Selten sind die Fragen schwer, die die Privatsender ihrem Publikum stellen, bevor sie mit ihren Unterhaltungsshows in die Werbepausen überleiten. Das ist vermutlich auch der Hauptgrund dafür, weshalb derartige Telefongewinnspiele für ihre Betreiber auch heute noch lukrativ sein dürften. Sie sind damit gewissermaßen eines der letzten Überbleibsel aus einer Zeit, in der der Call-in-Sender 9Live mit seinen nicht enden wollenden Hot-Button-Runden regelmäßig die Medienhüter auf den Plan rief.
Ganz so nervig wie seinerzeit 9Live, sind die kurzen Gewinnspiel-Fragen, wie sie nach wie vor in verschiedenen Formaten zum Einsatz kommen, freilich nicht. Sie sind allerdings immer dann besonders ärgerlich, wenn sie erkennbar den Fluss der Show stören - etwa, weil der Moderator bei der Ansage des Gewinnspiels plötzlich an einer ganz anderen Stelle im Studio steht als noch wenige Sekunden zuvor oder die Quizfrage völlig unvermittelt ins Geschehen platzt. Solch ungelenke Schnittkunst führt dann dazu, dass die Übergange in die Werbung oft wie eine televisionäre Blutgrätsche daherkommen.
Wie schön, dass es noch Ausnahmen gibt: Seit drei Wochen stellt ProSieben mit "Wer stiehlt mir die Show?" wieder regelmäßig unter Beweis, mit wie viel Hingabe sich der Gang in die Werbung gestalten lässt - selbst wenn es sich um eine Aufzeichnung handelt.
"Trifft er neben den hohen Tönen auch endlich die richtigen Antworten?", fragte die prägende Stimme von Rainer Gerlach etwa in der vergangenen Woche aus dem Off, als er einmal mehr den Spielverlauf zusammenfasste - untermalt von wunderbarer Live-Musik der Studio-Band. Es ist nur ein sehr kleines Element, aber ein äußerst wirksames, zeigt es doch, dass selbst in einem verbindenden Element zwischen Show und Werbung viel Liebe zum Detail stecken kann. Die gut geschriebenen und noch viel besser vorgetragenen Texte, wie sie allwöchentlich in der Show mit Joko Winterscheidt zum Einsatz kommen, sind ein wohltuender Gegensatz zu vielen Formaten, in denen Gewinnspiele oder Werbeblöcke das Publikum abrupt aus der Handlung reißen und so zum echten Stimmungskiller avancieren.
Die Pausen-Ansagen von "Wer stiehlt mir die Show?" reihen sich freilich ein in die lange Riege kreativer Leistungen, die auch in der sechsten Staffel unverändert bemerkenswert ist. Wie wunderbar komisch ist es, wenn Florian David Fitz plötzlich seine Antworten mit überdimensionierten Bleistiften zu Papier bringen muss? Und wie herrlich skurril, eine Quizrunde komplett im Dunkeln zu spielen? Schön auch die fast schon kindliche Freude, die Joko Winterscheidt an den Tag legte, als er dem Publikum jüngst offenbarte, dass der Sendersuchlauf in einem überdimensionierten Radiogerät, das vom Ausstattungs-Team für ein Musikspiel gebaut wurde, in Wirklichkeit durch eine kleine Spielzeugeisenbahn betrieben wurde.
Es sind Kleinigkeiten wie diese, die "Wer stiehlt mir die Show?" so großartig machen. Ganz zu schweigen von den immer aufwendigeren Filmen, die die Crew von Florida Entertainment mit den Ausgeschiedenen dreht. War es anfangs noch ein harmloser Gang durch den Regen, so hat sich das Team nach den fantastischen Dschungelcamp-Ausflügen im Frühjahr und den absurden TV-Schnipseln, wie sie aktuell zum Einsatz kommen, endgültig die Krone aufgesetzt. Wenn sich Hazel Brugger plötzlich im "Hart aber fair"-Studio wiederfindet, um sich von Talkmoderator Louis Klamroth als "alarmierend dumm" bezeichnen zu lassen, weil diese "polemisch" für ein Pokémon hält, dann ist das nicht nur überraschend, sondern vor allem sehr, sehr lustig.
Da verzeiht man als Zuschauer auch so manche leicht anstrengende Kumpelei, die sich Winterscheidt, Florian David Fitz und Matthias Schweighöfer in der laufenden Staffel nicht verkneifen können. Oder die Tatsache, dass die neuen Folgen vor der Ausstrahlung erkennbar etwas zu lange herumlagen, wie eine vorm Studio eingesammelte Kirschblüte in der dritten Folge unter Beweis stellte. Und dass Winterscheidt in der vergangenen Woche mit dem früheren Show-Kandidaten Riccardo Simonetti über dessen Podcast mit Anke Engelke sprach und eine Einblendung auf ihr inzwischen eingestelltes Spotify-Projekt hinwies, war dann doch kurios - zumal wenige Tage vor der Ausstrahlung auch noch ihr Wechsel zum Konkurrenten Wondery bekannt wurde.
Doch das kann die Freude über "Wer stiehlt mir die Show?" kaum trüben. Und so kann man nur hoffen, dass dem Team niemals die Kreativität ausgehen wird. Denn wo sonst freut man sich wie hier selbst über die Hinleitung zur Werbepause?
Die nächste Ausgabe von "Wer stiehlt mir die Show?" läuft am 3. Dezember um 20:15 Uhr bei ProSieben