Wie lauten die drei wichtigsten Kriterien für den Erwerb einer Immobilie? Richtig: Lage, Lage, Lage. Wie gut also, dass RTLzwei dem Publikum bei der Premiere seiner neuen Immobilien-Show freistehende Objekte in Neustadt am Rübenberge und im Ennigerloher Stadtteil Westkirchen angeboten hat - und einen etwas unbeholfenen Kölner Reporter in eine Düsseldorfer Wohnung entsandte, um dort live auf Sendung zu Prokotoll zu geben, dass er sich gut vorstellen kann, auf dem Sofa ein Kölsch zu trinken und ein FC-Spiel zu schauen. Ist halt nur die falsche Stadt.
"Mieten Kaufen Live" nennt sich das Format, das man wohl als Experiment bezeichnen muss. "Das gab es noch nie", trommelte der Sender im Vorfeld - und es ist sehr gut möglich, dass es dafür auch einen Grund gibt. Denn die Idee, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer "ihren Wohntraum per Anruf verwirklichen können", mag zwar angesichts der weit verbreiteten Wohnungsnot auf dem Papier verlockend sein, scheitert aber schon alleine daran, dass wohl nur die wenigsten bereit sein dürften, von Brandenburg nach Wiesbaden zu ziehen, nur weil dort soeben eine hübsche Penthouse-Wohnung mit zwei Dachterrassen frei geworden ist.
Das hat selbst Moderator Thomas Schürmann erkannt. "Wenn ich irgendwann mal nach Wiesbaden ziehen würde und keine vier Kinder hätte", sagt er in der Live-Show - ja, dann wäre die Wohnung vielleicht auch etwas für ihn. So aber überlässt der ehemalige Gewinnspielansager des längst vergessenen Call-in-Senders 9Live dankenswerterweise also dem RTLzwei-Publikum die vier Objekte, für die es "zehn ganz exklusive Besichtigungstermine" zu gewinnen gibt, wie Schürmann zu Beginn erklärt.
In der ersten Wohnung, einer Drei-Zimmer-Bleibe in Neustadt - ohne Aufzug, aber mit "wenigen Schäden", wie der Makler vor Ort betont - sieht man beim Blick auf dem Fenster den nahen ICE am Fenster vorbeirauschen. "Und so hell!", frohlockt der Außenreporter. "Das ist ja unglaublich!" Ähnliche Begeisterung macht sich auch wenig später bei seiner Kollegin breit, die gleich ein ganzes Haus anzubieten hat. Wer eine Viertelmillion auf den Tisch legt, erhält nicht nur 135 Quadratmeter Wohnfläche und einen großen Garten, sondern auch jede Menge Sanierungsfälle dazu. Oder wie Schürmann sagt: "Dieses Haus bietet viel Raum für Fantasie." Kritische Nachfragen? Keine Spur.
Selbst der Moderator ist sprachlos
Getoppt wird all das nur durch die live vorgestellte Wohnung in einem Düsseldorfer Vorort, die trotz Wohnmobil-artiger Schlafplätze und Mini-Spülmaschine für ganze 21 Euro pro Quadratmeter auf dem Markt ist - oder wahlweise gekauft werden kann. Wie gut, dass sich dafür sogar eine potenzielle Interessentin findet. Besser gesagt: Die Redaktion von RTLzwei und der Produktionsfirma Fandango glaubt zumindest, dass es sich um eine Interessentin handelt. Kurz vor Ende der Sendung wird die Gelsenkirchenerin ins Studio gestellt, um zu erfragen, was schon längst beantwortet wurde: "Ich wollte mal fragen, wie teuer die Miete ist." Da war dann selbst Thomas Schürmann für einen kurzen Moment sprachlos - und nach dessen Antwort kurz darauf auch die verblüffte Anruferin.
Man muss sich das einmal vorstellen: Da hat eine Call-in-Show einzig und alleine das Ziel, interessierte Anruferinnen und Anrufer zum Wohnungs-Smalltalk mit dem Moderator zu verbinden - und die einzige Frau, die etwas wissen will, stellt ihm die unnötigste Frage des Tages. Einige Minuten zuvor war bereits der Versuch, einen anderen Anrufer mit Schürmann ins Gespräch zu bringen, offenkundig an technischen Problemen gescheitert. "Das ist live. Ich liebe Live-Fernsehen", jubelte Schürmann angesichts der Panne, die in eine vorgezogene Werbepause mündete - auch wenn sein Gesichtsausdruck einen anderen Eindruck vermittelte.
Abseits davon gab es entweder anhaltende Schwierigkeiten - oder aber schlicht keine Menschen, die mit ernsten Absichten für die vorwiegend in mit Kawumm-Musik unterlegten Einspielfilmen präsentierten Buden anriefen, um sich einen der Besichtigungstermine zu sichern. Sollte es trotz Live-Ausstrahlung im Fernsehen wirklich so wenige Interessenten gegeben haben, dann war es vermutlich nie einfacher an eine Immobilie zu kommen als bei "Mieten Kaufen Live".
Tatsächlich ließ RTLzwei bis zuletzt offen, wie groß das Interesse des Publikums wirklich war. Genauso wie die Frage unbeantwortet blieb, was die Maklerinnen und Makler eigentlich dazu bewegt, mit ihren Wohnungen und Häusern in dieser verunglückten Sendung mitzumachen. Ein Upload bei Immobilienscout - übrigens Namenspatron dieses holprigen Neustarts - dürfte jedenfalls mit weniger Aufwand verbunden sein als ein Drehtag.
Dabei hätte es durchaus Möglichkeiten gegeben, das Format aufzuwerten, etwa mit echten Experten-Einschätzungen im Studio, einem schnellen Überblick über freie Wohnungen im ganzen Land oder schlicht einer kurzen Zusammenfassung am Ende der knappen Stunde. In dieser Form aber dürfte "Mieten Kaufen Live" weder dem Sender noch dem Sponsor helfen. Und schon gar nicht all jenen Menschen, die wirklich dringend eine Wohnung suchen.
"Mieten Kaufen Live", Montag bis Freitag um 17:05 Uhr, RTLzwei