Die Frage, wer sich diesen "Mist ausgedacht" hat, wird in der neuen Joyn-Reality-Show "Good Luck Guys" sehr früh gestellt. Die konkrete Antwort ist: Die Banijay-Tochter Good Times. Will man genereller werden, muss man in der Fernsehhistorie aber ein gutes Stück zurückgehen. Denn schon vor weit mehr als zwei Jahrzehnten flimmerte "Survivor" über amerikanische Bildschirme. Jenes ikonische TV-Realityformat, das nie erfolgreiche deutsche Ableger fand, lief im Mai 2000 zum allerersten Mal in den Staaten. In Deutschland zogen damals Sat.1 und RTLzwei rasch nach – im Juli 2000 lief erstmals "Das Inselduell" in Sat.1, nur Wochen später startete RTLzwei die "Expedition Robinson". Nun setzt auch Joyn Personen am Strand aus.

Das Konzept damals wie heute: Bringe Personen aus dem deutschen Lebensalltag in die Wildnis. Im Falle von "Good Luck Guys" ist das der "Lost Beach". "Wie in der Steinzeit" sei es da, wird direkt zu Beginn der neuen Joyn-Show empört erklärt. Aufklärungen über gefährliche Tiere da am "Lost Beach" lassen zudem nicht lange warten. Es soll kein Zweifel bestehen. In "Good Luck Guys" geht es wirklich raus aus jeglicher Zivilisation und ums pure Überleben. So wie eben Anfang der 2000er.



Anders als damals ist der Cast diesmal aber TV-erfahren. Mit dabei ist etwa Yasin, der schon in mehreren Kuppelformaten am Start war, unter anderem in "Ex on the Beach". Er ist in einem Team mit "flirty Melissa", einer Reality-Persönlichkeit, die mit hochgebundenen Schuhen in die Wildnis stöckelt und von sich selbst sagt, sie ist "die kleine blonde Frau mit großen Brüsten". Yasin zumindest freut's: Seine Teamkameradin hat ein "geiles Outfit". Ein Wiedersehen gibt es unter anderem auch mit Zoe, die dem ein oder anderen noch als ein bisschen launisch in "GNTM" in Erinnerung geblieben sein dürfte.

Good Luck Guys © Joyn / Richard Huebner Auf der Suche nach Innovation: Aurelia Lamprecht (3.v.l.) Michelle Daniaux (rechts) zusammen mit Michael Schüler und Dominik Brcic.


Am "Lost Beach" müssen in "Good Luck Guys", einem Titel, der erstaunlich wenig über das eigentliche Spiel aussagt, also zehn "VIPs" durchhalten. In "Pearl Games" können sie um Perlen spielen und in der Muschel-Zeremonie nominieren sie sich gegenseitig. So weit, so bekannt. Neue Impulse für das Reality-Genre werden in "Good Luck Guys" entsprechend vergeblich gesucht. Solche zu erschaffen, dürfte schlicht aber auch nicht auf Aufgabe der beauftragten Firma Good Times gewesen sein. 

Um als Streamer mehr in der Mitte des TV-Mainstreams anzukommen, musste Joyn gegenüber RTL+ aufholen – und nicht zuletzt soll das mit dem Boom-Genre Reality gelingen. Das schräge und zu feucht-fröhliche "Party Workers" war da ein Anfang, in den verbleibenden Wochen dieses Jahres folgen noch ein großer "Promi Big Brother"-Aufschlag und die deutsche Version von "Forsthaus Rampensau".

Kommentiert und eingeordnet werden alle Szenen sowohl von einem Off-Sprecher als auch von den Teilnehmenden selbst. Leider hat es die Produktion für eine gute Idee gehalten, diese Kommentare vor einem Green Screen aufzunehmen, was dazu führt, dass eine Distanz zum Geschehen deutlich spürbar ist und der Look zudem billig wirkt. Vor-Ort-Interviews hätten sich klar besser ins Format eingefügt. Dass zudem die Spiele, die es auch an diesem exotischen Fleckchen Erde gibt, sehr üppig Sendezeit einnahmen, trägt nicht dazu bei, dass sich "GLG" allzu deutlich von anderen Reality-Formaten abhebt.

 

Im Vergleich mit den anderen, inflationär auf den Streamingmarkt geworfenen Reality-Formaten im deutschen Fernsehen macht "Good Luck Guys" zwar wenig falsch. Es ist aber auch nicht der große Aufschlag, der reele Chancen hat, zum Talk of the Town zu werden. Wem 'more of the same' reicht, dem wird mit "Good Luck Guys" nicht weh getan. Für alle anderen gilt: Sowohl optisch als auch inhaltlich waren die jüngste Vox-Version von "Survivor" und zudem auch das uralte Sat.1-"Inselduell" attraktiver. Die 2000er grüßen.

Joyn zeigt "Good Luck Guys" ab dem 9. November. Im Free-TV ist das Format ab dem 23. November am späteren Abend bei ProSieben zu sehen.