"Ehepaar glücklich: Streit um Fernbedienung beendet": Mit Schlagzeilen wie dieser warb Sat.1 im Frühjahr großflächig in ganz Deutschland für "Volles Haus!" und war sich nicht einmal zu schade dafür, mit Blick auf seinen Neustart am Nachmittag, wenn auch augenzwinkernd, von einer "Weltsensation" zu sprechen. Tatsächlich wurde schon an den ersten Sendetagen klar, weshalb es einen guten Grund dafür gibt, warum sich noch niemand zuvor an einer "Live-VIP-News-Talk-Koch-Styling-Quiz-Stars-Tipps-Show" – ja, auch so wurde "Volles Haus!" vom Sender bezeichnet – versucht hat.
So ambitioniert die Pläne, den Nachmittag und Vorabend mit einer Art Alles-kann-nix-muss-Konzept neu zu denken, auch gewesen sein mag, so sehr sendete Sat.1 seit der Premiere Ende Februar an seinem Publikum vorbei. Auch nach fast 100 Folgen gelten Tage, an denen "Volles Haus!" einen Marktanteil von mehr als vier Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen verzeichnet, schon als Erfolg – im Schnitt wurden bislang nicht einmal drei Prozent erzielt. Nachvollziehbar also, dass der Privatsender erst die Sendezeit kürzte und schließlich sogar eilig die hauseigene Produktionsfirma Flate White Productions austauschte, um zu retten, was wahrscheinlich, wenn überhaupt, nur noch mit allergrößte Mühe zu retten ist.
Seit vorigem Montag hat nun also Redseven Entertainment den Produktion-Hut auf. Es ist eher noch eine Untertreibung, wenn man die Aufgabe als das größte Himmelfahrtskommando bezeichnet, das das deutsche Fernsehen aktuell zu bieten hat. Da ist es nachvollziehbar, dass Sat.1 die Erwartungen nach zweiwöchiger Live-Pause nicht sonderlich hoch hängen wollte. Die Sendung sei nun "wieder live - und dadurch mit mehr tagesaktuellen Inhalten", ließ ProSieben-Sprecher Christoph Körfer im Vorfeld ausrichten, ohne ins Detail zu gehen.
Was also hat sich seither getan? Auf den ersten Blick gar nicht so viel. Das Logo ist ein anderes und noch immer füllt Sat.1 die erste halbe Stunde mit einer vorproduzierten Lebensretter-Doku, die quasi aus dem Nichts beginnt. Das eigentliche "volle Haus" öffnet weiterhin erst um 16:30 Uhr seine Pforten – und schließt schon um 17:30 Uhr, weil dann entweder die Regionalmagazine oder eine Hunde-Dokusoap mit Jochen Bendel laufen. Nur für eine kurze Verabschiedung gegen 18 Uhr melden sich die Moderatoren noch einmal wieder, ehe TV-Anwalt Ingo Lenßen übernimmt.
Erstmal klein anfangen
Eine Stunde Live-Programm in einem Format, das ursprünglich angetreten war, einen dreistündigen Programmblock zu füllen, mag angesichts der immensen Erwartungshaltung skurril erscheinen. Aber vermutlich ist das der einzig richtige Weg. Anstelle sich – anders als das vormals verantwortliche Flat White Productions – mit der XXL-Sendestrecke zu übernehmen, lautet die Devise der neuen Führung offensichtlich, lieber erstmal klein anzufangen. Und tatsächlich ist das, was seit Wochenbeginn zwischen 16:30 Uhr und 17:30 Uhr gezeigt wird, auch einigermaßen ansehnlich geworden, wenngleich die versprochene "Weltsensation" in denkbar weite Ferne gerückt ist.
Ganz konkret macht Sat.1 nun das, was man von Beginn an explizit nicht machen wollte: Ein ziemlich klassisches Live-Magazin, das mehr denn je an das "Frühstücksfernsehen" erinnert. Seit Montag prägen Service-Beiträge zur Frage, welchen Sonnenschutz man nehmen sollte oder was man bei einer sommerlichen Abkühlung zu beachten hat, Aktionen im Studio und Promi-Talks den Kern von "Volles Haus!", dazu einige wiederkehrende Rubriken, die so etwas wie Struktur in die Sendung bringen sollen. Lange Stücke oder gar den Dailytalk mit Britt Hagedorn sucht man vergebens. Stattdessen lässt Sat.1 endlich seine Moderatoren von der Leine und gibt ihnen erkennbar mehr Freiraum, den Madeleine Wehle und Chris Wackert in den ersten Tagen auch prompt zu nutzen wussten. Ganz besonders am vergangenen Freitag, als man sich eigens sogar einen "Fanclub" an den Esstisch holte, der artig Applaus spendete, als zwei Künstler um den Titel "Weekendstar" buhlten.
Nein, eine "Programm-Revolution", wie sie Sat.1-Chef Daniel Rosemann im vorigen Jahr versprach, ist dieses Format auch jetzt noch nicht. Aber erstmals entsteht der Eindruck, dass im "vollen Haus" allmählich die Räder ineinandergreifen. Wo bislang die Verunsicherung der Redaktion förmlich greifbar war, wirkt "Volles Haus!" neuerdings ab 16:30 Uhr für eine Stunde lang so, als hätte das Team endlich Spaß an der täglichen Produktion gefunden.
Darauf gilt es aufzubauen: Schritt für Schritt muss es nun darum gehen, die gesamte Sendestrecke mit Leben zu füllen – und sehr wahrscheinlich liegt der Schlüssel eher in einer Stärkung der Live-Elemente und weniger in beliebigen Dokusoaps oder gar im verzweifelten Versuch, einen Daily-Talk in das Konzept zu pressen. Mit noch mehr Spielflächen für die Moderatorinnen und Moderatoren, vielleicht aber auch einem früheren Starttermin, um einige heimatlose "Punkt 12"-Zuschauer abzugreifen, gibt es ganz sicher noch Stellschrauben, an denen sich in den nächsten Wochen und Monaten drehen lässt. Und warum eigentlich nicht noch mehr vom "Frühstücksfernsehen" lernen und etwa die neue Nachrichten-Marke "Newstime" durch regelmäßige Updates im "vollen Haus" stärken?
Ob die Notoperation noch etwas bewirken kann? Unklar, schließlich besteht die Gefahr, dass die Marke nach den Irrungen und Wirrungen der ersten Monate beim Publikum schon längst verbrannt ist. Vielleicht aber besteht doch noch die Chance, den Ehestreit um die Fernbedienung wirklich zu beenden, wie es die anfängliche Werbekampagne weismachen wollte. Die vergangene Woche macht zumindest aus inhaltlicher Sicht ein wenig Hoffnung.