Markus Lanz hat sich in den vergangenen Jahren einen Ruf als knallharter Interviewer erarbeitet, der Politikerinnen und Politiker nicht mit Floskeln durchkommen lässt. Das sorgte in der Vergangenheit für viele denkwürdige Sendungen - und Lob für den Moderator, so auch von DWDL.de. Am Donnerstag wagten der Talker und seine Redaktion aber ein Experiment, das man noch während der Sendung als gescheitert betrachten musste. 

Neben der "Spiegel"-Journalistin Melanie Amann und dem Klimaforscher Mojib Latif hatte man auch den AfD-Politiker Steffen Kotré, seineszeichens energiepolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag, eingeladen. Noch in seiner Anmoderation fragte Lanz, was eigentlich passiert sei, dass sich verschiedene Teile der Gesellschaft immer seltener auf gemeinsame Wirklichkeiten bzw. Wahrheiten einigen könnten. Die nächsten fast eineinhalb Stunden gaben Aufschluss darüber: Weil ein Mann wie Kotré kein Interesse daran hat und stattdessen den gesellschaftlichen Diskurs vergiften will. 

Der AfD-Politiker stellte zwar nicht den Klimawandel infrage, aber sehr wohl den Fakt, dass Menschen daran einen großen Anteil haben. Er versuchte wiederholt Zweifel zu säen an einem breiten wissenschaftlichen Konsens, nahm eine fast schon devote Haltung gegenüber Russland ein und auf Nachfragen reagierte er stets ausweichend ("Das ist nicht unser Thema", "Das ist völlig irrelevant"), um dann schnell ein ganz anderes Thema anzusprechen. 

Das alles war Markus Lanz und seiner Redaktion im Vorfeld natürlich bewusst, wie er auch in der Sendung sagte. Wie auch in der Vergangenheit versuchte der Moderator den AfD-Politiker mit Fakten zu konfrontieren. Und was normalerweise immer gut funktioniert, ist in diesem Fall oft ins Leere gelaufen, weil Steffen Kotré erkennbar kein Interesse an einem echten Gespräch hatte. Es ging dem AfD-Mann darum, seine kruden Thesen zu verbreiten und ein Opfernarrativ zu nähren, für das ihn die Fans der Partei abfeiern können. 

Ein Gast, der keine Fakten zulässt

Im Rahmen von "Markus Lanz" funktionieren die Gespräche auch deshalb oft so gut, weil dort Menschen sitzen, die ins Grübeln kommen, wenn man sie mit ihren eigenen Lügen konfrontiert. Und noch wichtiger: Mit denen man nicht über breit anerkannte Fakten diskutieren muss. Steffen Kotré, das muss man ihm lassen, hat sich aber offenbar ein dickes Fell zugelegt. Zu seiner Strategie gehört es, Kritik an sich abperlen zu lassen, um direkt einen Gegenangriff zu starten. Dabei redet er auch gerne dann, wenn gerade andere Personen in der Runde das Wort ergreifen - was in der Regel dazu führt, dass Kotré irgendwann doch wieder alleine spricht. 

Der AfD-Mann wirft auch gerne mit Namen und angeblichen Fakten um sich, wenn er sich in die Enge gedrängt fühlt. Solche lassen sich normalerweise nicht so schnell überprüfen in einer Talkshow-Situation. Bei "Markus Lanz", das dürfte auch Steffen Kotré gewusst haben, ist das etwas anders. Und auch am Donnerstag machte die Redaktion im Hintergrund zu einigen Aussagen des Politikers einen Faktencheck. Einer davon ließ einen vermeintlichen Kronzeugen Kotrés, den anerkannten Quantenphysiker Anton Zeilinger, in einem ganz anderen Licht erscheinen.

Kotré hatte zuvor behauptet, das Gros der Wissenschaft sei sich nicht einig beim menschengemachten Klimawandel. Die Wahrheit: Sein vermeintlicher Kronzeuge hat nicht nur keine Expertise auf dem Gebiet der Klimaforschung, ein von Kotré genutztes Zitat bezog sich auch gar nicht auf das Klima. Vor einigen Jahren zählte Zeilinger außerdem zu den Unterstützern eines Protestmarsches gegen antiwissenschaftliche Tendenzen und alternative Fakten - etwa bei der Leugnung des Klimawandels. Das schließt natürlich trotzdem nicht aus, dass er den Nobelpreis gewonnen und mal gesagt hat, man kann sich über die Zukunft nicht sicher sein. "Mit welchen Methoden arbeiten Sie hier?", fragte Kotré schließlich, um von Lanz die Antwort zu erhalten: "Recherche." Vor diesem Hintergrund ist es wohl noch die beste Nachricht, dass Kotré zu Lanz gegangen ist und nicht in eine andere Sendung - wo er womöglich nicht so hart in die Zange genommen worden wäre. 

Doch. Nein. Doch.

Oft war ein Live-Faktencheck bei den vielen Behauptungen des Politikers aber nicht möglich. Und beim Thema Atomkraft gab es dann einen denkwürdigen Wortwechsel, als Lanz sagte, es stimme natürlich nicht, dass diese, wie von Kotré behauptet, billig sei. Konter Kotré: Doch. Lanz: Nein. Und so weiter. Klimaforscher Mojib Latif sprach irgendwann davon, Kotré stelle "Fake-Behauptungen" auf und auch Lanz gab sich redlich Mühe, die Situation für die Zuschauerinnen und Zuschauer einzuordnen: "Jeder hat ein Recht auf eigene Meinung. Aber niemand hat ein Recht auf eigene Fakten", so der Moderator. 

Und trotzdem war es eine furchtbar anzusehende Sendung, weil da ein Mann saß, der erkennbar kein Interesse an einer echten Diskussion hatte. Gelungen ist ihm (und dem ZDF) eine gefährliche Diskursverschiebung, die auch Melanie Amann in der Sendung anprangerte. Sie sprach von einem "ganz schlimmen Weg", auf dem man sich befinde. Auch die "Spiegel"-Journalistin versuchte deutlich zu machen, wo der Unterschied liegt zwischen einem anerkannten Wissenschaftler, der über Fakten redet, und einem Populisten, der bloß eine Meinung hat. Amann warnte mit Blick auf Steffen Kotré vor einem "Mischmasch, der Zweifel säen soll" und einem "konzertierten Versuch, Fachkompetenz zu delegitimieren". 

Am Ende ist die "Versuchsanordnung" mit dem "nützlichen Idioten" von Wladimir Putin (beides O-Ton Melanie Amann) im ZDF spektakulär gescheitert. Weil sie zu einer Diskursverschiebung beigetragen und einem Mann eine Plattform gegeben hat, der diesen Diskurs überhaupt nicht führen will, weil er eine eigene, ganz andere Agenda hat. 

Von den Quoten nicht blenden lassen 

Dem ZDF und allen voran Markus Lanz und seiner Redaktion ist diese völlig verunglückte Sendung hoffentlich eine Lehre für die Zukunft. An sie kann man in Hamburg immer wieder zurückdenken, wenn es darum geht, wie man es besser nicht macht. Auch die vermutlich beste Polit-Talkshow in Deutschland hat ihre Grenzen. Da sollten auch die Quoten nicht blenden: Mit 1,79 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern und 19,3 Prozent Marktanteil war es eine starke Sendung. Bei den 14- bis 49-Jährigen lief es mit 13,6 Prozent sogar so gut wie noch nie in diesem Jahr. Letztlich war es eine inhaltlich ganz schwache Sendung, die zwar den AfD-Politiker in Teilen dekonstruiert hat - aber eben nur für einen gewissen Teil des Publikums. Für den anderen Teil, seine Fans, hat Kotré die Rolle des vermeintlichen Aufdeckers, des Ungemütlichen, eingenommen. 

Bei der Verabschiedung zeigte sich Lanz nach einem kurzen Schweigen ratlos ob der gerade zu Ende gebrachten Sendung. Aber vielleicht kann man das jetzt nutzen, um mal in einer anderen Sendung darüber zu sprechen, wie Populisten versuchen, den Diskurs in der Gesellschaft zu beeinflussen. Nur einen Mann wie Steffen Kotré sollte man dann nicht mehr ins Studio einladen.