Die bevorstehende Bundestagswahl macht es möglich, dass der Begriff des "Triells" in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen ist. Gleich drei davon, in denen sich Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz gegenüberstanden, gab es in den vergangenen Wochen auf diversen Fernsehkanälen zu sehen - doch welches "Triell" hat eigentlich das Triell der Trielle gewonnen?
Faktor Moderation
Nun lässt sich freilich darüber streiten, ob ausgerechnet eine ehemalige Moderatorin des CDU-Fernsehens eine Woche vor der Bundestagswahl die Fragen im möglicherweise entscheidenden TV-Triell stellen muss, doch Claudia von Brauchitsch hat die Aufgabe bei ProSieben, Sat.1 und Kabel Eins recht souverän gelöst. Zusammen mit der ehemaligen "Tagesschau"-Sprecherin Linda Zervakis bildete sie ein harmonisches Duo, auch wenn die eine oder andere Nachfrage an Armin Laschet dazu führte, dass der CDU-Politiker ein ganzes Stück länger redete als die anderen.
Auch Pinar Atalay und Peter Kloeppel, die schon Ende August das erste Triell präsentierten, machten ihre Sache über weite Strecken hinweg gut. Ärgerlich allerdings, dass einige Fragen des RTL-Duos ins Leere führten - so wie das zwei Wochen später auch bei Maybrit Illner und Oliver Köhr im öffentlich-rechtlichen Schlagabtausch der Fall war. Dass ausgerechnet ARD und ZDF die schlechteste Figur abgaben, lag daran, dass man zeitweise das Gefühl hatte, Illner und Köhr würden sich auf der Triell-Bühne noch ein privates Duell liefern. Da wirkte wenig abgestimmt und abgesprochen. Klarer Punktsieg also für die Privaten.
Faktor Themen
Jenke von Wilmsdorff brachte es am Sonntagabend in der Sat.1-Analyse auf den Punkt: Wer alle drei Trielle sah, konnte beim letzten den Eindruck gewinnen, dass es sich um eine Wiederholung der beiden vorherigen Sendungen handelte. Das war eine ziemlich deutliche Kritik, die nicht nur auf Baerbock, Laschet und Scholz zielte, sondern vor allem auf die eigene Senderfamilie. Die hätte es schließlich in der Hand gehabt, mit Themen um die Ecke zu kommen, die in den beiden vorherigen Triellen zu kurz kamen. Sicher, es wurde endlich über Digitalisierung gesprochen. Doch wo waren die Schwerpunkte zu Migration und Außenpolitik?
Stattdessen ging es auch diesmal wieder um die Corona-Politik und den Klimawandel - um Themen also, die auch RTL und die Öffentlich-Rechtlichen zuletzt schon ansprachen. Auch die obligatorischen Fragen zu möglichen Koalitionen hätten im Triell von ProSieben, Sat.1 und Kabel Eins gerne weggelassen werden können. Oder rechnete ersthaft jemand damit, dass die Antworten in dieser Woche anders ausfallen würden? Die Chance, den Wahlkampf noch einmal mit neuen Themengebieten anzuheizen, wurde am Sonntag jedenfalls verpasst. Aus Publikumssicht hätte man sich gewünscht, die Sender hätten sich besser abgesprochen. Nach insgesamt viereinhalb Triell-Stunden wäre mehr drin gewesen.
Faktor Überraschung
Seit sich Gerhard Schröder und Edmund Stoiber vor knapp 20 Jahren erstmals in einem deutschen TV-Duell gegenüberstanden, hat sich das Konzept dieses stets etwas sonderbaren Formats kaum verändert. Gut, die Zeiten, in denen vier Moderatoren zwei Politikern die Fragen stellten, sind glücklicherweise vorbei. Doch Charakter und Anmutung sind trotzden gleich geblieben. Da gilt es vermutlich schon als Innovation, dass die Privatsender bei ihren diesjährigen Triellen jeweils kurze Einspielfilme einwarfen und somit für etwas Auflockerung sorgten.
Immerhin versuchten ProSieben und Sat.1 auch abseits davon, das Konzept mit leichten Modifizierungen ein wenig aufzubrechen. Dass sich Baerbock, Laschet und Scholz zwischenzeitlich gegenseitig befragen durften, war eine ebenso willkommene Abwechslung wie das Weglassen der Schluss-Statements. Deren Sinn hat sich bislang ohnehin nie so recht erschließen wollen, fielen sie doch selten aufregender aus als ein Wahlwerbespot. Beim Faktor Überraschung gibt's also einen leichten Vorteil für ProSieben, Sat.1 und Kabel Eins.
Faktor Zeit
Fast schon reflexartig wurde in den vergangenen Wochen bei den drei TV-Triellen auf das Konto der jeweilige Redezeiten geschaut. Sicher, eine einigermaßen gleichmäßige Verteilung wäre wünschenswert, doch tut das pedantische Notieren von Minuten und Sekunden wirklich not, schließlich kann ein Politiker auch dann erstaunlich wenig sagen, wenn er viel redet. Sich kurz zu fassen, kann daher auch eine Stärke sein.
Wenn man allerdings schon derart fixiert auf die Redezeiten-Konten schaut, dann sollten die Angaben auch stimmen. Dass dies bei ARD und ZDF nicht der Fall war und Annalena Baerbock auch noch auf die stetig weitertickende Uhr ihres Kontrahenten Olaf Scholz hinweisen musste, war reichlich peinlich für die öffentlich-rechtlichen Sender. Einen Fauxpas lieferte sich allerdings auch Sat.1-Moderatorin Claudia von Brauchitsch, die Baerbock bat, sie möge sich doch bitte kürzer fassen, obwohl zu diesem Zeitpunkt Armin Laschet mit Abstand am meisten geredet hatte. Womöglich sollte man die Sache mit der Zeitmessung in Zukunft ganz einfach sein lassen.
Faktor Quoten
Mit rund elf Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern war das öffentlich-rechtliche TV-Triell das mit Abstand am besten eingeschaltete. Die meisten davon verfolgten die Sendung dabei im Ersten. Rund fünf Millionen schalteten zwei Wochen zuvor bei RTL und ntv ein, ehe ProSieben, Sat.1 und Kabel Eins nun noch einmal mehr als vier Millionen Menschen erreichten. Trotz der Unterschiede können sich jedoch alle Sendergruppen zufrieden sein, denn anders als in den Vorjahren konnte jeder einmal beim Publikum punkten.
Während ProSieben oder Sat.1 in den vergangenen Jahren, als die Duelle bei vier Sendern gleichzeitig liefen, quasi keine Chance hatten, kamen sie nun zusammen auf mehr als 25 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Auch RTL erreichte mehr als jeden Vierten unter 50. Doch auch beim jungen Publikum hatten ARD und ZDF mit ihrem Triell die Nase vorn: Gemeinsam brachten es beide Sender vor einer Woche auf fast 40 Prozent Marktanteil. Auch in Zukunft dürften also alle Sendergruppen darauf bestehen, mit eigenen Duellen oder Triellen an den Start zu gehen.
Das Fazit
Schön, dass es in diesem Jahr nicht nur ein Aufeinandertreffen gab und die Zeiten, in denen vier Moderatorinnen und Moderatoren zwei Duellanten gegenüberstehen, der Vergangenheit angehören. Dass die Trielle von den Verantwortlichen jedoch nicht wirklich in einem Dreiklang gesehen wurde, trübt das Fazit: Sich wiederholende Themenblöcke und Fragen führten dazu, dass aus Sicht des Publikums letztlich wohl mindestens eine der Sendungen verzichtbar gewesen wäre. Das gilt vor allem für das Triell von ARD und ZDF, das weit unter seinen Möglichkeiten blieb.
Dass RTL und ProSiebenSat.1 die bessere Figur machten, zeigt zugleich, dass die Öffentlich-Rechtlichen die Bemühungen der Privatsender, sich stärker im Nachrichtenbereich zu engagieren, ernst nehmen sollten. Und doch sind alle Sender gut beraten, beim nächsten Durchlauf am doch arg engen Korsett zu schrauben. Weniger Redezeit-Fetischismus und dafür eine größere thematische Vielfalt wären ein guter Anfang.