Während sich ServusTV in Österreich einen bisweilen berühmt-berüchtigten Ruf erarbeitet hat, weil Intendant Ferdinand Wegscheider regelmäßig mit Schwurbel-Kommentaren wahlweise für Aufsehen oder Kopfschütteln sorgt, spielt der Red-Bull-Sender in Deutschland bislang allenfalls eine Nebenrolle auf dem Fernsehmarkt. Diverse Versuche, daran etwas zu ändern, führten bislang allenfalls zu überschaubaren Erfolgen.
Und weil es auf Dauer nicht reichen dürfte, das Logo mit einem schwarz-rot-goldenen Schweif auszustatten, erfolgt seit diesem Montag nun der nächste Anlauf - in Form einer Kooperation mit Springers WeltN24, das neuerdings das gesamte Vorabendprogramm von ServusTV produziert. Neben den "Servus Nachrichten", die ab sofort nicht mehr aus Salzburg, sondern aus Berlin kommen, ist "Guten Abend Deutschland" das Kernstück des Programms. Ein zweistündiges Magazin, das laut Eigenbeschreibung "aktuelle Themen, die Deutschland bewegen" und "Menschen und ihre Herausforderungen" in den Mittelpunkt stellen will.
Der Aufwand, den ServusTV dafür als kleiner 0,4-Prozent-Sender betreibt, ist durchaus beachtlich: Die Studio-Optik muss sich nicht verstecken vor deutlich größeren Konkurrenten und das Moderations-Doppel mit Max Oppel, der bislang als Frühaufsteher die Nachrichten im "Sat.1-Frühstücksfernsehen" präsentierte, und der nach langer TV-Pause erfreulicherweise zurückgeholten Bettina Cramer, funktioniert auf Anhieb gut.
Inhaltlich wiederum ist die Bandbreite zum Auftakt groß. Los geht’s mit einem erstaunlich ausführlichen Bericht über den Medikamenten-Mangel in Deutschland, gefolgt von einem Gespräch mit dem Mediziner Dr. Christoph Specht. Danach werden die Lage der Azubis in Deutschland und die Besetzung des von der Räumung bedrohten Dörfchens Lützerath beleuchtet. In einer anderen Reportage geht’s später um den Verkauf gefährlicher Messer und Möglichkeiten der Selbstverteidigung, ehe sich der CDU-Politiker Philipp Amthor in einer Live-Schalte noch zur inneren Sicherheit äußern darf.
Auch wenn anfangs mal eine Kameraeinstellung verrutscht oder eine Bauchbinde an der falschen Stelle eingeblendet wird: Mit "Guten Abend Deutschland" liefert ServusTV auf Anhieb eine sehr ansehnliche Magazin-Sendung, die mit ihren zwei Stunden aber etwas zu lang geraten ist, um das Publikum vom Anfang bis zum Ende bei der Stange zu halten - zumal die Redaktion gut beraten gewesen wäre, unter all die ernsten Themen auch mal ein unterhaltendes Element zu mischen.
Wirklich aufgemischt wird "Guten Abend Deutschland" einzig durch Anna Schneider, die als nicht umumstrittene "Freiheit"-Chefredakteurin der Welt eine Art Heimspiel im Servus-Studio hat und sich vor dem Hintergrund einiger weiter geltender Corona-Maßnahmen live im Studio erst über die "Feigheit einiger Politiker" echauffiert und schließlich Deutschland attestiert, sich noch immer im "Panikmodus" zu befinden.
Bei aller Empörung passt es gut ins Bild, dass sich Schneider in einem Nebensatz auch noch darüber erregt, dass der Begriff "Freiheit" jüngst öffentlichkeitswirksam zur "Floskel des Jahres" gekürt wurde. Dass sie sich daran ernsthaft stört, zeigt im Übrigen nur, dass sie offensichtlich gar nicht verstanden hat, was die beiden Juroren mit ihrer Auszeichnung zum Ausdruck bringen wollten. Schneiders Auftritt bei ServusTV dürfte sie in ihrer Wahl eher noch bestätigt sehen.
Ohne allzu kritische Gegenfragen von Oppel und Carmer befüchten zu müssen, ist der leicht populistische Empörungspart glücklicherweise nach wenigen Minuten schon wieder beendet, ehe "Guten Abend Deutschland" zurück in die klassische Magazin-Spur findet. Gut möglich jedoch, dass an dieser Stelle in Zukunft noch mehr Empörungspotenzial in der Luft liegen wird - etwa, wenn auch der bereits als Kolumnist angekündigte Publizist Henryk M. Broder im Rahmen der Sendung regelmäßig seinen Senf abgeben wird.
Und so bleibt vorerst abzuwarten, wo ServusTV in Deutschland auf Dauer seine Zielgruppe wähnt. Bleibt zu hoffen, dass sich der Sender hierzulande nicht an der Ausrichtung seines österreichischen Intendanten orientiert. Nach der Premiere von "Guten Abend Deutschland" darf erstmal vorsichtig aufgeatmet werden.
"Guten Abend Deutschland", montags bis freitags um 18:10 Uhr, ServusTV