Experten-Teams gibt es im deutschen Fernsehen bekanntlich für viele Bereiche. In Sat.1 etwa werden seit Jahren Menschen miteinander verheiratet, die sich eigentlich gar nicht kennen, von denen aber Fachleute glauben, dass sie aufgrund bestimmter Parameter gut zueinander passen können. Für alle, die das vor dem Fernseher anschauen, stellt sich natürlich immer die spannende Frage: Haben sie denn recht, diese Expertinnen und Experten oder krachen sämtliche theoretische Annahmen in Rekordgeschwindigkeit zusammen? So ist das auch beim neuen Vox-Primetime-Format "Job Switch – Zum Glück gekündigt", der deutschen Adaption einer belgischen Fernsehsendung. In dem Format schmeißen Menschen ihren aktuellen Job hin und wenden sich unbekanntem Neuen zu.

 

Doch bevor Zuschauerinnen und Zuschauer erfahren, ob die neuen Stellen, ausgesucht von einem dreiköpfigen Team, denn wirklich passend sind, müssen sie erst durch eine quälend lange Zeitschleife. Über 20 Minuten lang geht es darum, dass Nelly, 44, gerade unglücklich in ihrem Job ist. Wie kurz man das eigentlich erklären kann, zeigt dieser Text: Nelly arbeitet beim Jugendamt, hat dort viel mit Problemfamilien zu tun und muss harte Entscheidungen treffen. Als Kern-Themen in ihrem Joballtag benennt sie "Krise, Konflikte, Probleme, Streit und Gewalt" – womit ihre Stelle zu belastend für die Mutter ist. Hinzu kommt: Nelly arbeitet wegen ihrer wochenweise bei ihr wohnenden Kinder nur zu 80 Prozent. Und auch der finanzielle Schuh drückt ein wenig, im neuen Job wünscht sie sich einen Gehaltssprung von rund 35 Prozent.

Das also ist der reichlich zäh aufgedröselte Ausgangspunkt der Debütfolge des Formats von RTL Studios. Er gerät auch deshalb zäh, weil er nur über das Erzählen erlebbar gemacht wird. Aus natürlich nachvollziehbaren Grunden wurde für "Job Switch" nicht direkt beim Jugendamt gedreht. Der ausschweifend erzählte Ausgangspunkt ist die Aufgabe von Karriere-Coach Jochen Mai, dem Psychologen Benjamin Pieck und der Wirtschaftspsychologin Eva Schulte-Austum. Alle drei agieren klar und einfühlsam zugleich; sind also ihrerseits nicht auf Konflikte und Provokation aus. Doch bevor die drei die neue Stelle finden, muss Nelly ihre Stelle kündigen – "weiche Knie" ob des einschneidenden Schrittes inklusive.

Bis aber klar wird, welchen neuen Job die 44-Jährige antreten wird, steht noch ein Bewerbungscoaching auf der höchsten Aussichtsplattform Deutschlands an – und das Publikum lernt zudem mit Alex noch einen weiteren Teilnehmer des "Job Switches" kennen. Alex ist der mit dem "sehr netten Gesicht", wie das Trio sagt, Daten-Analyst, trockener Alkoholiker und ein Mann, der Pflanzen als sein Hobby angibt. Entsprechend würde er auch mit weniger Geld auskommen, wenn er im sozialen Bereich oder als Umweltaktivist unterwegs sein könnte.

Spannend wird das Format immer dann, wenn sich Eva Schulte-Austum mit einem Stift vor einer schiebbare Glaswand stellt und mögliche Branchen für ihre Schützlinge aufschreibt. Für Nelly hat sie sich die Personalbranche (inklusive Gesundheit und Fitness) ausgeguckt – am Ende aber wurde es dennoch eine andere Stelle, zu der die 44-Jährige natürlich mit Augenbinde geführt wurde. Wieso, warum, weshalb – das wurde nicht ganz offen und transparent erklärt. Nelly arbeitet jetzt jedenfalls als Studienberaterin; und hat ganz offenbar viel Spaß dabei, wie die letzten Minuten der Episode zeigen, in denen aber wieder nur alles nacherzählt wird.

Wesentliche Momente verpuffen

Auch hier verpasst "Job Switch" die Chance, den Menschen bei seiner Tätigkeit zu zeigen, um somit Verbesserungen im Alltag auch optisch erlebbar zu machen. Insofern verfolgt "Job Switch" also einen spannenden Ansatz und lebt von den wenigen spannenden Entscheidungsmomenten, die aber in allzu viel Laberei verpuffen und untergehen. Insgesamt kommt das Format also schwer in die Gänge, muss sich auf Erzählungen und Beschreibungen verlassen und wirkt daher distanziert. Da helfen auch die durchweg sympathischen Protagonistinnen und Protagonisten – sei es aus der Experten-Runde oder der Teilnehmenden – wenig.

Und während Nelly in den letzten Bildern der Debütfolge von einer sich ihr bietenden "riesen Chance" spricht, möchte man attestieren, dass die Produktion vielleicht eine eben solche verpasst hat. "Job Switch" performt unter seinen Möglichkeiten und ist daher ärgerlicherweise allenfalls Mittelmaß.

Vox zeigt vier Folgen von "Job Switch – Zum Glück gekündigt" jeweils montags um 20:15 Uhr.