Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk ist unter Druck, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Hierzulande haben es spätestens mit der RBB-Affäre wohl auch die letzten Senderbosse verstanden: Es muss sich etwas verändern. WDR-Intendant Tom Buhrow hat 2023 zum Jahr der Reformen ausgerufen, die ARD will noch in diesem Jahr einen Spartensender streichen, über ein Mantelprogramm für die Dritten wird diskutiert und ganz grundsätzlich will man beim eigenen Umbau Tempo machen. Darüber, wie die ARD der Zukunft aussehen soll, hat das NDR-Medienmagazin "Zapp" am Mittwoch 90 Minuten lang diskutieren lassen.
Und nach dem Talk lässt sich festhalten: So besser nicht.
Als führender Kopf der ARD saß ihr Vorsitzender Kai Gniffke in der Runde und diskutierte mit Medienmanagerin Julia Jäkel, "Zeit"-Autorin Yasmine M`Barek sowie Heike Raab, Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder, über die Zukunft des Öffentlich-Rechtlichen im Allgemeinen und der ARD im Speziellen. Moderiert wurde die Runde von Tilo Jung ("Jung & Naiv") und "Zapp"-Moderatorin Kathrin Drehkopf.
Dass die Sendung inhaltlich letztlich eher dünn gerät, ist schon früh abzusehen. Gleich zu Beginn will Tilo Jung vom ARD-Vorsitzenden wissen, ob der Rundfunkbeitrag in der nächsten Beitragsperiode steigen werde - noch haben die Anstalten einige Wochen Zeit, um ihren Finanzbedarf anzumelden. Doch auch nach mehrmaliger Rückfrage verweigert Gniffke eine Antwort und verweist auf das Prozedere, das im Gang sei. Heike Raab will erst nicht darüber sprechen, ob eine soziale Staffelung beim Rundfunkbeitrag möglich wäre, um sich nach einiger Zeit doch immerhin durchringt zu sagen, dass die aktuelle Regelung nicht in Stein gemeißelt sei.
Kein völliger Neuaufbau, aber Veränderungen müssen her
Einig sind die Diskutantinnen und der Diskutant in der Sache, dass ein kompletter Neuaufbau des öffentlich-rechtlichen Systems nicht zu machen sei. Yasmine M`Barek verweist auf Kosten, Bürokratie und langwierige Diskussionen, die das nach sich ziehen würde. Julia Jäkel pflichtet ihr bei, sagt aber auch, dass feste Strukturen veränderbar seien. Um das System zu transformieren, müssten nur "viele Akteure voranschreiten", hier hätte die Diskussion gerne tiefer gehen können. Welche Vorschläge liegen schon auf dem Tisch? Wo hapert es noch?
Stattdessen hat sich die "Zapp"-Redaktion dazu entschieden, an dieser Stelle eine Umfrage einzublenden, die man zuvor unter Zuschauerinnen und Zuschauern gemacht hatte. Darin gab eine große Mehrheit der Befragten (94 Prozent) an, Nachrichten würden ihnen in der ARD wichtig sein. 70, 69 und 61 Prozent waren es in den Bereichen Kultur, Spielfilm/Serie und Sport. Shows (39 Prozent) und Orchester (30 Prozent) lagen deutlich dahinter. Dass die Orchester natürlich auch irgendwie der Kultur zuzurechnen sind, fand in der Diskussion überhaupt keine Beachtung. Stattdessen wurde auf dieser Basis über die Prioritäten, die die ARD (nicht) setzt, diskutiert. Das war vor allem deshalb müßig, weil die Umfrage nicht repräsentativ war, wie alle in der Runde auch immer wieder betonten.
10 Euro für die ARD - aber wofür genau?
In einer anderen Grafik wollte man aufzeigen, wie viel Geld des Rundfunkbeitrags in der ARD in welchen Bereich fließt. Von den 12,78 Euro, die die ARD erhält, würden 34 Cent auf die Kultur entfallen, 16 Cent auf "Tatort" und "Polizeiruf", 74 Cent auf den Sport, 25 Cent auf ARD-Aktuell und 1,19 Euro für Betriebliche Altersversorgung. Die restlichen knapp zehn Euro wurden einfach unterschlagen und so wurde das Bild vermittelt, dass ein Großteil des Rundfunkbeitrags in nicht Wesentlichen Bereichen versickert.
Hitzig wurde die Diskussion in der weiteren Folge vor allem zwischen Moderator Tilo Jung und dem ARD-Vorsitzenden Kai Gniffke. Selbst wenn er "der Herkules vom Neckar" wäre, könne er die Tarifverträge, die der ARD die hohen Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge bescheren, nicht einfach wegwischen, erklärt der ARD-Chef. Auch beim Thema Fußball-WM und Olympiarechte ist Gniffke sichtlich genervt von den bohrenden Fragen Jungs und wiederholt das, was aus der ARD immer wieder zu hören ist: Wir zeigen die Sport-Events und begleiten sie kritisch, niemand wolle sich ausmalen, wie das alles aussähe, wenn ARD und ZDF hier nicht dabei wären.
"Fake News!", "Populismus", "Stop!"
Irgendwie hat sich der "Zapp"-Talk so angefühlt wie die jahrelange Diskussion um ARD und ZDF: ziemlich zäh. Alle reden durcheinander und bringen willkürlich Themen ein, die sie dann auch noch miteinander vermischen. Realität, Wahrnehmung bei Zuschauerinnen und Zuschauern, Geld, staatsferne Aufsicht - hier wird alles in einen Topf geschmissen und kräftig umgerührt. "Ich bin irgendwie unglücklich mit der Situation, hier geht so viel durcheinander", entfährt es Julia Jäkel dann auch irgendwann. Und auch Yasmine M`Barek stellt fest, dass man eigentlich aneinander vorbeirede.
Ich bin irgendwie unglücklich mit der Situation, hier geht so viel durcheinander.
Julia Jäkel
Das alles hat seinen skurrilen Höhepunkt, als ausgerechnet "Zapp"-Moderatorin Kathrin Drehkopf am Ende noch einmal auf das diskutierte Mantelprogramm für die Dritten zu sprechen kommt, das aber als eine Idee der Politik anmoderiert - was Heike Raab natürlich sofort und vehement abstreitet. Tatsächlich ist es eine Idee, die aus der ARD heraus kam - und auch nur von dort kommen kann. Hier hat Kai Gniffke dann einfaches Spiel, das Mantelprogramm für die Dritten ist eines seiner Projekt, das er schon seit einiger Zeit vorantreibt. Nur: Bislang hat sich eben sehr wenig getan, wie so oft in der ARD. Hier scheint für die Zukunft aber immerhin Sparpotenzial erkannt zu sein, so wie übrigens auch bei den Klangkörpern, bei denen Gniffke durchaus Gesprächsbereitschaft zeigt - aber zurecht darauf verweist, dass es eben von dieser Seite aus dann Kritik geben wird.
Einen echten Blick in die Zukunft hat die "Zapp"-Sendung zur ARD nicht geliefert, dafür war sie an zu wenigen Stellen konkret und an zu vielen Stellen zu populistisch, was auch am Moderator der Sendung lag. Vielleicht hat "Zapp" damit aber auch eindrucksvoll gezeigt, weshalb die Reform der Öffentlich-Rechtlichen so zäh abläuft. Es wollen einfach sehr viele Menschen mit unterschiedlichen Blickwinkeln mitreden. Das ist ihr gutes Recht, stößt aber irgendwann an seine Grenzen.