Über acht Jahre ist es her, dass Schauspieler Tom Beck jenes Serienformat verließ, das von ihm bis dato am meisten geprägt wurde: Nach über 80 Folgen als locker-leichter "Cobra 11"-Autobahnkommissar. Es folgten (Kino-)Filme, Musikprojekte und auch zwei weitere Serien. In Amazons "You are Wanted" mischte Beck ebenso mit wie in der ebenfalls immer einen humoristischen Unterton mitbringenden, aber nie wirklich erfolgreichen Sat.1-Crimedy "Einstein", die inzwischen nach über 30 Folgen beendet ist. Auffallend: Kaum RTL-Projekte sind in Becks Vita in den zurückliegenden Jahren zu finden. Wer zynisch ist, der könnte meinen, der Name der kurzlebigen RTL-Serie "Beck is back!" war möglicherweise direkt aus dem Traum eines RTL-Managers geboren. Jetzt stimmt's und ist so weit: Tom Beck is back bei RTL und das mit völligen neuen Facetten in einer Familienserie, deren Produktionsfirma ebenfalls Neuland betritt.

Denn "Friedmanns Vier", deren Oberhaupt Mischko vom Ex-Autobahn-Cop gespielt wird, kommt von Redseven Entertainment, das viele Staffeln von "The Taste", "GNTM", "The Biggest Loser" und Co. hergestellt hat, im fiktionalen Bereich aber nicht über Light-Formate wie "Krass Schule" hinaus kam. Diesen Fakt merkt man "Friedmanns Vier" nicht an. Viel mehr reiht sich die achtteilige erste Staffel recht nahtlos ein in die jüngsten Fiction-Projekte, von denen die allermeisten mit hoher Qualität überzeugten.

Friedmanns Vier © RTL Mischko (Tom Beck) umarmt seine Frau Emma (Picco von Groothe) auf dem Totenbett.


Vielleicht ist "Friedmanns Vier" auch deshalb so gut, weil es ungewöhnliche Pfade beschreitet, ohne larger than life zu sein. Und weil man den Schauspielenden ihre Figuren zu jeder Zeit abnimmt, was an mehreren Dingen liegt. Beck ist nicht der lustig-schräge Kumpel-Buddy-Typ, sondern Vater dreier heranwachsender Kinder, der bei einem Autounfall seine große Liebe und die Mutter dieser Sprösslinge auf tragische Weise verliert. Unter die Haut gehend ist Becks Leistung, insbesondere direkt in der Ausgangsfolge, als er den Schmerz über den Verlust emotional-intensiv und nachvollziehbar verkörpert. Der Tod von Emma (auch im Verlauf der Serie immer wieder in Rückblenden auftauchend; Picco von Groote) wirkt wie eine Art Brennglas auf alle Familienmitglieder.

Vorbild für die Gesellschaft

Die Rollen der Jugendlichen sind von Newcomern besetzt, was ebenfalls ein großer Pluspunkt ist. Herausragend ist dabei insbesondere Amadeo*Leo Arndt, ein trans Junge. Seine Figur Carl*a outet sich prompt in der ersten Folge und teilt mit, eigentlich eben ein Junge zu sein. Löblich ist darüber hinaus auch der generelle Umgang mit diesem in klassischen Familienserien bislang eher selten vorkommenden Thema. Der Umstand, dass der Fokus gar nicht so sehr auf der Trans-Geschichte liegt, attestiert eine Normalität, von der sich die Gesellschaft an manchen Punkten noch eine Scheibe abschneiden kann. Für Wirbel sorgen aber auch die älteste Tochter Mischkos, Maya (Anna-Lena Schwing), die parallel zu ihren schulischen Problemen auf allerlei dumme Gedanken kommt und Tilda (Kya-Celina Barucki), die an einem eigenen Theaterstück arbeitet und um die sich im Laufe der Staffel eine etwas abgedroschene, aber herzliche Liebesgeschichte mit Bad Boy Rokko entspinnt.

 

Wenngleich dessen Darsteller Rojan Juan Barani einen guten Spagat zwischen Gangster-Image und weichem Herzen hinbekommt, scheint diese Figur etwas zu alt besetzt – ein Ärgernis, bei dem sich "Friedmanns Vier" jedoch in bester Gesellschaft mit diversen US-Young-Adult-Formaten weiß. Und auch wenn es zunächst die sehr ernsten Themen dieses Lebens sind – insbesondere in der ersten Folge muss man bei den unter die Haut gehenden Bildern mehr als einmal schlucken – so versprüht Familie Friedmann dennoch Liebesfreude und Positivität.

Friedmanns Vier © RTL / Martin Vogel Die vier Friedmanns aus "Friedmanns Vier".
 

Ob der Veröffentlichtungstermin am vierten Advent nun wirklich absolut passend ist, sei mal dahingestellt: München im Sommer und Spätsommer 2021 diente als Schauplatz der Serie, in der somit viele kurzärmlig bekleidete Figuren unter dicht bewachsenen Birken zu sehen sind. Regisseur Alexander Costea spielt mit dieser Wärme förmlich, lässt die Kälte, die mit dem Tod der Mutter und Frau einhergeht, zwar zu, am Ende Warmes aber doch gewinnen. Und Berit Walch hat mit ihren Figuren Charaktere geschaffen, die sofort mit offenen Armen empfangen werden. Womöglich könnte sich also schon an diesem Weihnachten ein Wunsch von Jobst Benthues erfüllen: Eine Familie zu etablieren, auf die sich Serienfans in Deutschland künftig jedes Jahr freuen.

"Friedmanns Vier", ab sofort bei RTL+ verfügbar. Die Free-TV-Premiere ist für 2022 bei Vox geplant.