Als sich die Popstars Ariana Grande, Kelly Clarkson und John Legend zusammen mit dem amerikanischen Countrysänger Blake Shelton vor einem Jahr im Fernsehen ein musikalisches Duell lieferten, war das für den US-Sender NBC ein toller Erfolg. Beeindruckend waren nicht so sehr die linearen Quoten, sondern vielmehr die Abrufzahlen bei YouTube. Bis heute wurde das knapp siebenminütige Video des Finalspiels mehr als 21 Millionen Mal aufgerufen – mutmaßlich, weil Quartett so prominent war, aber auch, weil sie alle zusammen mit Gastgeber Jimmy Fallon schlicht hervorragende Unterhaltung boten.
Dafür braucht es eigentlich gar nicht viel: Als Setting genügt eine überdimensionierte Doombox und das Finale gewinnt, wer einen Songtext korrekt vollverständigen kann. Wer einen Fehler macht, dem schießt ein Wasserstrahl aus dem Mikrofon direkt ins Gesicht. Zugegeben, der Gag ist reichlich öde und könnte auch aus einer mittelprächtigen Ausgabe von „Verstehen Sie Spaß?“ stammen. Doch die Art und Weise, wie die Stars auf Fallons Bühne mit dem (Wasser-)Druck umgingen, ist einfach herrlich und macht auch heute noch viel Spaß. Und so überrascht es nicht, dass kürzlich bereits eine zweite Staffel von „That's my Jam“ zu sehen war.
In Deutschland ist „That's my Jam“ nun ebenfalls zu sehen – mit einer sehr detailgetreuen Adaption, die erstmal bei RTL+ ihr Publikum finden soll, auch wenn sie beispielsweise auch sehr gut als Begleitprogramm zu "Deutschland sucht den Superstar" vorstellbar gewesen wäre.
Im Vergleich zum US-Original fallen nur wenige Unterschiede ins Auge. Einer ist, dass sich der Streamingdienst für ein Gastgeber-Duo entschieden hat, die Tokio-Hotel-Brüder Bill und Tom Kaulitz. Mag sein, dass sie nicht die besten Moderatoren sind, doch ihr Zusammenspiel vor der Kamera funktioniert auf Anhieb erstaunlich gut. Im Unterschied zu Fallon, sind die Kaulitz-Zwillinge zudem nicht neutral, sondern agieren als Team-Kapitäne. Auch wenn sie auf den Verlauf der Spiele streng genommen gar keinen Einfluss haben, so verhilft der mehr oder weniger offen ausgetragene Brüder-Zwist der Show zu einer charmanten Note, die der Adaption eine charmante Eigennote hinzufügt.
Von Guildo Horn bis Mieze Katz
Doch dann sind da auch noch die Gäste, deren Bekanntheit irgendwo zwischen Jennifer Weist, Guildo Horn und Mieze Katz schwankt. Genau das könnte auf Dauer möglicherweise ein Problem darstellen: Im direkten Vergleich mit den Weltstars, die sich bei Jimmy Fallon die Klinke in die Hand geben, wirkt die deutsche Version, produziert von SEO Entertainment, mitunter wie eine Provinz-Variante. Erst recht, wenn Musikerin Elif, ihr Mitstreiter, der Schauspieler Daniel Donskoy, dessen Kollegin Jasna Fritzi Bauer und Sänger Jan Delay auch noch gemeinsam „Daylight in your Eyes“ von den No Angels zum besten geben müssen. Es fällt schwer zu glauben, dass hieraus ein millionenfach geklickter Hype entstehen wird – erst recht, wenn die große Free-TV-Bühne fehlt.
Spaß macht „That's my Jam“ trotzdem – sofern man davon absieht, dass in der Premiere sämtliche Protagonisten fast durchweg so laut schreien, dass man sich zwischenzeitlich bei dem Gedanken erwischt, einen kurzen Tonausfall herbeizusehnen. Doch die Lautstärke ist letztlich der Begeisterung aller Beteiligten geschuldet, die in mehreren Spielen wahlweise stimmlich oder kreativ überzeugen müssen. Eine Stunde lang wird ihr musikalische Gespür in unterschiedlichsten Ausführungen auf die Probe gestellt: Mal, indem vor der Nennung der Lösung zunächst ein durch die Luft fliegendes Mikrofon gefangen werden muss; ein anderes Mal, indem das Karaokesingen mit skurrilen Aufgaben auf die Spitze getrieben wird.
Und am Ende wird’s dann auch bei der deutschen „That's my Jam“-Version in der Doombox nass. Wer gewinnt, ist dabei komplett zweitrangig – nicht nur, weil ohnehin jeder mal Opfer der Mikrofontäne wird, sondern auch, weil es ganz am Ende so aberwitzig viele Punkt gibt, dass es plötzlich gar keine mehr Rolle spielt, welches Team in der vorherigen Dreiviertelstunde die beste Figur machte. Wer sich davon nicht beeindrucken lässt und weder Ariana Grande noch Kelly Clarkson vermisst, sollte dem Show-Neustart bei RTL+ gewiss eine Chance geben.
"That's my Jam" läuft freitags bei RTL+. Am Freitag, den 26. Mai gibt es die erste Folge außerdem um 23:30 Uhr bei RTL zu sehen.