"Der beste Zehner aller Zeiten": In einer seiner Werbekampagnen meinte DAZN nicht etwa Fußball-Stars wie Messi oder Neymar, sondern sich selbst. Für faire 9,99 Euro im Monat ließ sich der Sportstreamingdienst anfangs abonnieren. Das ist nur ein paar Jahre her und längst ist aus dem Underdog ein ernstzunehmender Player geworden, auf dem deutschen Markt, aber auch darüber hinaus. Sympathien sammelte DAZN seinerzeit aber nicht nur wegen des attraktiven Preises, sondern auch wegen der Nähe zu den Fans – im Vergleich zu Sky mit seinen Anzugsträgern wirkte das Streaming-Personal mit Jeans und Hoodie auf viele deutlich weniger prätentiös.
Da konnte man schon mal übersehen, dass hinter DAZN eine amerikanische Beteiligungsgesellschaft steht, deren Gründer ein Mann namens Leonard Blavatnik ist und laut Forbes zu den 50 reichsten Menschen der Welt gehört. An Geld mangelt es bei DAZN also ebenso wenig wie an Ambitionen. Längst ist der internationale Rollout erfolgt und die Nische, die der Streamingdienst anfangs besetzte, hohen Investitionen gewichen. Um auf dem hart umkämpften amerikanischen Markt Fuß fassen zu können, wurde eine Milliarden-Summe in Boxrechte investiert und in Deutschland fließen inzwischen jährlich viele Millionen in teure Rechte wie die Bundesliga oder die Champions League.
Die Zeiten, in denen Sky den hiesigen Sportrechte-Markt dominierte, sind mittlerweile vorbei – und die Hoffnung der Fans, dass ein Zehner fürs Abo reicht, wurde schon vor geraumer Zeit begraben. Doch während die meisten von ihnen auch mit 15 Euro noch gut leben konnten, hat die Ankündigung von DAZN, den Preis schon bald auf 25 bis 30 Euro zu erhöhen, dem Sport-Streamer einen gehörigen Shitstorm eingebracht, den die Social-Media-Redaktion am Dienstag kaum einfangen konnte. Aus dem Publikumsliebling ist binnen weniger Stunden ein gefallener Held geworden.
Das Dilemma für DAZN: Angesichts massiver Investitionen in Top-Rechte ist die Preiserhöhung ein nachvollziehbarer, vielleicht sogar überfälliger Schritt. Dem steht jedoch die immense Erwartungshaltung an erschwingliche Preise gegenüber, durch die dem Dienst in den zurückliegenden Jahren viel Fan-Liebe entgegenflog. Und überhaupt: Was ist eigentlich mit all jenen, die weder an der Bundesliga noch an der Champions League interessiert sind? Für den stattlichen Preis von fast 30 Euro im Monat dürfte wohl mancher abspringen, der DAZN vorwiegend für Darts oder Basketball abonnierte.
Neuer CEO, neuer Finanz-Chef, neue Investitionen
Vor dem Hintergrund dieser komplexen Gemengelage machten die Fans ihrem Ärger jetzt mit GIFs und giftigen Kommentaren Luft; einige kramten gar alte Zitate aus dem Archiv. "Wir locken die Leute damit auch nicht nur auf unsere Plattform und verlangen in zwei Jahren dann 35 Euro", wurde James Rushton aus dem Jahr 2017 zitiert, als dieser in einem Interview auf besagten Zehner für DAZN angesprochen wurde. Doch DAZN-Gründer Rushton ist seit einigen Tagen nicht mehr CEO des Unternehmens, nach rund vier Jahren im Amt soll schon bald auch Chief Financial Officer Stuart Epstein abgelöst werden – beides Personalien, die nur wenige Tage vor der saftigen Preiserhöhung bekannt wurden.
Steckt DAZN womöglich in ernsten Schwierigkeiten oder sind die Zusammenhänge rein zufällig? Dass in nächster Zeit das Geld ausgeht, darf freilich bezweifelt werden, immerhin scheint DAZN gewillt, 800 Millionen Dollar für die Übrnahme des britischen Pay-TV-Anbieter BT Sport zu bezahlen. Der Deal soll, so ist zu hören, kurz vor dem Abschluss stehen.
Gleichzeitig dürften viele in der deutschen TV-Branche die jüngste Entwicklung des Sportstreamingdienstes mit einigem Interesse beobachten, zeigt sich doch, dass die DAZN Group, deren Verlust sich alleine 2019 auf mehr als eine Milliarde Euro belief, vor denselben Herausforderungen steht wie ihre Mitbewerber. Schon der Sky-Vorgänger Premiere und die Verantwortlichen des bereits nach einer Saison gescheiterten Bundesliga-Senders Arena mussten feststellen, dass selbst mit günstigen Abos für die Masse eine Refinanzierung hochpreisiger - man könnte auch sagen: überteuerter - Fußball-Rechte kaum zu bewerkstelligen ist.
Wahrscheinlich war es also schon immer eine Illusion, umfangreiche Sport-Übertragungen für kleines Geld zu bieten. Mit wenigen Rechten und dem Willen zu Anlaufverlusten wäre das vielleicht möglich gewesen, nicht aber mit dem beachtlichen Portfolio, das sich DAZN in den vergangenen Jahren aufgebaut hat. Mit der Ankündigung von diesem Dienstag ist der Streamingdienst nun preislich auf Augenhöhe mit Sky angekommen – was wiederum die Erwartungen weiter anheizt. Mit Blick auf die Aufbereitung der Übertragungen wird sich DAZN noch einmal steigern müssen. Für einen Zehner verzeiht man einiges, nicht aber für das Dreifache.