Und weiter geht’s mit dem Retro-Fieber im deutschen Fernsehen: Nachdem Jörg Pilawa erst vor einer Woche eine Neuauflage der "Pyramide" präsentierte, erweckt Sat.1 mit seinem Comeback-Moderator nun auch gleich noch das "Herzblatt" zu neuem Leben, das – wohl aus rechtlichen Gründen – den etwas sperrigen Namen "Dating Game – Wer soll dein Herzblatt sein?" trägt und mit einer neuen Titelmusik überrascht, die klingt, als habe man die Töne der kultigen Musik von früher auf undurchschaubare Weise neu zusammengewürfelt.

Die größte Herausforderung der Neuauflage ist allerdings ihre Sendelänge: Benötigte Rudi Carrell einst keine halbe Stunde, um seine Kuppelei über die Bühne zu bringen, so hat sein Nachfolger, der die "Mutter aller Datingshows" (O-Ton Pilawa) schon einmal vor fast 20 Jahren im ARD-Vorabendprogramm moderierte, gleich vier Mal so viel Zeit – ohne, dass der berühmt-berüchtigte "Herzblatt"-Hubschrauber auch nur ein einziges Mal abhebt.

Da kommt es gerade recht, dass sich Sat.1 und die Produktionsfirma Noisy Pictures dazu entschieden haben, die Show durch kleine Spielchen aufzulockern. Und so müssen die drei Kandidaten, die um das Herz des Singles auf der anderen Seite des Studios buhlen, in jeder der vier Runden wahlweise einen Blumenstrauß binden oder ein Spiegelei braten, um noch etwas mehr von sich preiszugeben als im klassischen Frage-Antwort-Spiel. Das bildet freilich auch im Jahr 2023 noch immer den Kern von "Herzblatt" – zusammen mit der wunderbaren Stimme von Susi ("die wahre Voice of Germany") und der Wand, die sich am Ende jeder Runde öffnet und im Idealfall aus zwei Singles ein Pärchen machen soll.

Dating Game - Wer soll dein Herzblatt sein? © Sat.1/Julia Feldhagen Moderator Jörg Pilawa und Kandidat Stefan, während die Single-Frauen hinter der Wand warten.

Nicht geändert hat sich hingegen die fehlende Spontaneität, seit jeher ein Markenzeichen des TV-Klassikers. Er sei "ein großer Freund von historischen Motorrädern", lässt Single Dennis gleich in der ersten Runde wissen und leitet sodann zu seiner arg bemühten Frage an die drei potenziellen Herzdamen über: "Wenn ihr euch als eines beschreiben würdet, welches würdet ihr wählen?" Während sich eine für ein Cross-Motorrad hält ("sportliches Gehäuse und gut gefedert"), wäre die nächste gar am liebsten ein Tourenwagen: "Ich bräuchte zwar öfter einen Boxenstopp. Aber wenn ich unterwegs bin, gebe ich Vollgas."

Aus der Zeit gefallen?

Auf diese Weise wird schnell klar, dass "Herzblatt" – so innovativ die Show auch einst gewesen sein mag – heute die wohl harmloseste aller Kuppelshows ist. Das mag auch daran liegen, dass, wie Pilawa selbst gleich zu Beginn anmerkt, inzwischen nahezu alles schon da gewesen ist – vom nackten Dating auf einer Insel bis hin zur Hochzeit zweier Menschen, die sich gar nicht kennen. Dagegen wirkt das schrullige "Herzblatt", so tragisch das aus Nostalgie-Gründen auch sein mag, schlicht aus der Zeit gefallen, auch wenn die neuerliche Sat.1-Version zumindest moderner wirkt als die Neuauflage, die schon einmal vor wenigen Jahren beim Spartensender Sat.1 Gold gezeigt wurde.

Womöglich hätte Sat.1 gut daran getan, den erprobten TV-Verkuppler Ralf Schmitz an Pilawas Stelle zu platzieren, der das "Dating Game" – anders als die "Pyramide" vor einer Woche – mit erstaunlich viel gebremstem Schaum moderiert. Nicht gebraucht hätte es dagegen die Auftritte von Bürger Lars Dietrich. Gleich mehrfach betritt er als mit Flügeln versehener Amor das Studio, um rappend etwas über den Lebenslauf der Singles zu verraten. Es bleibt bis zum Schluss ein Rätsel, wieso das von der Redaktion für eine gute Idee befunden wurde; Sinn für Humor spricht eher nicht dafür.

Auf mehr als 400 Ausgaben brachte es das "Herzblatt" einst in der ARD. Es ist eher nicht davon auszugehen, dass vom "Dating Game" noch einmal so viele folgen werden. Zu den guten Nachrichten des Abends gehört jedoch das gelungene Casting der Singles: Von einer Anschlussverwertung bei "Ex on the Beach" ist jedenfalls nicht auszugehen.