Man fühlt sich zeitweise ins Mittelalter zurückversetzt, so kurios wirken die Szenen, die ProSieben an diesem Abend zeigt. Da stehen junge Menschen irgendwo in Kroatien inmitten plumper Pappkulissen und werden von der eigenen Familie und ihren Freunden wie im Kuhhandel angepriesen, ehe diese sich sicherheitshalber selbst noch einmal einen Überblick verschaffen über das Angebot an Singles. Irgendwie muss es doch mit der Liebe klappen – und sei es auf dem "Heiratsmarkt" von ProSieben. Frei nach dem Motto: Jetzt verliebt euch doch endlich!

Als "das wohl spannendste Experiment in der Geschichte des Datings" preist der Sprecher das neue Format an, in dem die Verwandten die Beziehungsprobleme des Nachwuchses selbst in die Hand nehmen. Ein Novum ist "Der Heiratsmarkt" durchaus, denn als erster Sender weltweit zeigt ProSieben die neue Show, die nicht nur in Zusammenarbeit mit den Konzeptentwicklern von FOX entsteht, sondern auch gleich von dem US-Studio bezahlt wird, das sich durch die Kooperation offensichtlich Erkenntnisse darüber erhofft, ob das Format wirklich so gut ist wie es die Stimme aus dem Off dem Publikum weismachen will.

Nach der ersten Folge lässt sich allerdings mit einiger Sicherheit festhalten, dass das anfängliche Versprechen eher nicht eingelöst wird. Das Dilemma: Zwar will die Produktion der ProSiebenSat.1-Tochter Cheerio Entertainment das Genre neu erfinden, verfällt dann aber leider doch viel zu oft in bekannte Muster zurück, die man noch dazu anderswo schon weit unterhaltsamer gesehen hat.

Der Heiratsmarkt © ProSieben / Richard Hübner Zwei-Meter-Mann Roman (35, Köln) hofft auf das glückliche Händchen von Papa Peter (75) und Freund Sönke (33).

Tatsächlich entwickelt der "Heiratsmarkt" - unauffällig moderiert von Annemarie Carpendale - anfangs zumindest stellenweise einen gewissen Charme, wenn Oma und Mama zusammen nach der großen Liebe für ihre Tochter Jenny Ausschau halten oder sich Papa Alex nach der zusammen mit Patenonkel Ali absolvierten Partnersuche für seine Tochter Juliette glücklich auf die Schulter klopft, während diese ungleich kühler reagiert. "Ich bin überhaupt nicht zufrieden mit ihrer Wahl." Doch gerade Reaktionen wie Letztere lassen das "Heiratsmarkt"-Konzept schnell an seine Grenzen stoßen, zumal ist die Wahl erst der Anfang – und das Zusammenleben unter einem Dach erst noch folgt.

Was jedoch passiert, wenn die gematchten Singles einfach nicht zusammenpassen, lässt sich direkt beim ersten Aufeinandertreffen von besagter Jenny mit Jay Jay, ihrem Reality-erprobten Ehemann in spé, erkennen. Zu sagen haben sich die beiden nicht viel, weshalb die Szenen fürs Publikum, freundlich formuliert, ausgesprochen langweilig sind. Weil die Formatentwickler ein solches Szenario womöglich schon erwartet haben, folgt schließlich eine Art Poolparty, bei der noch einmal alle zusammengewürfelten Paare aufeinandertreffen. Die bringt zwar die erhofft eifersüchtigen Blicke und etwas Beef, wirkt jedoch, als habe der verantwortliche Redakteur bei "Temptation Island" eine Notbremsung eingelegt.

Schon zuvor tut sich der Neustart erkennbar schwer, die TV-Kuppelei in Schwung zu bringen. Hier eine Yoga-Stunde, dort ein Schlauchboot-Wettrennen, um das Kennenlernen zu erleichtern – viel kreativer geht’s nicht zu beim "Heiratsmarkt" von ProSieben.

In ihrem besten Moment entwickelt die Show allerdings erstaunlich viel Tiefgang: Als ein Kandidat seiner Auserwählten offenbart, keine Kinder kriegen zu können, wird es plötzlich für alle Beteiligten ziemlich emotional. Für einige Augenblicke ist "Der Heiratsmarkt" frei von all den Oberflächlichkeiten, die zuvor in den Mittelpunkt gestellt wurden, ehe sofort wieder in den "Business as usual"-Modus geschaltet wird. Einmal noch dürfen Mama und Freundin ins Taschentuch schniefen, dann ist - Schnitt - schon wieder gute Laune angesagt.

Sicher, die neue ProSieben-Show beschert einem in weiten Teilen auserzählten Genre abermals einen neuen Dreh. Eine Revolution ist "Der Heiratsmarkt" gleichwohl nicht. Das hat im Übrigen auch Kandidat Jay-Jay erkannt. "Egal, was ich tue: Ich bin gefangen", sagt er in der Premieren-Folge, als auch dem Letzten dämmert, dass aus ihm und der ihm zugeteilten Jenny ganz sicher kein Paar werden wird. Und: "Man kann nichts herbeizwingen." Wie recht er doch hat. ProSieben wird es trotzdem noch fünf weitere Wochen lang versuchen.

"Der Heiratsmarkt", donnerstags um 20:15 Uhr bei ProSieben