Axel Springer hat ein Problem und das sitzt ausgerechnet in der Vorstandsetage. Es heißt: Mathias Döpfner. Nicht erst nach Bekanntwerden seiner neuesten Entgleisungen ist klar, dass dieser Mann nicht mehr tragbar ist. Nicht für einen kleinen Verlag aus Hintertupfingen und schon gar nicht für einen der größten deutschen Medienkonzerne. Eines ist klar: Döpfner muss weg. Daraus wird nur voraussichtlich nichts, sollte der Springer-Boss nicht doch noch eine unerwartete Kehrtwende in seiner Selbsteinschätzung vornehmen.

 

Döpfner ist nicht nur der CEO von Axel Springer, er ist zu großen Teilen auch Gesellschafter des Unternehmens. Vor rund zweieinhalb Jahren hat Friede Springer Döpfner zu ihrem Nachfolger erklärt und dem Mann an der Spitze des Verlags nicht nur einen Teil ihres Aktienpakets verkauft, sondern ihm darüber hinaus ein viel größeres Paket geschenkt. Es war ein Präsentkorb im Wert von mehreren hundert Millionen Euro, seitdem ist Döpfner mit knapp 22 Prozent an Axel Springer beteiligt. 

Und mehr noch: In einem wohl einmaligen Schritt übertrug Friede Springer ihren Schützling damals auch die Stimmrechte des von ihr gehaltenen Aktienpakets (22,5 Prozent), Mathias Döpfner hält also direkt und mittelbar rund 44 Prozent der Anteile des Medienkonzerns. Eine geräuschlose Trennung ist vor diesem Hintergrund überhaupt nicht möglich. Um den Boss loszuwerden, müssten sich vor allem Finanzinvestor KKR, der kanadische Pensionsfonds CPPIB und Axel Sven Springer, Enkel von Axel Springer, in einem Akt der unerwarteten Einigkeit zusammentun. Und während sich der Springer-Spross in der Vergangenheit durchaus kritisch über Friede Springer geäußert hat, ist nicht davon auszugehen, dass sich KKR und CPPIB in irgendeiner Weise bewegen. 

Das liegt in der Natur der Sache: Vor allem KKR hat als Finanzinvestor kein Interesse daran, bei einem möglichen Döpfner-Abgang vor einem Machtvakuum in der Springer-Führung zu stehen. Das könnte den Konzern mit seinen ambitionierten Expansionsplänen in Übersee um Jahre zurückwerfen. Würde man es doch irgendwie schaffen, säße Döpfner den anderen Gesellschaftern mit seinem großen Aktienpaket immer noch im Nacken und könnte mitregieren. Ist ihm der Verlag mit seinen vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirklich so wichtig, wie er immer behauptet, dann müsste Döpfner selbst erkennen, dass er gehen muss. Das wäre die beste Variante für alle, nur nicht für Mathias Döpfner, der dadurch an den Spielfeldrand gedrängt würde. 

Ein weiteres Problem für KKR: Einen Tag vor der Veröffentlichung des "Zeit"-Artikels ist Philipp Freise, Europachef des Finanzinvestors, im OMR-Podcast zu hören gewesen. Darin spricht er unter anderem darüber, dass ein Wandel in Unternehmen nicht unbedingt geräuschlos vonstatten gehen müsste. Döpfner bezeichnet er als einen "großartigen CEO", den man "zu 100 Prozent" unterstütze. Auf LinkedIn schreibt Freise sogar, Döpfner sei ein "Visionär". 

Wer soll Döpfner noch ernst nehmen? 

Und so ist das dann mit Visionären: Eben noch die US-Expansion vorangetrieben, danach über Ostdeutsche gelästert ("Sind entweder Kommunisten oder faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig."). So ist dieser Visionär mit seinem seltsamen Weltbild und Verständnis, wie sich ein Verleger zu verhalten hat, Auslöser für die Dauerkrise des Unternehmens. Verantwortung trägt aber auch Friede Springer, die Döpfner überhaupt erst in diese mächtige Position gebracht hat. Sie hat den Medienkonzern durch ihre Fixierung auf Mathias Döpfner in eine schwere Krise geführt. Wer soll den Chef künftig noch ernst nehmen, wenn jeder weiß, welch geistigen Dünnpfiff er in der Vergangenheit über so allerlei Themen verbreitet hat? Das Vertrauen bei Kunden, Lesern und Partnern ist weg. Das wird ohne Zweifel auch für Mathias Döpfner nicht schön, dafür ist er aber selbst verantwortlich. Und immerhin fällt er im Fall der Fälle weich. 

Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Axel Springer wird die tägliche Arbeit in jedem Fall nicht leichter. Und für Friede Springer steht das Lebenswerk auf dem Spiel. Die von der "Zeit" veröffentlichten Nachrichten aus der Führung des Medienkonzerns werfen auch ein schlechtes Licht auf die Verlegerin. Zu Beginn der Corona-Pandemie schrieb sie an den damaligen "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt: "Alle meine Freunde sind glücklich, dass in dieser Krise eine erfahrene Bundeskanzlerin am Ruder ist. Sie wird uns mit ruhiger Hand durch diese schweren Wochen und Monate führen! An ihrer Seite der gute Gesundheitsminister Jens Spahn! Wir sollten helfen, wenn möglich! Lieben Gruß Ihre Friede". Oder anders gesagt: Vielleicht ist es gar keine so gute Idee von großen Verlegern oder anderen Unternehmerinnen und Unternehmen, ihre Konzerne an ihre Lebenspartner oder Kinder zu vererben, wenn diese überhaupt nicht dafür geeignet sind. 

Und Mathias Döpfner? Der duckt sich weg und tut mal wieder so, als seien alle Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen und das, was er privat sage, überhaupt nicht das, was er als Konzernchef lebe. Das ist alles so weltfremd, dass man überhaupt nicht glauben kann, dass ein mächtiger Verleger wie Döpfner eine derart kopflose Verteidigungsstrategie fährt. Wo ist denn der Zusammenhang, wenn Döpfner "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt zwei Tage vor der Bundestagswahl dazu auffordert "Please Stärke die FDP". Wie soll man das anders interpretieren als eine völlig unangebrachte Intervention bei einem Angestellten?

Die Krise als Dauerzustand

Aber auch die ganze Branche hat schuld an dem Sumpf, der nun nach und nach offengelegt wird. Spätestens 2021 - damals wurde bekannt, dass Döpfner Deutschland mit der DDR verglichen hat und so ziemlich alle Journalistinnen und Journalisten im Land als "Propaganda-Assistenzen" diffamierte - war klar, wie der Springer-Boss, der zu diesem Zeitpunkt auch Präsident des Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) war, tickt. Der BDZV duckte sich wie viele seiner Mitglieder weg. Nur vereinzelt gab es deutliche Kritik in Richtung Springer und Döpfner, etwa von dem damaligen "Stern"-Chefredakteur Florian Gless, Madsack-CEO und BDZV-Vize Thomas Düffert oder auch der Funke Mediengruppe. 

"Ich habe immer gesagt, dass ich für Kontinuität im Unternehmen sorgen werde", sagte Friede Springer im September 2020, als sie ihre Macht an Döpfner abgab. Auf sehr ironische Art und Weise hat sie damit recht behalten: Seitdem kommen der Verlag und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zur Ruhe, ein Skandal jagt den nächsten. Die Krise ist zum Dauerzustand geworden. Unter Mathias Döpfner wird Axel Springer auch künftig nicht zur Ruhe kommen. Nun müssen alle Beteiligten daraus ihre Schlüsse ziehen.