"Wir sind in jedem Jahr mit großer Freude dabei. Und das bleibt auch so." Beim NDR lässt man sich die Begeisterung für den Eurovision Song Contest zumindest offiziell auch vom fast schon chronisch schlechten Abschneiden der deutschen Acts nicht verderben und erteilte Forderungen nach einem Ausstieg oder zumindest einer Kreativ-Pause bei dem länderübergreifenden Musikwettbewerb am Montag eine klare Absage.
Forderungen wie diese gibt es stets nach einem schlechten Abschneiden des deutschen Acts - alss inzwischen in fast alljährlicher Neuauflage. Und auch prominente Stimmen wie Thomas Gottschalk und Guildo Horn oder Institutionen wie der Deutsche Musikrat haben diesmal darin eingestimmt. In der Diskussion landet man dann allzu schnell auch an dem Punkt, an dem dann der große finanzielle Beitrag Deutschlands angeführt wird, was für viele die Nicht-Bepunktung durch die übrigen Länder offenbar besonders unfair und undankbar erscheinen lässt - als sollte man sich die Zuneigung der Anderen erkaufen können.
Die ARD tut jedenfalls gut daran, sich diesem schmollenden Verhalten nicht anzuschließen, wie bei aller hitziger Diskussion schon allein ein Blick auf die nüchternen Zahlen unterstreicht. Am Samstagabend sahen im Schnitt über acht Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer, wie sich 26 Länder einen völlig friedlichen, bunten Musikwettbewerb lieferten. Der Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen 58 Prozent, bei den 14- bis 29-Jährigen gar bei fast 67 Prozent. Kaum eine andere Sendung vermag es - von Sportübertragungen mal abgesehen - auch junge Menschen in solchen Massen vor dem Fernseher zu vereinen.
Wer darauf aus reiner Bockigkeit verzichten würde, wäre also schon per se ziemlich schlecht beraten. Und dazu kommt noch, dass man diesen gewaltigen Erfolg auch noch zu einem vergleichsweise günstigen Preis serviert bekommt. Die Startgebühren sind in den letzten Jahren zwar gestiegen und lagen in diesem Jahr für Deutschland bei 473.000 Euro - doch im Gegenzug konnte die ARD nicht nur die Finalshow übertragen, sondern auch die beiden Halbfinals. Das macht also rund acht Stunden überaus aufwendig inszeniertes Fernsehen zu einem beinahe schon unschlagbar günstigen Preis.
Natürlich sind das nicht die vollständigen Kosten - neben den Startgebühren fallen auch weitere Kosten für die Übertragung, für Reisekosten, für das Rahmenprogramm an. Und natürlich gibt's auch den Vorentscheid nicht geschenkt, mit der Vorauswahl der Kandidatinnen und Kandidaten sind ebenfalls Leute beschäftigt, die nicht umsonst arbeiten. Angaben zu den Gesamt-Kosten macht der NDR auch auf Anfrage nicht. Stellt man entgegen, wieviel Programm entsteht, bleibt trotzdem ein letztlich überschaubarer Aufwand.
Günstig ist das trotzdem vor allem deshalb, weil Deutschland zwar zu den größten Geldgebern gehört - und sich dadurch übrigens in jedem Jahr eine Teilnahme am Finale sichert, während alle kleineren Länder mit geringeren Beiträgen sich erst in einem der Halbfinals qualifizieren müssen - von diesen Startgebühren aber weit weniger als die Hälfte des gesamten ESC-Budgets finanziert wird. Der Löwenanteil der Kosten - von der Arbeit damit mal ganz zu schweigen - bleibt an der ausrichtenden Rundfunkstation hängen. Insofern kam Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten mit gerade mal zwei Siegen und der darauffolgenden Ehre und Pflicht, den ESC auszurichten, genau genommen ziemlich günstig davon. Was sollen die Schweden sagen, die nun schon zum siebten Mal den Sieg geholt haben und das Mammut-Event somit im kommenden Jahr schon wieder stemmen müssen?
Die inzwischen erstaunlich lange Tradition an schlechten Platzierungen unterstreicht in jedem Fall, dass die Begeisterung für den Eurovision Song Contest bei vielen eben gar nicht vom Erfolg des deutschen Acts abhängt, sondern unabhängig davon dem Event als solches gilt. All diese Menschen würde man vor den Kopf stoßen, wenn man lieber über die Ungerechtigkeit der Welt schmollen würde statt weiter dieses so schräge wie schöne länderübergreifende Fest mitzufeiern. Es bleibt also nur: Mund abwischen, weiter machen - und die Suche nach der nächsten deutschen Vertreterin oder dem nächsten deutschen Vertreter so unverkrampft wie möglich angehen. Denn zumindest mit einem hat Guildo Horn ja vermutlich recht: Die Leichtigkeit des Seins hilft beim Musizieren ungemein. Die gilt es nun nicht erst nach einer Schmoll-Pause wiederzufinden.