Anja Reschke, die über Jahrzehnte das NDR/ARD-Magazin "Panorama" prägte, soll nun quasi der Jan Böhmermann des Ersten sein. Das ist ein Vergleich, dem sich Beteiligte der neuen ARD-Spätabendsendung in den zurückliegenden Tagen in Interviews eigentlich entziehen wollten. Doch wer diesen Vergleich scheut, der sollte sich vielleicht nicht in vielen optischen wie stilistischen Mitteln (wie etwa dem Vorlesen von Schlagzeilen diverser Medien aus dem Off)  nah am "ZDF Magazin Royale" entlanghangeln. Und vor allem sollte man verhindern, dass dann auch noch die NDR Big Band als Quasi-Gegenstück des Rundfunk-Tanzorchesters Ehrenfeld in die Sendung hineingeschnitten wird.

Dass Das Erste nun auf ein von Böhmermann und internationalen Vorbildern wie John Oliver inspiriertes Format setzt, ist grundlegend mehr recht als schlecht. Die exakte Ausgestaltung indes zeigt noch viel Luft nach oben, wenngleich die NDR-Redaktion ganz offenbar der Annahme war, bei der Debütsendung ein besonders passendes Thema zu bearbeiten. Sich quasi einen Elfmeter ohne Torwart zwischen den Pfosten zu gönnen. Das Problem: Über die Bayern und die CSU wurde fast jeder Spruch schon gemacht, fast jeder peinliche Ausschnitt gezeigt und belacht.

Und so gerieten die 30 Minuten fast zum Best-Of von Gags und Witzen, die Norddeutsche nunmal über Bayern machen. Das kann man machen, wenn man seine erste Staffel mit einem Mix aus Altbekanntem eröffnen will - die Frage ist nur: Braucht man dafür dann eine solche Sendung? Denkt man daran, was eigentlich versprochen wurde – das war im Kern das Entstehen einer satirischen Recherche-Sendung - blieb "Reschke Fernsehen" leider zum Auftakt noch zu blass und ohne wirklichen Aha-Effekt.

Nein, weder Brezen noch Bier und auch Berge und Seen seien von der CSU erfunden worden, sagt sie nachdem ein TikTok-Video der Christsozialen abgespielt wurde. Darüber, wie lustig es ist, dass die Erzkonservativen auch auf Plattformen wie TikTok um Gunst von Wählerinnen und Wählern buhlen, darf gerne gestritten werden. Dass CSU-Chef Söder sein Fett weg bekommt im ARD-Neustart: So sicher das Amen in der Kirche. Das Zurechtrücken der CSU-Behauptung, in Sachen erneuerbare Energien ganz vorne mitzuspielen: Durchaus angebracht.

Doch viel Neues bietet "Reschke Fernsehen" schon deshalb nicht, weil Ausschnitte, in denen etwa gegen "Monstertrassen" protestiert wird, mittlerweile satte acht Jahre alt sind – und somit mit dem aktuellen politischen Geschehen (auch im Freistaat) kaum mehr etwas zu tun haben. Aber wenn's halt passt in das Bild der Lächerlichmachung, das im Norden, Osten und Westen auch deshalb gut ankommen dürfte, weil ja trotz zwischenzeitlicher Archivierung durchaus Wahres am gezeichneten Bild dran ist, wie selbst ein halbwegs reflektierter Bayer zugeben muss.

Und doch wäre es unfair, die Sendung schon abzuschreiben - auch die erste Ausgabe des "ZDF Magazin Royale" geht schließlich nicht gerade als Sternstunde in die Geschichte des Formats ein. Die Produktion hat immerhin ihr Möglichstes getan, um die Sendung passgenau auf Anja Reschke zuzuschneiden und auf viele Stolpersteine wie ein Stand-Up oder Publikum im Studio verzichtet - und tatsächlich macht Reschke ihre Sache gar nicht schlecht. Ihre Art passt zu diesem Format vielleicht besser als zu "Panorama".

Dazu kommt ein (vom leicht wehenden Vorhang als hübsche Projektionsfläche abgesehen) optisch gelungenes, sehr ruhig gehaltenes Set. Keinesfalls klinisch, aber eben auch nicht unruhig-verspielt. Kein Schnick-Schnack, sondern auf die Sache fokussiert. Vielleicht auch deshalb, war das Bayern-Bashing als Auftakt nicht optimal gewählt, fällt dann doch um so mehr auf, dass das bekömmliche Thema an zu vielen Orten schon bearbeitet wurde

Dazu kommt noch, dass die Sendung an mehreren Stellen noch nicht rund war. Zwischendurch dürfte sich so mancher gefragt haben, ob er plötzlich im ebenfalls vom NDR produzierten Satire-Magazin "Extra 3" gelandet ist. Dort ist jedenfalls die eigentliche Heimat für einen Einspieler wie den, in dem Norddeutschen glaubhaft gemacht wurde, dass bei ihnen vor der Haustür nun ein bayerischer Windpark entsteht. In einem Rechercheformat wirkt es hingegen wie ein Fremdkörper.

Begonnen hatte die Sendung übrigens stark mit der Erklärung des zunächst etwas ungelenk wirkenden Titels "Reschke Fernsehen", der auf einer Aussage von AfD-Mann Alexander Gauland aus einer "Hart aber fair"-Folge vor ein paar Jahren beruht. Für ihn sei das ein anderer Ausdruck für "Pinocchio-Fernsehen". Dass "Reschke Fernsehen" nun wirklich entstanden ist, hat Charme. Charme, den die Sendung mit der Zeit durchaus noch entfalten könnte, wenn die Verantwortlichen noch etwas nachschärfen, sich trauen, komplexere und unerwartete Themen aufzugreifen, statt nach der "Low Hanging Fruit" zu greifen. Und wenn sie sich trauen, wirklich einen eigenen Weg zu finden, statt die Abgrenzung von besagtem ZDF-Format nur in Interviews zu behaupten.

"Reschke Fernsehen" läuft ab sofort Donnerstags gegen 23:35 Uhr im Ersten. Ab 18 Uhr ist die aktuelle Folge in der ARD-Mediathek abrufbar