Ein Sofa, eine Ärztin und zwei offene Ohren. Viel mehr braucht es nicht für das neue Doku-Format von RTL+, dessen Name Programm ist: "Paartherapie". Der Untertitel "Now or Never" wäre verzichtbar gewesen; die Sendung selbst ist es glücklicherweise nicht, gibt sie doch einen bemerkenswert unverstellten Eindruck von den Therapiestunden, vor denen sich viele Paare, in deren Beziehung es kriselt, fürchten.
Die vier Paare, die sich auf die TV-Therapie bei Dr. Stephanie Kossow, einer Fachärztin für Psychotherapie, einlassen, sind freilich besonders mutig, schließlich gehört schon einiges dazu, vor laufender Kamera über die eigenen Probleme zu sprechen, wenn man nicht gerade ein Realitystar ist und das zur Berufsbezeichnung geht. Doch bei der Auswahl der Protagonistinnen und Protagonisten haben die Redaktion von RTL+ und die Produktionsfirma Film Five, die zuletzt schon die sehenswerte Netflix-Dokumentation "Gladbeck. Das Geiseldrama" herstellte, ganze Arbeit geleistet.
Es kommt nicht häufig vor, dass ein TV-Format so authentisch wirkt wie es bei "Paartherapie" der Fall ist. Nichts wirkt hier gestellt und augenscheinlich geht es niemandem, der bei Dr. Kossow sitzt, in erster Linie darum, einmal ins Fernsehen zu kommen. Nein, da sitzen schlicht vier Paare, die offen und reflektiert über das sprechen, was sie bewegt – in der festen Absicht, das, was sie haben, zu erhalten.
Da sind etwa Franzi und Felix – ein junges Pärchen, das schon früh zusammengekommen ist und es gerade ein zweites Mal miteinander versucht, nachdem der Tod von Felix' alkoholkranker Mutter das Leben der beiden von heute auf morgen auf den Kopf stellte. Im Gespräch mit der Ärztin geht um die Verarbeitung des Schicksals, aber auch um Franzis Gefühl, sich bisweilen dumm zu fühlen. Er habe, sagt Felix, die Angewohnheit, davon auszugehen, die Wahrheit mit Löffeln gefressen zu haben. "Ich lese halt viel, versuche mich übers Weltgeschehen zu informieren", prahlt er geradezu beispielhaft – und nur den Bruchteil einer Sekunde später platzt es aus ihm in Richtung seiner Freundin heraus: "Und du natürlich auch!"
Es ist eine wunderbare Szene, weil sich hier erahnen lässt, wo der wahre Knackpunkt in der Beziehung von Franzi und Felix liegen könnte. Ganz anders ist der Fall bei Willy und Lennart gelagert, die nach ihrem Umzug nach Hamburg das Zusammenleben in einer fremden Stadt neu lernen müssen. "Diese idealisierte Vorstellung von Beziehung ist für mich irgendwie geplatzt", sagt einer der beiden – und für Dr. Kossow wird schnell ersichtlich, dass beide nach einer "krassen Verliebtheit" plötzlich in der Realität angekommen sind. Von "Ent-Täuschung" spricht sie, was Willy zumindest nach der ersten Therapiestunde noch nicht so recht verstehen kann.
Wie weit der Weg ist, zeigt sich auch bei Silke und Thomas, einem Paar Mitte 50, das sich im Corona-Lockdown kennenlernte und schnell, möglicherweise zu schnell zusammengezogen ist. Nach einem halben Jahr sei ihm alles zu viel geworden, erzählt Thomas. "Eigentlich", sagt die Therapeutin zu seiner Freundin, "haben Sie sich gefühlt. Als wären Sie zu viel." Woran das liegen könnte, zeigt sich schnell: Thomas fehlen die Freiräume – auch, weil er nach dem Tod seiner Tochter damit begonnen hat, riesige Mauern um die herum aufzuziehen. "Aber ich kann nicht ergründen, warum das so ist", räumt er schließlich ein.
Keine Frage, verloren ist in allen Fällen noch nichts. Doch klar scheint auch, dass es mehr braucht als nur ein Gespräch, um die Gründe für die Beziehungskrisen freizulegen. Da geht es auch um alte Verletzungen und eigene Abgründe, ehe ein neuer Anfang gewagt werden kann. "Ich habe die Wichtigkeit erkannt, wie sehr ich an mir arbeiten muss für uns", sagt Thomas im Nachgang der ersten Therapiestunde zu seiner Silke. Dass es schwer werden wird, wie er vermutet, weist sie dagegen aufs Schärfste zurück. "Vielleicht viel, aber nicht schwer." Ob es wirklich ein Happy End gibt, lässt sich nach der ersten von sechs Folgen freilich noch nicht sagen. Gewiss aber macht sie neugierig auf den weiteren Verlauf der Paartherapien, die einen unverstellten Blick durchs Schlüsselloch erlauben, ohne voyeuristisch zu sein.
Am häufigsten komme von den Paaren die Rückmeldung, dass es "gar nicht so schlimm war wie befürchtet", sagt Dr. Stephanie Kossow am Ende. Ein Eindruck, den man vor dem Fernseher schon nach einer halben Stunde teilen kann. Nein, schlimm war es nicht; eher ermutigend. Und wer weiß, vielleicht hilft das neue RTL+-Format sogar dem einen oder anderen Paar, den Schritt hin zur gemeinsamen Therapie zu gehen. Sie muss ja nicht gleich im Fernsehen stattfinden.
"Paartherapie - Now or Never", ab dem 26. Juli bei RTL+