Schon vor vielen Monaten, im April dieses Jahres, hat der Evangelische Pressedienst eine Umfrage in den Staatskanzleien der Republik gemacht. Das Ergebnis: 6 von 16 Bundesländern lehnen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags ab. Damals war die Finanzbedarfsanmeldung der Öffentlich-Rechtlichen noch nicht einmal bei der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) eingegangen. Ablehnend zeigten sich Brandenburg, Sachsen-Anhalt, NRW, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Wenig später kam noch Berlin hinzu.
Insgesamt sieben Bundesländer lehnen eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags also ab, obwohl die KEF noch nicht einmal eine Empfehlung für eine mögliche Anpassung ausgesprochen hat. Zuletzt wurde allerdings ein Entwurf der Kommission öffentlich, aus dem hervorgeht, dass der Rundfunkbeitrag ab 2025 um 58 Cent auf 18,94 Euro steigen könnte. Prompt kam erneut Ablehnung unter anderem aus Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Aus Bayern meldete sich sogar Ministerpräsident Markus Söder zu Wort und erklärte, er wolle keine höheren "GEZ-Gebühren".
Medienpolitiker unter anderem von CDU und SPD erläuterten in "SZ" und "FAZ" ihre Sichtweise auf die aktuelle Situation und weshalb sie eine Erhöhung ablehnen. Das sorgte für einprägsame Sätze und knackige Texte. Einige nicht ganz unerhebliche Fragen mussten die Politiker dabei aber nicht beantworten. DWDL.de hat daher in den sechs Staatskanzleien nachgefragt, die schon im April eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags ablehnten. Wir wollten wissen: Worin sehen Sie eine mögliche Ausnahmesituation, die laut Bundesverfassungsgericht vorliegen muss, um eine Erhöhung trotz KEF-Empfehlung abzulehnen? Und herrscht Einigkeit dazu unter den Ländern? Auch das ist eine Voraussetzung. Begehen Sie einen kalkulierten Verfassungsbruch, sollten Sie einer Erhöhung nicht zustimmen, wenn die KEF eine solche empfohlen hat? Und welche Fehler hat eigentlich die Medienpolitik in Bezug auf den gesamten Prozess der Beitragsfestsetzung gemacht?
KEF-Verfahren schon früh unterlaufen
Die Staatskanzlei in Mecklenburg-Vorpommern bittet freundlich um Verständnis, dass man sich aufgrund des laufenden Anhörungsverfahrens nicht äußern will. Auch Niedersachsen will keine Stellungnahme abgeben und verweist auf den laufenden Prozess, es schwingt ein wenig Unverständnis ob der Anfrage mit. Und aus Bayern heißt es: Es bleibt bei dem, was Markus Söder gesagt hat, darüber hinaus wird man sich nicht äußern.
Sich nicht zu äußern und auf laufende Prozesse zu verweisen, ist ein bekanntes Mittel, um sich erst einmal aus der Verantwortung zu stehlen. In seltenen Fällen macht das Sinn, hier zeigt es lediglich, wie sehr sich die Politik von staatsvertraglich festgelegten Verfahren entfernt hat. Es ist richtig, dass das KEF-Verfahren noch läuft und neben den Ländern auch noch die Sender selbst angehört werden. Aber es waren doch eben die Politiker, die sich schon vor Monaten in der Sache äußerten und keinen Raum für Interpretationen ließen. Sie haben eben nicht das Verfahren abgewartet und sich dann geäußert, sondern ihr Abstimmungsverhalten schon festgelegt, bevor das Verfahren überhaupt richtig angelaufen war. Sie sind vorgeprescht und ziehen sich auf Allgemeinplätze zurück, sobald kritische Fragen kommen.
Aus der Staatskanzlei in Brandenburg kommt eine Antwort, dabei geht man allerdings nicht auf die Fragen von DWDL.de ein. So heißt es unter anderem, dass der Standpunkt von Ministerpräsident Dietmar Woidke bekannt sei und daran habe sich nichts geändert. "Im Dezember wird eine Anhörung der Länder zum Berichtsentwurf stattfinden. Alles Weitere wird zunächst im Rahmen der Rundfunkkommission erörtert. Dieser Prozess ist abzuwarten." Darüber hinaus verweist ein Sprecher noch auf den von den Ländern eingerichteten Zukunftsrat, der "alsbald Empfehlungen" zur Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen vorlegen soll.
NRW-Medienminister Nathanael Liminski erklärt gegenüber DWDL.de, dass er stets gesagt habe, sich für einen stabilen Rundfunkbeitrag einzusetzen. Er setze sich dementsprechend für Reformen ein, die zur Stabilisierung des Beitrags führen. Liminski lehnt eine Zustimmung zu einer möglichen Erhöhung nicht kategorisch ab, antwortet aber ebenfalls nur ausweichend auf die sehr konkret gestellten Fragen. Die Anmeldung der Sender und die Prüfung durch die KEF seien die Momente im Verfahren, in denen maßgeblich über die Höhe des künftigen Beitrags entschieden werde. Auf dieser Grundlage treffe die Politik die Letztentscheidung. "Für Letzteres hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach einen sehr engen Entscheidungskorridor vorgezeichnet", so Liminski. Es brauche auch in Zukunft einen starken, funktionsfähigen und in der Gesellschaft fest und tief verankerten öffentlich-rechtlichen Rundfunk, so der NRW-Medienminister, der dann auch die Senderverantwortlichen in die Pflicht nimmt. "Ich gehe davon aus, dass sich alle Beteiligten in diesem Prozess – und das schließt neben der Politik und der KEF explizit auch die Führungen der Sender ein – der Verantwortung bewusst sind, die sie tragen."
Egal was kommt - die Ablehnung ist fix
Die ausführlichste Antwort kommt aus Sachsen-Anhalt. Also aus dem Bundesland, das bereits vor einigen Jahren einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags nicht zustimmte und dem dann vom Bundesverfassungsgericht ein Verfassungsbruch attestiert wurde. Eine Sprecherin der Landesregierung verweist zunächst auch auf den noch bevorstehenden KEF-Prozess, aber sie geht noch darüber hinaus. So kommt aus Sachsen-Anhalt die Forderung, dass die Rundfunkanstalten die finanziellen Auswirkungen ihrer nach der Anmeldung des Finanzbedarfs angekündigten Reformen beziffern müssten. Einsparungen seien notwendig und es müsse erkennbar sein, wo Mehrfachstrukturen abgebaut werden und welche Synergieeffekte durch verstärkte Zusammenarbeit entstünden. Ohne das werde sich eine "Befassung der Landesparlamente kaum begründen lassen".
Und auch aus Sachsen-Anhalt kommt ein Hinweis auf den Zukunftsrat, dessen Empfehlungen man erwartet - auch im Hinblick auf die Frage, welche Angebote künftig benötigt werden und wie Strukturen generell wirtschaftlicher aufgestellt werden können. "Darüber hinaus erwartet Sachsen-Anhalt, dass auch geprüft wird, welche wirtschaftlichen Belastungen sich aus der aktuellen Krise des Bundeshaushalts für Beitragspflichtige ergeben und ob diese eine Abweichung von einer abschließenden Empfehlung der KEF rechtfertigen", so die Sprecherin. Es ist die einzige Aussage zu einer möglichen Ausnahmesituation, die man vor dem Bundesverfassungsgericht vorbringen könnte.
Ob die Empfehlungen des Zukunftsrats überhaupt noch mit einfließen werden in die KEF-Überlegungen, darf wohl angezweifelt werden. Das Verfahren ist schließlich schon recht weit fortgeschritten. Aber mal angenommen, alle Forderungen aus Sachsen-Anhalt werden erfüllt und auch von der KEF berücksichtigt, die dann aber dennoch zu der Entscheidung kommt, dass ein höherer Rundfunkbeitrag gerechtfertigt ist. Was passiert dann? "Wenn es im Ergebnis der bevorstehenden Prozesse dennoch bei einer Empfehlung zur Beitragserhöhung bleiben sollte, sei - wie seit langem bekannt - mit einer Zustimmung aus Sachsen-Anhalt nicht zu rechnen", so die Sprecherin der Landesregierung.
Sparen: Manchmal sagt die Politik auch nein
Es ist ein angekündigter Verfassungsbruch, den man so nicht benennen will. Aber das Bundesverfassungsgericht war in seinen Entscheidungen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk zuletzt sehr klar. Dass die Medienpolitik das einfach ignoriert und sich nicht einmal die Mühe macht, ihre Sichtweise unter Einbeziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu erklären, sagt mehr über die Politik aus als über einen möglicherweise überdimensionierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Klar ist: Auch die Öffentlich-Rechtlichen stehen in der Verantwortung und müssen sparen. Bereits angekündigte Maßnahmen kommen teilweise zu spät und werden zu langsam umgesetzt. Aber es ist eben auch ziemlich oft die Politik, die Veränderungen verhindert. Als SWR-Intendant Kai Gniffke vor fast drei Jahren eine weitgehende Zusammenarbeit mit dem Saarländischen Rundfunk vorschlug, ohne dessen Programmautonomie in Frage zu stellen, hagelte es Kritik - allen voran aus der saarländischen Politik. Ein ARD-interner Vorstoß zu einem möglichen Aus von One wurde vor einigen Jahren von der Landesregierung in NRW abgekanzelt. Der neue RBB-Staatsvertrag wird den Sender nicht gerade flexibler machen und auch das Bundeskartellamt hat mal unter großem Aufsehen die Zusammenarbeit von ARD und ZDF bei einer gemeinsamen Streaming-Plattform verhindert. Wenn die Politik also nun mit dem Finger einfach immer nur auf vermeintlich untätige Sender zeigt, dann macht sie es sich damit viel zu einfach.