Was ist typischer deutsch als eine spießige Doppelhaushälfte im Grünen? Da bietet es sich doch förmlich an, in diesem Mikrokosmos eine Comedyserie anzusiedeln, die sich mit deutschen Eigenarten jenseits des Gartenzauns beschäftigt. Das dachten sich auch Dennis Schanz ("Skylines") und Christoph Mushayija Rath, die die Bücher für die neue ZDFneo-Serie schrieben, die folgerichtig auf den Namen "Doppelhaushälfte" hört. Beide haben zusammen mit Barbara Kronenberg und Florian Dietrich auch Regie geführt – und sich, mit Unterstützung der Szenenbildnerinnen Reinhild Blaschke und Merle Vorwald, mächtig ins Zeug gelegt, um den Charme des Berliner Umlands auch optisch zu transportieren.

Während die linke Seite des Hauses durch den Putz der DDR-Vergangenheit besticht und die Deutschlandfahne im Vorgarten einen Einblick ins Seelenleben von Andi Knuppe (Milan Peschel) gewährt, der sich als klassischen Wendeverlierer und vom "korrupten System" kleingehaltenen Pechvogel sieht, ziehen Theo (Benito Bause), Mari (Maryam Zaree) und deren pubertierende Tochter Zoe (Helena Yousefi) auf die andere Seite. Die ist viel heller und stylischer als bei den Nachbarn und damit wie gemacht für die neuen Mieter – wären da nur die Knuppes nicht, die sie schnell kennenlernen, mit all ihren Facetten.

Was die "Neuen" zunächst nicht ahnen: Bei dem hemdsärmeligen Makler, den sie mit allen Mitteln von sich zu überzeugen versuchen, handelt es sich um besagten Nachbarn, der sich zunächst mehr zu den Konkurrenten von Mari und Theo hingezogen fühlt – der weißen und blonden Familie Reimers und nicht mit Alltagsrassismus spart. Aus Neukölln kommen sie? Da könnte er nicht leben, sagt er: "Zu viel Gesocks." In einer anderen Szene lässt er wissen, man sei "hier nicht in Uganda". Da muss Mari schnell schlucken. Kein Wunder also, dass sich die Diversity-Beauftragte eines Großkonzerns schnell mit Andi die Haare bekommt, der nicht nur optisch an "Ekel Alfred" erinnert.

Doppelhaushälfte © ZDF/Antonio Paladino Tracy (Minh-Khai Phan-Thi) und Sohn Rocco (Minh Hoang Ha) stehen im Garten.

Dass es in der neuen Serie durchaus derb zugehen kann, stellt gleich die erste Folge unter Beweis, bei der Andi eine gehörige Sauerei in der Toilette der leerstehenden Nachbarshälfte verursacht – was später dazu führt, dass die Interessentin und ihre Tochter bei der Besichtigung im Strahl zu kotzen beginnen, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Dennis Schanz und Christoph Mushayija Rath arbeiten in ihrer Serie zwischen vielen feinen Dialogen, die Vorurteile und Missverständnisse schön herausstanzen, also auch mal mit dem Vorschlaghammer. Das ist ein ziemlicher Balanceakt, der jedoch glücklicherweise in den meisten Fällen gelingt.

Auf diese Weise weiß "Doppelhaushälfte" das Publikum immer wieder zu überraschen. So wie im Übrigen auch mit der Besetzung von Minh-Khai Phan Ti, die Andis toughe Ehefrau Tracy Knuppe verkörpert und mit ihren vietnamesischen Wurzeln auf den ersten Platz gar nicht in Andis Weltbild zu passen scheint. Doch weit gefehlt: Mit ihrer Berliner Schnauze weist sie ihren Gatten immer dann in die Schranken, wenn es nötig ist, beweist aber auch reichlich Herzlichkeit, wenn der pummelige Sohn mal wieder verprügelt und mit dickem Auge nach Hause kommt.

Die Vielschichtigkeit aller Figuren ist es, die beim Zuschauen große Freude bereitet – zumal die Spielfreude des Casts im Laufe der Staffel richtig Fahrt aufnimmt. Kontrastreich fördert sie die unterschiedlichen Lebenseinstellungen und Weltanschauungen der Familien zutage, wenngleich immer wieder aufgezeigt wird, dass sie zu gut beraten sind, sich zu arrangieren. Dass die Story genug Stoff für eine Fortsetzung bietet, daran besteht nach den ersten acht Folgen kein Zweifel. Bleibt zu wünschen, dass sich ZDFneo dazu entschließt, möglichst bald weitere Einblicke in die vermeintliche Doppelhaus-Idylle zu gewähren.

"Doppelhaushälfte", dienstags um 21:45 Uhr in ZDFneo. Die gesamte Staffel steht schon jetzt in der ZDF-Mediathek zum Abruf bereit.