In Zeiten, in denen Harry Wijnvoord vor seinem Comeback bei "Der Preis ist heiß" steht und Jörg Draeger längst wieder um den Zonk zockt, liegt es nahe, dass auch einer der bekannten TV-Cops der späten 90er und frühen 2000er Jahre wieder Ermittlungen aufnimmt: "Balko" ist back und somit eine Krimiserie, die RTL einst fast eine Dekade und 124 Episoden lang prägte. Inzwischen im Jahr 2022 angekommen, verlegten die Autoren Stefan Scheich und Robert Dannenberg (beide arbeiten schon bei "Der letzte Bulle" und dessen französischer Adaption zusammen) sowie die Verantwortlichen von UFA Fiction (Produzent: Guido Reinhardt) den neuen Fall auf die kanarische Sonneninsel Teneriffa. Crime & Nature ist bekanntlich ein Element, das schon bei diversen Nordsee-Krimis im Ersten und Zweiten prima funktioniert und so durfte Félix Koch einen Spielfilm inszenieren, dem es weder an Strandbildern noch an Blicken auf das reichhaltige Gestein der Vulkaninsel fehlte.
Die Verantwortlichen spielen förmlich mit der Ästhektik, verweben die Sonnenschein-Atmosphäre draußen immer wieder mit kühl-kargen Eindrücken aus Keller-Katakomben, wo nicht wenige im Tourismus beschäftigte Tinerfeños arbeiten. Auf dieser größten Kanareninsel ist inzwischen Balko (jetzt wieder Jochen Horst) gestrandet, wo er seiner toten Frau nachtrauert und den Schmerz in Alkohol zu ertränken versucht. Bis ihn der Anruf seines alten Kumpels Krapp (hat nichts an Charme verloren: Ludger Pistor) erreicht. Krapp, mittlerweile ein hohes Tier im Bundesverteidigungsministerium, ist einem deutschen Waffenhersteller auf den Leim gegangen und wird beschuldigt, eine Kellnerin um die Ecke gebracht zu haben.
Nicht zum ersten Mal wird in einem deutschen Krimi die Geschichte erzählt, dass sich der Betroffene aber leider nicht an die vergangene Nacht erinnern kann. So müssen Krapp und Balko also nach der Wahrheit suchen, sie treffen dabei immer wieder auf ungewöhnlich schießwütige Gegner und auf Alicia Ruiz. Sie ist die Ermittlerin auf Teneriffa und hat eine enge Verbindung zu Balko: Er ist ihr Stiefvater, doch nach dem Tod von Balkos Frau ist es zum Bruch zwischen den beiden gekommen.
Zwischen Balko und Alicia herrscht in der Tat eine spannende Chemie und das Duo Balko/Krapp funktioniert heute so gut wie damals. Von allen Dialogen kann man das nicht behaupten – an mehreren Stellen kann man den Eindruck haben, sie sind eher einem Standard-Baukasten für Krimifilme entnommen und auch so mancher Episodendarstellende sagt seine Texte eher auf, als dass er sie spielt – zeitweise überraschenderweise auch Uschi Glas, der man deshalb ihre neue Facette als berechnende Geschäftsfrau Beate Oswald nicht durchgehend abnimmt.
Herausragende Tamara Romera Ginés
Im Prinzip setzt RTL mit "Balko Teneriffa" auf das richtige Pferd. Flexibel im Linearen einsetzbare, 90 Minuten lange Krimireihen sind die längst überfällige private Antwort auf öffentlich-rechtliche Krimierfolge. Bei genauer Betrachtung darf an der "Balko"-Neuauflage, die sicher auch mit einem zweiten Film fortgesetzt wird, aber noch etwas geschraubt werden. Etwas weniger der Action, dafür etwas mehr Tiefgang bei aller Buddy-Cop-Kumpelei wäre nicht fehl am Platze. Weiter einen großen Platz in der Handlung einnehmen darf Ruiz, nicht zuletzt weil sie mit der bis dato noch eher unbekannten Tamara Romera Ginés herausragend besetzt ist.
Wohltuend im Film: Die Einheimischen dürfen Spanisch sprechen; anders als in "Traumschiff" und Co. wird im Ausland also doch nicht an jeder Ecke auf deutsch kommuniziert. Das bringt "Balko Teneriffa" Pluspunkte in Sachen Authentizität. Seine stärksten Momente hat der Film sowieso immer dann, wenn er weder sich selbst noch die Handlung allzu ernst nimmt und mitunter sogar in die eigene Vergangenheit blickt. So liest Krapp im Verlaufe der 90 Minuten ein Klatschblatt, das nicht nur die Nachricht beeinhaltet "Cobra 11"-Star Erdogan Atalay hätte inzwischen eine eigene Fahrschule gegründet (Serienfigur Semir ist fürs Crashen von Autos bekannt), sondern dessen Cover ausgerechnet Bruno Eyron ziert, also jenen Schauspieler, der in den späteren "Balko"-Folgen die Hauptfigur mimte.
Und auch der anfängliche Satz Krapps in Richtung Balko, er hätte ihn ja kaum wiedererkannt, ist doppeldeutig zu verstehen. Denn dass Jochen Horst, der nach Ende der dritten Staffel ausgestiegen war, nun wieder zurück ist, dürfte vielen Serienfiguren Hoffnung geben. Nämlich all jenen, die etwa nach einem Fall in ein Kaminfeuer ("Dynasty") oder verschiedensten Unfällen (diverse deutsche Soaps) auf wundersameweise mit einem komplett neuen Gesicht auftauchen, weil der ursprünglich Darstellende das Format verlassen hat.
Auch Balko erlebte genau dieses Schicksal, denn dessen neues Gesicht wurde Anfang der vierten Staffel mit einer plastischen Operation begründet, die nach einem solchen schweren Unfall nötig wurde. Ganz offenbar hat die knapp 20-jährige TV-Pause dem RTL-Ermittler gut getan und wundersame Heilungskräfte in Gang gesetzt - Balko also sieht wieder aus wie früher. Thematisiert wird all das nicht, in einem TV-Krimi, der nichts so ganz ernst nimmt, darf so etwas aber höchstens mit einem Schmunzeln zur Kenntnis genommen werden. So ist die RTL-Neuauflage etwas für Liebhaber, die wissen, dass "Balko" gerne etwas drüber ist. Ein 90-Minüter mit Charme und Potential, teilweise aber auch mit Längen.
RTL zeigt "Balko Teneriffa" am Donnerstag, 24. März um 20:15 Uhr. Schon jetzt ist die Folge bei RTL+ abrufbar.