Das deutsche Fernsehen reitet munter die Retro-Welle und in diesen Tagen wirft Sat.1 nochmal den Turbo an. Der Privatsender hat die "Kultshow-Wochen" ausgerufen und zeigt im Zuge dessen nicht nur Neuauflagen von "Herzblatt" und "Jeopardy!", sondern auch von "Die Pyramide". Für Letztere wurde Jörg Pilawa als Moderator auserwählt - was auch deshalb amüsant ist, weil er selbst schon in den 90ern eine Neuauflage des einstigen ZDF-Klassikers in Sat.1 präsentierte, damals jedoch unter dem Titel "Hast du Worte?!".
Dass Sat.1 nun lieber noch einmal auf den öffentlich-rechtlichen Ursprungstitel zurückgreift, der in erster Linie mit Dieter Thomas Heck verbunden ist und weniger mit Micky Beisenherz und Joachim Llambi, die vor über zehn Jahren eine kurzlebige Version im Nachmittagsprogramm präsentierten, mag auf den ersten Blick verwundern. Tatsächlich aber stellt sich alleine schon durch die prägende Titelmelodie der "Pyramide" ein wohliges Gefühl ein, das noch dazu deutlich mehr der großen Primetime-Bühne entspricht als die doch sehr austauschbare Version der einstigen Sat.1-Version.
Doch auch abseits ihrer Titelmusik beweist "Die Pyramide" ihre Primetimetauglichkeit. Anders als manch andere Gameshow-Comebacks, weiß das von Noisy Pictures produzierte Format im aufgeblähten Zweistunden-Format durchaus zu unterhalten, ohne längenswerte Längen aufzuweisen. Das gelingt nicht zuletzt deshalb, weil die Sendung ein Stück weit vom Original abweicht, indem die sehr redundante Grundidee - ein Promi und ein Normalo erklären sich gegenseitig Begriffe - in schöner Regelmäßigkeit durch amüsante Hürden aufgebrochen wird.
Verschiedene Spiele, die sich hinter den sehr vage gehaltenen Kategorien verbergen, bringen Abwechslung: Mal gilt es, den zu erratenden Begriff zunächst in einem Kreuzwortgitter zu erspähen, ein anderes Mal müssen übergoße Handschuhe herhalten, mit denen die gesuchten Worte dargestellt werden sollen. Zu den kleinen Gemeinheiten zählt auch ein Masseur, der dem Promi-Erklärer Tom Beck auf der Schulter herumdrückt, während dieser seiner Kandidaten Worte wie "Nationaltrainer" oder "Sektkorken" umschreiben muss.
Comedian Bastian Bielendorfer wiederum muss seiner Mitstreiterin einen Flamingo oder den Superhelden Hulk näherbringen, ohne dabei die für beide so typischen Farben zu nennen - was letztlich so gut funktioniert, dass es die beiden bis ins Halbfinale schaffen, in dem sich jedoch Schauspielerin Simone Thomalla mit ihrem Teampartner Hendrik in letzter Sekunde behaupten kann. Auch die beiden funktionieren im gegenseitigen Beschreiben und Erraten erstaunlich gut, skurrile Momente inklusive. Als es darum geht, "Intimbereich" zu erklären, versucht es Hendrik wild fuchtelnd mit folgender Umschreibung: "Ich hab' einen Penis, du hast eine Vagina. Die ganze Area!"
Amüsante Ausführungen wie diese, die unter dem Druck der Zeit entstehen, sorgen immer wieder für unterhaltsame Momente und belegen, dass das simple Konzept, das sich "Preis ist heiß"-Erfinder Bob Stewart vor einem halben Jahrhundert erdachte, auch heute noch erstaunlich gut funktioniert. Störend ist einzig Jörg Pilawas andauernder Hang zu Superlativen: Kaum eine Runde vergeht, in der der Moderator die Leistung der Teams nicht wahlweise "mega", "irre" oder "sensationell" findet - übrigens ganz unabhängig davon, wie viele Punkte zuvor erspielt wurden.
Für die kommende Woche wird er sich sich möglichst ein anderes, romantischeres Vokabular zurechtlegen müssen. Dann nämlich versucht sich Pilawa mit dem "Herzblatt" direkt am nächsten Retro-Format, das er selbst in der Vergangenheit schon einmal moderierte. Da fehlt eigentlich nur noch "Das goldene Ei".