Achtung, Spoiler: Dieser Text beinhaltet Details zu Folge 1 von "Die Verräter", verrät aber weder die Namen der Verräter noch derjenigen, die schon in Folge 1 ausscheiden.
In vielen Teilen der Welt ist "The Traitors" bereits ein Hit gewesen, ursprünglich stammt das Format mit dem Originaltitel "De Verraders" aus den Niederlanden. Und auch bei RTL legt man in die deutsche Version mit dem Titel "Die Verräter - Vertraue Niemandem!" große Hoffnungen. Es ist eine Show, in der sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer belauern und versuchen, die Verräter zu überführen - ohne zu wissen, wer diese sind. Und ähnlich wie in anderen Teilen der Welt geht dieses Konzept auch in Deutschland wunderbar auf.
Anders als zum Beispiel in Großbritannien, wo "The Traitors" bei der BBC zu sehen war, setzt RTL auf Promis. Da fällt die Möglichkeit, bei der Vorstellung und dem Lebenslauf ein wenig zu schwindeln, weg. Bei den meisten Kandidatinnen und Kandidaten ist schließlich bekannt, was sie im Brotberuf machen. Das hält RTL dennoch nicht davon ab, die einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu Beginn der ersten Folge noch einmal vorzustellen, was zu einem etwas langatmigen Start in das Format führt. Und um es auch wirklich allen Zuschauerinnen und Zuschauern deutlich zu machen, dass man Promis für das Format engagiert hat, steht im kurzen Intro noch, woher man die Promis kennen könnte ("Erste Princess Charming", "GZSZ-Legende").
Wenn man diese mühsame Vorstellungsrunde erst einmal überstanden hat, wird man aber schnell belohnt. Aus den 16 Promis sucht Moderatorin Sonja Zietlow eben jene drei Verräter aus, die in der Folge die anderen, die sogenannten Loyalen, Nacht für Nacht ermorden müssen. Dafür haben die Loyalen jeden Abend die Möglichkeit, einen Mitspieler rauszuschmeißen - und wählen dabei aus ihrer Sicht hoffentlich einen Verräter, denn nur wenn alle Verräter ausgeschaltet wurden, gibt es am Ende für einen Loyalen das Preisgeld.
Und schon nachdem Sonja Zietlow die Verräter ausgewählt hat und alle Promis ihre Masken abnehmen, geht das fröhliche Verdächtigen los. Friedrich Liechtenstein meint, er habe gehört, wie sein Sitznachbar Vincent Gross von Sonja Zietlow berührt wurde. Sabrina Setlur verdächtig Shermine Shahrivar, "Princess Charming" Irina Schlauch weist auf den angeblich hochroten Kopf von Pascal Hens hin und der Ex-Handballer meint, verdächtige Bewegungen bei Anna-Carina Woitschack erkannt zu haben. Und so steht ab diesem Zeitpunkt jeder der Promis im Scheinwerferlicht, alle Aussagen und Bewegungen können als Anzeichen bewertet werden, dass man ein Verräter ist.
Promis im Cast? Es ist egal
Und auch wenn es im Vorfeld der deutschen Version Kritik daran gegeben hatte, dass RTL mal wieder auf Promis setzt, muss man festhalten: In diesem Fall ist das egal. Es hilft dem Spiel zwar nicht, schadet aber auch nicht. Bemerkenswert ist der Cast trotzdem: Mit Schauspielerinnen und Schauspielern wie ChrisTine Urspruch, Florian Fitz und Claude-Oliver Rudolph schielt man definitiv auch auf ein etwas älteres Publikum, das normalerweise bei den Öffentlich-Rechtlichen zu Hause ist. Mit dabei sind unter anderem auch Ulrike von der Groeben, Sebastian Klussmann und Jalil. Es ist also ein Cast, den man so zusammen nicht erwarten konnte - vor allem nicht bei RTL.
Ein wesentlicher Vorteil der Show ist der, dass man, anders als ProSieben bei "The Masked Singer", keine relevanten Spoiler durch die Presse fürchten muss. Die Zuschauerinnen und Zuschauer wissen, wer die Verräter sind - und auch untereinander lernen sie sich schnell kennen. Nur die Loyalen tappen im Dunkeln und verdächtigen sich schnell gegenseitig, sodass man vor dem Fernseher mitleidet mit denen, die verdächtigt werden, sich aber kaum effektiv selbst verteidigen können. Machen sie es doch, werden sie unter Umständen noch verdächtiger für den Rest der teilnehmenden Promis.
Unheimliche Gruppendynamik
Weil in verschiedenen Spielen alle Kandidatinnen und Kandidaten zusammenarbeiten müssen, um einen Silberschatz (wieso eigentlich nicht Gold?) im Wert von bis zu 50.000 Euro zu sichern, können sich die Verräter hier in der Regel auch nicht verdächtig machen. Das kann dazu führen, dass die Loyalen völlig im Dunkeln tappen - und die Verräter entsprechend sicher sind. So war es zumindest lange bei "The Traitors" in Großbritannien, wo die Loyalen oft völlig willkürlich entschieden haben, wer die Show verlassen muss.
In Deutschland ist das etwas anders, denn zumindest zwei von drei Verrätern geben sich direkt in Folge eins recht offensiv, sodass sie schnell zum Ziel von Spekulationen werden. Und den Verantwortlichen bei Tower Productions dürfte während den Dreharbeiten wohl schnell das Herz in die Hose gerutscht sein, als Pascal Hens noch zu Beginn alle drei Verräter als eben solche identifizierte. Das kann Zufall sein oder aber ein Hinweis darauf, dass die von Zietlow ausgewählten Verräter zu Beginn einen eher schlechten Job machen. Nun liegt der Charme der Show aber auch darin, dass plötzlich auch andere Kandidaten ins Kreuzfeuer geraten können. Schon in Folge eins sieht man jedenfalls sehr gut, wie schnell eine Gruppendynamik entsteht, weil alle ihre eigene Haut retten wollen.
"Das ist ja wie aus einer Glaskugel zu lesen", sagt Claude-Oliver Rudolph irgendwann, als er sagen soll, wen er verdächtigt. RTL und Tower haben hier eine gute Balance gefunden zwischen Gesprächen und Spekulationen, die zwischen den Promis stattfinden, und Spielen sowie den Votings. Trotz der Brutto-Laufzeit von etwas mehr als zwei Stunden wirkt die Show damit nicht zu lang. Im Gegenteil: Die Sendung nimmt schnell Fahrt auf und der Spannungsbogen wird schön über die gesamte Folge hinweg aufgebaut - das Highlight ist die offene Aussprache der Promis am runden Tisch und der jeweilige Rauswurf eines Mitspielers. Wen die Verräter im Anschluss in der Nacht ermordet haben, erfahren die anderen Promis immer erst am nächsten Morgen beim Frühstück - was entsprechend für neuen Gesprächsstoff sorgt.
Sonja Zietlow ist ein Glücksfall
Wie auf den Leib geschneidert ist "Die Verräter" im Übrigen für Sonja Zietlow. Die zieht ihre Augenbraue schon bei der ersten Begrüßung der Zuschauerinnen und Zuschauer nach oben und da wissen alle: Sie ist die richtige für den Job. Zietlow führt ruhig und bestimmt durch die Sendung und wirkt dabei stets unantastbar. Sie schwebt über den Dingen und verkörpert das Mystische, das die Show in Teilen umgibt, ganz wunderbar. Dass die Moderatorin mit einem Haufen Prominenter gut kann, mag keine große Überraschung sein. Und dennoch ist es schön zu sehen, dass sie hier etwas ernster auftreten kann als beispielsweise im Dschungel - und einen ebenso guten Job macht.
Tower und RTL haben sich bei der Umsetzung von "Die Verräter" sehr an den internationalen Vorbildern orientiert - und das zahlt sich voll aus. Die Spannung ist sofort da, nachdem die Verräter feststehen - und im weiteren Verlauf der Sendung dürfte es noch zu zahlreichen falschen Verdächtigungen und möglicherweise auch Überraschungen kommen. Das als Außenstehender zu beobachten, macht eine Menge Spaß. Nimmt man alles zusammen, ist "Die Verräter" eher eine Game- als denn eine Reality-Show. Vergleichbare Formate hatten in den vergangenen Jahren in Deutschland einen schweren Stand. Im Falle dieser Sendung wäre allen Beteiligten ein Erfolg zu wünschen.
Die ersten beiden Ausgaben von "Die Verräter - Vertraue Niemandem!" stehen ab sofort bei RTL+ zum Abruf bereit. Die lineare Ausstrahlung erfolgt ab dem 20. September, dann ist bei RTL wöchentlich eine Folge mittwochs um 20:15 Uhr zu sehen.