen Rundfunk förmlich hören. Obwohl man ja auch mal genau hinschauen könnte, ob es bei einer solchen Fusion wirklich zwangsläufig zu einer Verschlechterung der regionalen Berichterstattung kommen würde.
Auch beim Thema Gehälter nimmt der Zukunftsrat den Populisten den Wind aus den Segeln. Gute Köpfe könne man nur mit "soliden Gehältern" ansprechen und halten. Das Gremium kritisiert sogar ganz offen den "Gehaltspopulismus", den es in Teilen der Gesellschaft, aber auch immer wieder in der Politik in Bezug auf die Öffentlich-Rechtlichen gibt. Zusammen mit dem Vorschlag, dass es keine außergewöhnlich hohen Versorgungsansprüche für gut bezahlte Führungskräfte braucht, lässt sich einiges ableiten - sofern die Medienpolitik das will. Denn die Vorschläge des Zukunftsrats sind ja vor allem auch eins: unverbindlich. Was daraus wird, steht in den Sternen.
Mit Blick auf die künftige Finanzierung zeigt sich der Zukunftsrat ebenfalls konkret. So schlägt man nicht nur einen Umbau der KEF vor, sondern auch gleich eine Veränderung des gesamten Finanzierungssystems. Die KEF soll nach den Vorstellungen des Gremiums, dann mit neuen Kompetenzen ausgestattet, immer nachgelagert überprüfen, ob die Anstalten ihren Auftrag erfüllt haben. Hat eine Anstalt das nicht vollständig erreicht, droht eine Streichung von Geldern. Das wäre in der Tat ein Fortschritt im Vergleich zur bisherigen Kaffeesatzleserei im Vorfeld einer Beitragsperiode. Eine vom Zukunftsrat ebenfalls geforderte Indexierung des Beitrags würde außerdem dazu führen, dass die Debatte weniger von populistischen Zwischentönen dominiert würde.
Manch einer mag nun vielleicht kritisieren, dass auch nach der Vorlage des Berichts des Zukunftsrats unklar ist, welche Auswirkungen die Vorschläge auf die künftige Höhe des Rundfunkbeitrags haben. Aber davon war ohnehin nicht auszugehen, weil die Mitglieder des Gremiums hier überhaupt keine Einblicke haben. Dass sie an einigen wichtigen Stellen dennoch so vage geblieben sind, überrascht schon eher. In jedem Fall hat der Zukunftsrat in Summe konstruktive Vorschläge vorgelegt, die eine Wohltat sind in einer Debatte, in der eben doch oft das laute Argument mehr zu zählen scheint als eine ernsthafte Auseinandersetzung. Eines aber ist klar: Vorbei ist die Diskussion um die Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen damit nicht. Sie geht gerade erst los.